Samstag, 22. April 2006

Menschen 24: Am Spielautomaten

Beim Dönermenschen [Das Wort Türke klingt, obgleich es nur eine Länderzugehörigkeit liefert, irgendwie abwertend.] finde ich mich, die Angebotstafel studierend. 'Dürüm hatte ich noch nie, ist allerdings teurer als ein normaler Döner.'
Noch bevor ich entscheidungsfindend meine Bestellung aufgeben kann, werde ich vom Ladenbesitzer freundlich in die richtige Richtung geschubst: "Döner zum Mitnehmen?" Ich strahle ihn an: "Ja."

Während der Türke [Jetzt habe ich es doch getan.] seinem Nahrungsmittelzubereitungswerk nachgeht, sehe ich mich um, interessiere mich nicht für die beiden Mädels, die, in unspannende Profanunterhaltung vertieft, sich ihre Mahlzeit in die Schädel stopfen. Am Glücksspielautomat [In Magdeburg scheint es üblich zu sein, daß nahezu jeder Dönerladen einen solchen besitzt.] steht ein vielleicht Fünfzigjähriger, der mit monotoner Gestik immer wieder auf die einzelen Knöpfe haut, den Automat teilnahmslos bedient, ohne daß das Spielprinzip für mich durchschaubar würde. Er kennt sich aus, doch verspielt desinteressiert sein Guthaben.

Erst als ich bemerke, daß der Mann überhaupt nicht auf die rotierenden Fruchtsymbole achtet, werde ich stutzig, erkenne sein Gesicht wieder: Es ist der Blinde, dem in hin und wieder begegne, während er auf seine Straßenbahn wartet und Umstehende bittet, ihm die Nummer der gerade ankommenden mitzuteilen. Ein Blinder, der Glücksspielautomaten nutzt. Ich bin beeindruckt.

Um meine Vermutung zu bestätigen, suche ich seinen Stock, doch entdecke ihn nicht. Dafür jedoch fällt mir nun auf, daß er gespannt den Piep- und Dudelgeräuschen lauscht, die dem AUtomaten entweichen, um zum offensichtlich richtigen Zeitpunkt auf die Taste zu hauen. Seine Tastenbedienung wirkt rabiat, doch soll vermutlich nur die Wirksamkeit seines Tastendrucks sicherstellen.

Der Dönermann wickelt mein Abendbrot ein, und der Blinde greift seinen Stock, der doch in der Ecke gestanden hatte, geht mit kleinen Schritten in Richtung Ausgang, sich vom Ladenbesitzer verabschiedend: "Meine Bahn kommt gleich." Während ich mich bemühe, nicht da zu sein, mich an den Thresen zu pressen und somit nicht im Weg zu stehen, bemerke ich, wie einsam und traurig er aussieht.
"Bis morgen.", meint der Dönermann, als wolle er meine Feststellung bestätigen.

Am Tisch tuscheln die Mädchen: "Der war ja blind!". 'Blind', denke ich, 'aber nicht taub.', denn noch immer steht er in der Tür.

Ich erhalte meinen Döner, bezahle, verabschiede mich und sehe den Blinden, wie er sich am Rand des Fußwegs plaziert und auf seine Bahn wartet.
Es sieht nicht so aus, als würde sie bald kommen.

[Im Hintergrund: The Dresden Dolls - "Yes, Vorginia"]

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NBerlin - 22. Apr, 14:10

Ja mit dem Zeitempfinden kann man sich auch ganz gut ohne Uhr zu recht finden! Wahrscheinlich war eher sein Geld alle als das die Bahn kam. Dürüm schmeckt übrigens besser und ist ein türkisches Original, (mehr Fleisch anderes Brot) während Döner so wie wir ihn kennen nur in Deutschland verkauft wird (oder glaubst du das Türken rohen Rotkohl essen?). Schöne Geschichte, war sehr schön zu lesen....

morast - 22. Apr, 14:17

Wenn ich etwas esse, ist es mir eigentlich egal, ob das nun für Deustche abgewandelt wurde oder ein Original-Produkt ist. Hauptsache, es schmeckt. Aber einen Dürüm zu probieren, steht auf meiner inexistenten To-Do-Liste... ;)
ungefragt - 22. Apr, 15:07

Auch Börek ist toll, allerdings nur, wenn es vom Blech geschnitten wird und nicht in fertigen Kleineinheiten gebacken wird.

Viele Menschen sind einsam, bei manchen fällt es einfach nur mehr auf als bei anderen. Wichtig ist es, das Auge dafür zu behalten. Und, trotz anderer Auffälligkeiten einen normalen Umgang mit ihnen zu pflegen. Wie Sie schon sagen: Blind ist nicht taub. Und auch nicht exotisch.

morast - 23. Apr, 15:40

"Blind ist nicht taub. Und auch nicht exotisch."
Klingt gut. Und richtig.

[Börek habe ich hier nirgendwo entdeckt. Aber ich werde die Augen offenhalten in jeder Hinsicht...]

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