Warum 30 Reinhörsekunden zu wenig sind
Natürlich heißen Plattenläden nicht Plattenläden und bieten zudem ein reiches Spektrum an Technischem und Tonträgerischem an. Und natürlich kaufe ich keine Schallplatten, besitze sogar nur eine einzige Platte, die ich noch nicht einmal in einem Laden erwarb. Und dennoch: Ich liebe Plattenläden. Bin ich eigentlich aufgebrochen, um beispielsweise eine neue Hose zu erwerben, so endet ein Einkauf nicht selten mit dem aktuellen Album einer von mir favorisierten Musikgruppe in meinem Rucksack und einem Gesicht, das innige Begeisterung verheißt.
Im Jahre 2001 besuchte ich Karstadt, und obgleich es meiner Begleiterin C überhaupt nicht passte, dass ich, den Tontäger einer mir unbekannten Musikgruppe hochhaltend, zum Anhörpunkt strebte, ließ sie mich gewähren. Die CD wurde ihrer Folie beraubt und eingelegt. Gitarrenklänge. Langsam versank ich in dem ruhigen, fast monotonen Solo, das mich mit hintergründigem Regenrauschen allmählich in süßtrübe Gefilde zog. Nach über zwei Minuten klaren Gitarrenklimperns schwankte die Simmung. Kein Geklimper mehr, sondern hartes Gitarrenprasseln. Gesang setzte ein, angenehm ruhig, im Kontrast zur Härte des Klangteppichs. Was war das nur für eine Band?, dachte ich begeisert? Wieso hatte ich nie zuvor von ihr gehört?
Nach der vierten Minute erfolgte erneut ein Wechsel, unerwartet plötzlich. Der Gesang wurde zum tiefstimmigen Gegrunze, zu heftig für mich, der eben noch verträumter Quasimelancholie hinterhergeschwelgt war. Gegrunze, Gekreische. C schaute bereits ungeduldig. Ich brach ab, vergaß Band und Musikstück, vergaß, dass ich anfangs in totaler Begeisterung geschwebt hatte, und ging.
Wochen später entdeckte ich im Saturn dieselbe CD. Diesmal war ich allein, besaß alle Zeit der Welt. Und plötzlich tauchte auch die Erinnerung wieder auf: Leichtes Gitarrenspiel mit Regenschauern. Allmählich härter werdend. Gesang. Und dann. Gegrunze.
Als Freund metallischer Klänge war mir Grunzgesang eigentlich nichts Neues, und längst hatte ich Gefallen gefunden an dieser Art der Vokalisierung. Plötzlich konnte ich nicht mehr verstehen, warum mich dieser eine Song so überrascht, der Kontrast zwischen Gesang und Gebrüll mich so überlastet hatte. Ein zweiter Reinhörversuch konnte nicht schaden.
Wieder der Regen, wieder die Gitarre. Ich tauchte ab, und Gänsehaut formte sich auf meinem Rücken. Die Gitarrenhärte wuchs. Da! Gegrunze! Neugierig folgte ich dem Sänger auf seinen Wortpfaden, las den schwermütig-wilden Text, begann, im Rhythmus der Gitarren mit dem Schädel zu nicken. Warum nur hatte ich damals abgebrochen? Das war genial!
Mehr als neun Minuten lang umhüllten mich Klang und Wut, Trauer und Schönheit. Ich grinste. Mehr ließ meine Begeisterung nicht zu.
Als der zweite Song anbrach, atmete ich kurz auf. Ich war zurückgekehrt, befand mich auf den altbekannten Pfaden des Reinhörens. Und wusste längst, dass ich dieses Album kaufen würde.
Zehn Minuten später hatte ich den Laden verlassen, zufrieden lächelnd, mit "The Dreadful Hours" in meinem Rucksack und dem Wissen, in My Dying Bride eine baldige Lieblingsband entdeckt zu haben. Eine Hose kaufte ich auch an jenem Tag nicht.
Im Jahre 2001 besuchte ich Karstadt, und obgleich es meiner Begleiterin C überhaupt nicht passte, dass ich, den Tontäger einer mir unbekannten Musikgruppe hochhaltend, zum Anhörpunkt strebte, ließ sie mich gewähren. Die CD wurde ihrer Folie beraubt und eingelegt. Gitarrenklänge. Langsam versank ich in dem ruhigen, fast monotonen Solo, das mich mit hintergründigem Regenrauschen allmählich in süßtrübe Gefilde zog. Nach über zwei Minuten klaren Gitarrenklimperns schwankte die Simmung. Kein Geklimper mehr, sondern hartes Gitarrenprasseln. Gesang setzte ein, angenehm ruhig, im Kontrast zur Härte des Klangteppichs. Was war das nur für eine Band?, dachte ich begeisert? Wieso hatte ich nie zuvor von ihr gehört?
Nach der vierten Minute erfolgte erneut ein Wechsel, unerwartet plötzlich. Der Gesang wurde zum tiefstimmigen Gegrunze, zu heftig für mich, der eben noch verträumter Quasimelancholie hinterhergeschwelgt war. Gegrunze, Gekreische. C schaute bereits ungeduldig. Ich brach ab, vergaß Band und Musikstück, vergaß, dass ich anfangs in totaler Begeisterung geschwebt hatte, und ging.
Wochen später entdeckte ich im Saturn dieselbe CD. Diesmal war ich allein, besaß alle Zeit der Welt. Und plötzlich tauchte auch die Erinnerung wieder auf: Leichtes Gitarrenspiel mit Regenschauern. Allmählich härter werdend. Gesang. Und dann. Gegrunze.
Als Freund metallischer Klänge war mir Grunzgesang eigentlich nichts Neues, und längst hatte ich Gefallen gefunden an dieser Art der Vokalisierung. Plötzlich konnte ich nicht mehr verstehen, warum mich dieser eine Song so überrascht, der Kontrast zwischen Gesang und Gebrüll mich so überlastet hatte. Ein zweiter Reinhörversuch konnte nicht schaden.
Wieder der Regen, wieder die Gitarre. Ich tauchte ab, und Gänsehaut formte sich auf meinem Rücken. Die Gitarrenhärte wuchs. Da! Gegrunze! Neugierig folgte ich dem Sänger auf seinen Wortpfaden, las den schwermütig-wilden Text, begann, im Rhythmus der Gitarren mit dem Schädel zu nicken. Warum nur hatte ich damals abgebrochen? Das war genial!
Mehr als neun Minuten lang umhüllten mich Klang und Wut, Trauer und Schönheit. Ich grinste. Mehr ließ meine Begeisterung nicht zu.
Als der zweite Song anbrach, atmete ich kurz auf. Ich war zurückgekehrt, befand mich auf den altbekannten Pfaden des Reinhörens. Und wusste längst, dass ich dieses Album kaufen würde.
Zehn Minuten später hatte ich den Laden verlassen, zufrieden lächelnd, mit "The Dreadful Hours" in meinem Rucksack und dem Wissen, in My Dying Bride eine baldige Lieblingsband entdeckt zu haben. Eine Hose kaufte ich auch an jenem Tag nicht.
morast - 25. Sep, 10:57 - Rubrik: Wortwelten
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