Die Elster
Das war sie wieder, schwarz und weiß, auf dem frisch gemähten Innenstadtrasen: die Elster. Fast war ich geneigt, sie als meine Elster zu bezeichnen, begegnete ich ihr doch fast täglich. Nicht immer hier, doch im Umkreis von etwa Hundert Metern um den Schotterparkplatz herum war die Wahrscheinlichkeit groß, sie anzutreffen. Oft stand sie nur auf dem Rasen, hüpfte ein paar Zentimeter weit, um anschließend innezuhalten, abzuwarten und wieder ein wenig zu hüpfen. Wenn ich ihr zu nahe kam, flog sie fort, meistens auf ihren Lieblingsahorn, und beschaute mich aus sicherer Entfernung.
Dass sie es war, die ich sah, war eindeutig: Keine andere Elster wirkte derart kräftig, nicht aufgeplustert oder fett, sondern fast schon muskulös – insoweit man das von Vögeln sagen darf. Und trotz ihrer für eine Elster beeindruckenden Statur erweckte sie den Eindruck angenehmer Freundlichkeit, fast so, als könnte man hingehen und sie streicheln.
Man konnte nicht. Mehrmals schon hatte ich versucht, ihr seidig glänzendes Gefieder zu berühren, doch jedesmal hatte sie sich mit wenigen, eleganten Bewegungen aus meiner Reichweite hinausbefördert. Und so verblieb mir nur die stille Bewunderung, die Freude darüber, dass ihr ich fast täglich begegnete und ihre monochrome Schönheit bestaunen durfte.
Ich hatte es eilig, doch nahm mir die Zeit, um nach ihr Ausschau zu halten. Und da war sie, stand auf dem Rasen und schaute mich an. Ich konnte mich nicht erinnern, dass sie mir jemals einen derart intensiven Blick geschenkt hatte, und für einen Moment war ich versucht, an eine Art Verbindung zwischen uns beiden, zwischen Mensch und Tier, zu glauben. Wer wusste schon, wie intelligent Vögel wirklich waren?
Sie hüpfte auf mich zu. Ich liebte es, wenn sie hüpfte, denn diese Bewegung verlieh ihrer anmutigen Gestalt einen kindlichen Charme und ließ in mir erneut den Wunsch wachsen, sie einfach mal streicheln zu dürfen. Sie hüpfte erneut, und ich blieb stehen. Ich wollte sie nicht erschrecken, und zugleich hoffte ich, dass sie noch ein wenig näher kommen würde. Und wieder hüpfte sie. Ich jubilierte innerlich, steckte langsam meine Hand in die Jackentasche. Vielleicht hatte ich ja ein paar Brotkrumen für sie. Oder ein paar Körner. Oder irgendetwas anderes. Vielleicht etwas Glänzendes. Elstern liebten doch angeblich alles, was glänzte. Vielleicht besaß ich ja ein Kaugummipapier, das ich ihr zum Geschenk machen konnte.
Die Elster legte den Kopf schief. Sie beobachtet mich, dachte ich erfreut und kramte weiter. Ich fand nichts. Nicht in dieser Tasche. Vielleicht in der anderen...
Ich ließ meine Blicke schweifen. Wo befand sich eigentlich das Nest der Elster? Etwa in ihrem Lieblingsahorn? Nein, da hatte ich schon gesucht. Aber irgendwo hier in der Nähe musste es doch sein. Irgendwo musste sie doch all ihre glänzenden Schätze horten.
Ich erinnerte mich an ein Kinderbuch, in welchem in einer Baumhöhle zahlreiche glitzernde Elsternschätze entdeckt wurden, und dachte kurz daran, was sich wohl im Versteck meiner Elster befinden würde. Vielleicht güldene Ketten und diamantverzierte Ringe? Vielleicht Münzen in Hülle und Fülle... Ich brauchte ja eigentlich nur ein glänzendes Kaugummipapier zu finden, es der Elster zu schenken und dann zu beobachten, wohin sie flog. Wer weiß, was für Kostbarkeiten mich erwarteten?
Die Elster war inzwischen nähergekommen. Meine Hand durchwühlte noch immer die zweite Jackentasche, doch fand nichts. Ein Schlüssel, klar, doch den brauchte ich noch. Und selbst die Einkaufwagen-Euro-Münze, die ich stets in meiner Jacke aufbewahrte, wäre ein zu großes Opfer gewesen. Ich zuckte mit den Schultern.
"Tut mir leid, liebe Elster, ...", fing ich an, doch weiter kam ich nicht. Die Elster hatte ihre Schwingen ausgebreitet und flog direkt auf mich zu. Ich duckte mich reflexartig, doch ihr Schnabel bohrte sich in meinen Jackenkragen. "Was...?!", setzte ich an, doch da befand ich mich schon in der Luft. Der Boden entfernte sich, und die Elster trug mich mühelos immer weiter in die Höhe. Nur wenige Augenblicke später sank sie wieder herab, hielt direkt auf eine Gruppe alter, dicht belaubter Bäume zu.
