Montag, 12. September 2005

Ein herzlicher Gruß

Dem entweichenden Sommer sende ich ein sachtes Lächeln hinterher, grüße ihn, den Verblassenden, sanft ein letztes Mal - wie einen liebgewonnenen Freund, von dem man weiß, daß er eines Tages wiederkehren und einen warmen Hauch der Freude mit sich bringen wird. Aus den Augenwinkeln beobachte ich verstohlen, wie dem Sommer eine silberne Träne die Wange hinunterrinnt, sich zu einem letzten Regenschauer formt, als wolle er den Herbst begrüßen, der verstohlen, fast heimlich, doch mit forschen Schritten, ohne Zögern, näherrückt, mit seinen warmen Farben die Welt zu verzaubern. Mein Lächeln gilt auch ihm, heißt ihn willkommen in seinem Reich, mischt sich mit den kühleren Winden, die aufziehen und mein Antlitz umranken, die in meinen wehenden Haaren ergebene Spielgefährten finden.

Blicke ich zurück, so vermisse ich den Sommer, vermisse mich in diesem Sommer, sehe mich nur wenige Male die erquickende Feuchtigkeit von Tümpeln und Seen genießen, sehe mich nicht in die Fremde, die Ferne ziehen, dorthin, wohin es alle verschlug, die für einen Augenblick dem Hier und jetzt entkommen wollten. Ich sehe mich die Zeit vertrödeln, als wüchse sie direkt neben meinem Fenster, sehe mich lächelnden Herzens Träumen hinterherschweben, die sanft, doch unaufhaltsam, meinen Blicken entgleiten.

Doch der Herbst bringt Neues, Unbekanntes, das auf mich wartet, ja lauert, wie ein altes, träges Tier, dessen scharfe Klauen und Zähne bedrohlich wirken sollen, doch - längst abgewetzt - keine Gefahr mehr darstellen. Das alte Tier lädt ein zum Tanz, will Spielgefährte sein, mir Wege zeigen, die ich noch nicht kenne. "Hab keine Angst.", flüstert es in meine Sinne, obgleich es weiß, daß ich meine Angst ein Eigenleben führt, mir nicht gehorchen will.

Ich sehe welke Blätter von den Bäumen gleiten, laufe durch den zarten Regen, der erst langsam erwachen, wachsen, muß, dem es noch an Kälte, Stärke, Düsternis fehlt, um den kalten Bruder Winter einleiten zu können. Ich begrüße den Nebel, der sich wattig über Wege legt, als spielte er Verstecken mit meinen Gedanken, als müßte ich erraten, was sich unsichtbar in seinem Inneren verbirgt. Ich weiß es nicht und renne lachend durch die Schwaden, entdecke stachelgrüne Kastanien zu meinen Füßen und befreie die wohlig braune Frucht, lasse sie durch meine Finger gleiten, so glatt und rein, fast vollkommen.

Von einer schmalen Brücke lasse ich sie fallen, lausche dem verschluckenden Plumps der träge dahingleitenden Fluten, sehe sie in des Flüsses dunklem Grün verschwinden. Am Geländer hängen Tropfen wie Perlen, aufgereiht, nebeneinander glitzernd, lockend. Mit ausgestrecktem Finger pflücke ich sie, einzeln, spüre die feuchten Kostbarkeiten meine Hand hinabrinnen, zerreibe das Naß zwischen den Fingern.

Und als ich heimzukehren gedenke, senkt sich Dunkelheit über die Stadt, rasch und unbemerkt, läßt Laternen aufleuchten und vereinzelte Schritte in Hauseingängen verschwinden. Ich schlendere den Pfad entlang, rieche den feuchten Atem des Herbstes und heiße ihn willkommen wie einen lang vermißten Freund.

[Im Kopf: Opeth - "Ghost Reveries"]

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lacrimamira (Gast) - 12. Sep, 16:46

wunderschön geschrieben!!!

ich mag den Herbst ja eigentlich nicht, assoziiere ihn mit Kälte, grau und Vergehen. Aber nach diesem Wortwerk erschint er mir doch ein wenig sympathischer als zuvor.

Alles Liebe und bis bald :-)

morast - 12. Sep, 17:07

Ich freue mich darüber, bei jeder Jahreszeit festzustellen, daß ich sie mag.

P.S.: Gegen Kälte hilft Wärme - und sei es "nur" die eines anderen...

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