Mittwoch, 24. Oktober 2007

Ich vermisse das Geräusch der Laubsauger

Zu meinen Unarten gehört es, im ersten Satz oder gar bereits in der Überschrift eines Textes eine Behauptung aufzustellen, die ich dann umgehend und sofort ändere, verbessere, schlimmstmöglich sogar ins Gegenteil kehre. Dieser Tradition will ich folgen, indem ich erwähne, dass ich das Geräusch der Laubsauger keineswegs vermisse, schenke ich doch solchem Gerät zu jeder Zeit die ihm gebührende Verachtung.

Laubsauger stellen eine Erfindung dar, die ich auf die - sicherlich erstaunlich lange - Liste unnützer Erfindungen setzen würde, sollte ich je mit der Aufgabe betraut werden, eine solche Listezu kreieren. Es liegt nahe zu vermuten, dass es Unterschiede zwischen Laubsaugern und Laubgebläsen geben muss, doch in meinem - mit unzureichender Rechercheinformation bestücktem - Schädel vermengen sich beide Geräte zu einem einzigen; doch ich bin gewillt, selbiges auch mehrfach auf die genannte Liste zu setzen.

Laufe ich durch die Straßen Magdeburgs, stelle ich fest, dass die Gehwege erstaunlich blattfrei sind, dass sich zwar hier und dort verdorrtes, einigermaßen buntes Herbstlaub ansammelte, jedoch von einer Basisreinheit Magdeburger Gehwege durchaus die Rede sein darf. Das verwundert mich, habe ich doch in diesem Jahr weder Laubblasende noch noch Laubsaugende erblicken können, die mit ihren lärmenden Maschinen rund um die Uhr damit beschäftigt sind, Fußgänger vor potentiell glitschen Ausrutschstellen und Stadtbäume vor sich in Laubbergen vermehrendem Feindgetier zu bewahren.

Back to the roots!, könnte ich da frohlockend ausrufen und Harke und Rechen als wieder in die Mode kommendes Blattbeseitigungsgerät feiern, doch wagten es auch weder fleißige Harker noch eifrige Recher, mein Sichtfeld zu kreuzen um lobende Blicke zu ernten. Die Wege wurden also befreit, als ich nicht hinsah, und allein der Umstand, dass mir kein Blas- und Sauglärm an die Ohren drang, lässt mich vermuten, dass in diesem Jahre eine Rückkehr zu technikfernen Wurzeln zelebriert werden könnte.

Doch ich zelebriere nicht. Denn neben dem Geräusch der Laubsauger vermisse ich einen weiteren Laut, der jedoch im Gegensatz zu ersterem durchaus meine Sympathie geschenkt bekommt: Das Rascheln.
Laufe ich durch die Straßen Magdeburgs finde ich nicht nur laubblattarme Gehwege, sondern auch, in Häuserecken und auf einst grünenden Flächen, Ansammlungen trockenen Blattwerks, die mich zu locken pflegen: "Komm, spiel mit uns! Laufe durch uns hindurch, doch hebe dein Schuhwerk nicht in allzu große Höhen! Lass uns gemeinsam rascheln und den Herbst mit fröhlicher Klangkulisse untermalen!"

Nicht selten gebe ich nach und raschle so gut ich kann, laufe gar denselben Weg mehrmals vor und zurück, nur um ein wiederkehrendes Raschelerlebnis zu erfahren. Und gerne dränge ich mich Begleitende zu gleichem, ziehe die Widerstrebenden durch das Laub, bis sie sich in Wonnen wissen, die nur der kennt, der in seiner Kindheit die sorgsam zusammengefegten Laubhaufen auf Schulhöfen und Parkwegen zum Sich-Hineinfallenlassen und Darin-Herumrascheln nutzte.

Ich nutzte und suche heute auf meinen Wegen durch die Stadt ähnliche Laubhaufen, suche Zusammengekehrtes, Zusammengefegtes, Zusammengeharktes, von mir aus auch Zusammengeblasenes, doch finde nichts, finde keine Haufen raschelnden Glücks, nur hier und dort erwähnte Ansammlung, die ihr Bestes gibt, mich zu erfreuen, auch wenn ich tief in mir ahne, das das Beste noch immer nicht gut genug ist.

Und während ich suche, vermisse ich ein Drittes: Kinder, die - wie ich - durch Laub rascheln. Laubansammlungen scheinen nicht mehr ausreichend Attraktivität zu besitzen, vermute ich, doch warne vor voreiligen Schlüssen, vor "Die Jugend von heute..."-Verallgemeinerungen und der übertriebenen Beweihräucherung der eigenen Kindheit. Schließlich bezweifle ich, dass alle Kinder auf Erden plötzlich dem Vergnügen abgeneigt sind, sich mit mehr oder minder trockenem Laub zu umgeben. Außerdem liegt die Vermutung nahe, dass das Fehlen sorgfältig zusammengedingster Laubhaufen direkte Auswirkungen auf die Laubbegeistertungsfähigkeit junger Menschen hat. Zudem halte ich es für nicht unmöglich, dass Kinder von ihren sorgsam wachenden Eltern oder weniger sorgsam wachenden Freunden den wenig appetitlichen Hinweis dargeboten bekamen, den auch ich neulich hören musste: Unter dem Laub verstecken sich Hundeexkremente besonders gut.

Das erscheint logisch und ist so leicht nicht von der Hand zu weisen, auch wenn ich mich nicht daran erinnern kann, als Kind jemals bei der Laubraschelei mit hündischen Stoffwechselendprodukten in Kontakt gekommen zu sein. Dennoch werden die Raschelfreuden auf diese Weise gedämpft, und unangenehme Bilder bemächtigen sich meiner, wenn mal wieder eine Laubansammlung mit güldenherbstlicher Verlockung nach mir loreleit.

Und vielleicht muss ich mich korrigieren, wenn ich oben schrieb, dass ich das Geräusch laubblasender Maschinen vermisse und diese Geräte für sinnfrei halte. Denn möglicherweise gelingt es modernen Laubblasgeräten durch exakt geregelte Stärke der Blasluftabgabe das wunderbar raschelnde Laub vom igittigen Hundekot zu trennen und ersteres zu ansehnlichen Haufen zusammenzuführen, auf dass mein raschelsüchtiger Leib in einem solchen unbefleckt versinken möge...

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