Montag, 7. März 2005

Liebst du mich?

Ich flüstere einen Strauß Blumen in die Sonne, denk an dich, während du Silberblasen schweigst. Sie platzen auf meinen Lippen, hinterlassen den faden Geschmack vergänglicher Merkwürdigkeiten. Ich sehe auf, sehe dich an, entrückte dem Nichts, das sich noch immer heimlich an mein Hosenbein klammert. Ich könnte Worte wie Regentropfen auf deine Nasespitze setzen, dir mit fliegenden Sinnen in die Seele lachen, könnte das kitzelnde Sternenfunkeln in deine lieblichen Augen zaubern, könnte meinen unsichtbaren Mantel in den Winden flattern lassen und verlieren, könnte dich jederzeit unter Millionen Namen erkennen, deine Hand tief in rauschzartsüße Träume halten - wenn du nur wolltest, wenn dich dich nur sehntest.

Als ich die Welt anhalte, lächelst du verschmitzt und fliehst in die Wolken. Ich sehe dich und male aus meinen Gedanken tränenheiße Fragezeichen in den Himmel.
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Zugbegleitende Minderheiten

Die Bahn macht mobil. In Minderheiten.

Ich habe keine Ahnung, ob der allseits unbeliebte Bahnchef Mehdorn in einem deutschlandweiten Rundbrief an seine Personalabteilungen die Forderung nach zunehmender Integration von Minderheiten in das Zugbegleiterpersonal stellte oder ob ich nur das skurrile Glück hatte, bei den letzten Zugfahrten immer wieder von derartigen nach meinem Ticket befragt zu werden. Fest steht, daß ich eines Tages als ich schmökernd in dem S-Bahn-artigen Gefährt saß, welches stündlich zwischen Halle und Magdeburg hin und her pendelt, von einer wenig attraktiven Frau nach meiner Fahrkarte gefragt wurde. Ich habe ihr Gesicht nicht länger in Erinnerung, doch erinnere mich noch deutlich eines slawischen Akzents, der mich grübeln ließ, welcher nationalen Abstammung die Schaffnerin, Verzeihung: die Zugbegleiterin, wohl sein mochte. Allein die Tatsache der Integration einer urspünglich ausländischen Mitbürgerin in das Bahnpersonal fand ich lobenswert und verschaffte der sonst selten mit Positivaspekten belegten Deutschen Bahn einen kleinen Pluspunkt auf meiner inexistenten Bewertungsskala.

Allerdings maß ich der Sache nicht derart große Bedeutung bei, daß sie mir in allen Einzelheiten im Gedächnis blieb. Jedoch begab es sich, daß mir auf der Rückreise in der gleichen Regionalbahn erneut die Frage nach meiner Fahrkarte gestellt wurde. Diesmal handelte es sich bei dem Kontrolleur um einen jungen Mann von geringer Körpergröße und schmaler Statur. Sein Schnauzer wirkte ein wenig albern und erweckte den Eindruck, zu einem Türken zu gehören. Der Eindruck täuschte nicht, war doch sein Akzent eindeutig türkisch gefärbt. Ich gebe zu, daß die Färbung auch arabisch gewesen sein konnte, daß der kontrollierende Zugbegleiter womöglich nicht aus der Türkei, sondern aus dem Iran oder dergleichen stammte, doch steht fest, daß Deutschland vermutlich nicht als seine ursprüngliche Heimat zu bezeichnen war.

Wieder vergaß ich diese Begebenheit und sollte ich mich erst wieder an sie erinnern, als ich mich vor wenigen Tagen in der Regionalbahn von Halle nach Magdeburg befand. Es war Samstag Abend, der Zug war verhältnismäßig leer, ich hatte meine Ruhe. Letzteres ist in den seltensten Fällen gegeben, weswegen ich bei nahezu jeder Zugfahrt die Möglichkeit des Erwerbs eines tragbaren Musikabspielgerätes zum Ohrenverstopfen erwäge. An einer der unzähligen Dorfhaltestellen steigen zwei Rentner zu, plazierten sich direkt hinter mir und begannen ausfürlich über ihren Sohn zu diskutieren, dem sie gerade einen Besuch abgestattet hatten. Ich versuchte, mich in die Bedienungsanleitung meines Photoapparates zu vertiefen, doch versagte. Die beiden, in wasserabweisendes Wanderoutfit gekleidet und mit scheinbar unabnehmbarer Woll- bzw Schirmmütze bestückt, wurden in ihrer dorfdialektisch eingefärbten Nonsens-Unterhaltung, in der sie ständig einander zu bekräftigen versuchten und immer neue Worte fanden, um bereits Gesagtes anders zu umschreiben, erst unterbrochen, als der Zugbegleiter in das Abteil hereinspazierte.