'Silberfarbene Jacken sind unpraktisch.", dachte ich noch, bevor mich das Dunkel eines Baumlochs verschluckte.
Dass sie es war, die ich sah, war eindeutig: Keine andere Elster wirkte derart kräftig, nicht aufgeplustert oder fett, sondern fast schon muskulös – insoweit man das von Vögeln sagen darf. Und trotz ihrer für eine Elster beeindruckenden Statur erweckte sie den Eindruck angenehmer Freundlichkeit, fast so, als könnte man hingehen und sie streicheln.
Man konnte nicht. Mehrmals schon hatte ich versucht, ihr seidig glänzendes Gefieder zu berühren, doch jedesmal hatte sie sich mit wenigen, eleganten Bewegungen aus meiner Reichweite hinausbefördert. Und so verblieb mir nur die stille Bewunderung, die Freude darüber, dass ihr ich fast täglich begegnete und ihre monochrome Schönheit bestaunen durfte.
Ich hatte es eilig, doch nahm mir die Zeit, um nach ihr Ausschau zu halten. Und da war sie, stand auf dem Rasen und schaute mich an. Ich konnte mich nicht erinnern, dass sie mir jemals einen derart intensiven Blick geschenkt hatte, und für einen Moment war ich versucht, an eine Art Verbindung zwischen uns beiden, zwischen Mensch und Tier, zu glauben. Wer wusste schon, wie intelligent Vögel wirklich waren?
Sie hüpfte auf mich zu. Ich liebte es, wenn sie hüpfte, denn diese Bewegung verlieh ihrer anmutigen Gestalt einen kindlichen Charme und ließ in mir erneut den Wunsch wachsen, sie einfach mal streicheln zu dürfen. Sie hüpfte erneut, und ich blieb stehen. Ich wollte sie nicht erschrecken, und zugleich hoffte ich, dass sie noch ein wenig näher kommen würde. Und wieder hüpfte sie. Ich jubilierte innerlich, steckte langsam meine Hand in die Jackentasche. Vielleicht hatte ich ja ein paar Brotkrumen für sie. Oder ein paar Körner. Oder irgendetwas anderes. Vielleicht etwas Glänzendes. Elstern liebten doch angeblich alles, was glänzte. Vielleicht besaß ich ja ein Kaugummipapier, das ich ihr zum Geschenk machen konnte.
Die Elster legte den Kopf schief. Sie beobachtet mich, dachte ich erfreut und kramte weiter. Ich fand nichts. Nicht in dieser Tasche. Vielleicht in der anderen...
Ich ließ meine Blicke schweifen. Wo befand sich eigentlich das Nest der Elster? Etwa in ihrem Lieblingsahorn? Nein, da hatte ich schon gesucht. Aber irgendwo hier in der Nähe musste es doch sein. Irgendwo musste sie doch all ihre glänzenden Schätze horten.
Ich erinnerte mich an ein Kinderbuch, in welchem in einer Baumhöhle zahlreiche glitzernde Elsternschätze entdeckt wurden, und dachte kurz daran, was sich wohl im Versteck meiner Elster befinden würde. Vielleicht güldene Ketten und diamantverzierte Ringe? Vielleicht Münzen in Hülle und Fülle... Ich brauchte ja eigentlich nur ein glänzendes Kaugummipapier zu finden, es der Elster zu schenken und dann zu beobachten, wohin sie flog. Wer weiß, was für Kostbarkeiten mich erwarteten?
Die Elster war inzwischen nähergekommen. Meine Hand durchwühlte noch immer die zweite Jackentasche, doch fand nichts. Ein Schlüssel, klar, doch den brauchte ich noch. Und selbst die Einkaufwagen-Euro-Münze, die ich stets in meiner Jacke aufbewahrte, wäre ein zu großes Opfer gewesen. Ich zuckte mit den Schultern.
"Tut mir leid, liebe Elster, ...", fing ich an, doch weiter kam ich nicht. Die Elster hatte ihre Schwingen ausgebreitet und flog direkt auf mich zu. Ich duckte mich reflexartig, doch ihr Schnabel bohrte sich in meinen Jackenkragen. "Was...?!", setzte ich an, doch da befand ich mich schon in der Luft. Der Boden entfernte sich, und die Elster trug mich mühelos immer weiter in die Höhe. Nur wenige Augenblicke später sank sie wieder herab, hielt direkt auf eine Gruppe alter, dicht belaubter Bäume zu.
'Silberfarbene Jacken sind unpraktisch.", dachte ich noch, bevor mich das Dunkel eines Baumlochs verschluckte.
morast - 6. Mai, 16:56 - Rubrik: Wortwelten
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