"Hereinspazierte" trifft es vielleicht nicht ganz, war es doch mehr ein elegantes Tänzeln, das man bei maskulinen Wesen eher selten sieht. Sowohl diese Gangart als auch seine Frisur, sein gut ausrasierter Bart und der Ring im rechten Ohr bewirkten bei mir eine Spontanassoziation zu dem Wort "schwul". Und wie es aussah, war mein erster Eindruck ein richtiger, wurde er doch durch Gestik, Stimme und Sprache des Zugbegleiters verstärkt.

Das Rentnerpaar besaß eine eindeutig falsche Fahrkarte, aber nicht die Fähigkeit zur Einsicht, was zu einer Endlosdiskussion zu führen schien. Immer wieder verwies der kontrollierende Bahnmitarbeiter darauf, was deutlich auf dem Ticket zu lesen war, vermochte aber keine weiteren Argumente für die Eindeutigkeit seiner Aussage zu finden. Er blieb ruhig, ging höflich auf die beiden Älteren ein, neigte aber zu einem Anflug von Verzweiflung, als er der Uneinsichtigkeit der Rentner gewahr wurde. Diese nämlich diskutierten wild durcheinander, nicht vergessend, sich völlig ihrem unappetitlichen Dialekt hinzugeben, auf die Bahn, ihre Preise und die bösen, bösen Automaten zu schimpfen, die doch gefälligst alles ausführlich zu erklären hätten.

Selbst als der offensichtlich homosexuelle Zugbegleiter sich mir zuwandte und die beiden Nahezu-Schwarzfahrer mit ihrem flaschen Ticket allein ließ, ohne ihren Fehler zu ahnden, schimpften sie weiter, diskutierten, behaupteten, die richtige Fahrkarte zu besitzen.

Seiner Verzweiflung nachgebend zeigte er nun auch mir das Ticket, wollte darin bestätigt werden, was auf dem unrichtigen Ticket eindeutig zu lesen war. Lächelnd gab ich ihm recht, zeigte meine eigene, gültige Fahrkarte und war sogar so großzügig, meine Bahncard unaufgefordert vorzuweisen. Die Alten gaben keine Ruhe, doch diskutierten mittlerweile eher mit sich selbst als mit dem Zugbegleiter. Dieser hatte seine Ruhe noch immer nicht verloren, beendete seinen freundlichen Kontrollblick auf mein Ticket und verschwand aus dem Abteil.

Ich hörte mir die Diskussion der beiden Zurückbleibenden noch eine Weile an, versuchte, einen guten Rat einzubringen, der aber abprallte und darin mündete, daß die bereits tausendfach aufgeführten Unschuldsbetuerungen noch einmal von vorn begannen. Ich seufzte leise und vertiefte mich erneut in meine Bedienungsanleitung.

Als die Rentner wenige Bahnhöfe später ausstiegen und die ersehnte Ruhe in mein Abteil zurückkehrte, stellte ich resümierend fest, daß ich nicht nur die zunehmende Integration in Deutschland lebender Minderheiten in das Zugbegleiterpersonal der Deutschen Bahn guthieß, sondern wohl in meinem gesamtem Bahnfahrerdasein noch keine derart freundlichen Zugbegleiter erlebte.

Deswegen fordere ich an dieser Stelle lautstark:

Mehr schwule Schaffner für deutsche Bahnen!
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free erdem (Gast) - 6. Jun, 16:40
Hier wird es fortan weitergehen: http://morast .eu Und...
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morast - 1. Feb, 21:10

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