Kartoffelpantoffeln
"Hüte dich vor seinem Handschlag.", flüsterte ich Peter zu. Herr Arthur näherte sich, wie immer in seinen braunen Plüschpantoffeln, die eher an schrumpelnde Kartoffeln als an Hausschuhe erinnerten. Kartoffelpantoffeln, nannte ich sie insgeheim, wenn sich Herr Arthur in ihnen zum Supermarkt schlich, wie immer in einer Geschwindigkeit, die höchstens stillstehende Schnecken für beeindruckend hielten.
"Wieso?", flüsterte Peter mir zu. Wenn man einmal angefangen hatte zu flüstern, gab es kein Zurück mehr, und da spielte es keine Rolle, ob Herr Arthur noch zwanzig Meter entfernt war und zudem schlechte - oder vielleicht einfach nur verstopfte - Ohren hatte.
"Sind seine Hände dreckig? Hat er Warzen?", fragte Peter angewidert.
"Nein, nein.", beruhigte ich ihn. Tatsächlich hatte Herr Arthur keine Warzen - zumindest soweit man das beurteilen konnte,. Er hatte überall Haare, oft Speisereste im Gesicht oder auf den Kleidungsstücken hängen, die er stets viel zu lange zu tragen schien, er hustete häufig feucht, und seine Zähne waren nur noch gelbschwarze Stummel - doch seine Hände waren sauber. Immer.
Und was für Hände es waren! Keine faltigen, mit Altersflecken bedeckten Zitterhände, nein Pranken, riesige, kräftige Biester, die zupacken konnten, wenn sie nur wollten, die vor Energie zu bersten schienen. Überhaupt war Herr Arthur ein Riese, ein Hüne fast, der mit seinen Schaufelbaggerhänden sicherlich ganze Baumstämme zerbrechen konnte. Wäre sein Bart etwas gepflegter, sein Gang etwas aufrechter, seine Schuhe keine Kartoffelpantoffeln, dann wäre Herr Arthur trotz seines Alters eine wahrlich beeindruckende Erscheinung gewesen.
Vielleicht, überlegte ich nicht zum ersten Mal, war Herr Arthur tatsächlich ein König, DER König, König Arthur, auch Artus genannt, jener, dessen Tafelrunde, dessen Zauberer Merlin, dessen heldenhafte Ritter Geschichten, Märchen und Legenden formten. Vielleicht hatte es Arthur wirklich gegeben, und vielleicht gab es ihn immer noch, ihn, den weisen, tapferen König, der die Macht hatte, gewöhnliche Knappen zum Ritter zu schlagen, zu echten Rittern, die ihm treu ergeben beiseite standen und bereit waren, ihr Leben für den größten aller Könige zu lassen. Vielleicht war König Arthur unser Nachbar.
"Hüte dich einfach vor seinem Handschlag.", flüsterte ich noch rasch zu Peter, dann hatten wir Herrn Arthur erreicht. Selbst im gebeugten Gang überragte er mich noch um anderthalb Köpfe, und mich ließ die Vorstellung nicht los, dass vor mir tatsächlich der wahre König Arthur in Kartoffelpantoffeln zum Supermarkt schlich.
"Hallo Herr Arthur!", begrüßte ich ihn freundlich, denn obwohl er sonderbar war, gab es keinen Grund, ihn nicht zu mögen. "Hallo Junge.", grüßte er mich, und seine Stimme waren Reibeisen in meinen Gehörgängen. "Wer ist dein Freund?" Er nickte Peter zu.
"Das ist Peter. Er wohnt jetzt in der Langenhauserstraße.", sagte ich.
"Hallo Peter.", lächelte Herr Arthur und entblößte seine unschönen Zahnreste. "Willkommen in der Nachbarschaft." Herr Arthur reichte Peter seine Hand. Ich schaute Peter warnend an.
Wenn Herr Arthur wirklich König Arthur war, und wenn der Ritterschlag einen normalen Menschen zum Ritter machen konnte - wozu war dann ein Handschlag imstande?
Peter ignorierte mich, murmelte schüchtern "Hallo." und schlug in die dargebotene Hand ein.
Entsetzt schloss ich die Augen und hielt die Luft an. Eine Minute vielleicht. Oder zwei. Ich konnte nicht hinsehen.
Dann ging mir der Atem aus und hechelnd stieß ich die verbrauchte Luft aus meinen Lungen. In zehn Metern Entfernung schlich Herr Arthur in Richtung des Supermarktes, und seine Kartoffelpantoffeln rieben sich geräuschvoll am Asphalt.
Peter war verschwunden. Einfach so.
Oder doch nicht.
Etwas zog an meinem Hosenbein. Ich blickte nach unten. Keuchte geschockt. Wandte den Blick ab. Schaute wieder hin. Schüttelte den Kopf.
Wer mit einem Ritterschlag Menschen zu Rittern macht, sollte keine Handschläge geben, dachte ich und starrte auf die Hand auf meinem Schuh, die tatsächlich stark an Peter erinnerte. "Ich hatte dich gewarnt.", sagte ich und die Hand, die Peter war, nickte traurig mit dem Zeigefinger.
"Wieso?", flüsterte Peter mir zu. Wenn man einmal angefangen hatte zu flüstern, gab es kein Zurück mehr, und da spielte es keine Rolle, ob Herr Arthur noch zwanzig Meter entfernt war und zudem schlechte - oder vielleicht einfach nur verstopfte - Ohren hatte.
"Sind seine Hände dreckig? Hat er Warzen?", fragte Peter angewidert.
"Nein, nein.", beruhigte ich ihn. Tatsächlich hatte Herr Arthur keine Warzen - zumindest soweit man das beurteilen konnte,. Er hatte überall Haare, oft Speisereste im Gesicht oder auf den Kleidungsstücken hängen, die er stets viel zu lange zu tragen schien, er hustete häufig feucht, und seine Zähne waren nur noch gelbschwarze Stummel - doch seine Hände waren sauber. Immer.
Und was für Hände es waren! Keine faltigen, mit Altersflecken bedeckten Zitterhände, nein Pranken, riesige, kräftige Biester, die zupacken konnten, wenn sie nur wollten, die vor Energie zu bersten schienen. Überhaupt war Herr Arthur ein Riese, ein Hüne fast, der mit seinen Schaufelbaggerhänden sicherlich ganze Baumstämme zerbrechen konnte. Wäre sein Bart etwas gepflegter, sein Gang etwas aufrechter, seine Schuhe keine Kartoffelpantoffeln, dann wäre Herr Arthur trotz seines Alters eine wahrlich beeindruckende Erscheinung gewesen.
Vielleicht, überlegte ich nicht zum ersten Mal, war Herr Arthur tatsächlich ein König, DER König, König Arthur, auch Artus genannt, jener, dessen Tafelrunde, dessen Zauberer Merlin, dessen heldenhafte Ritter Geschichten, Märchen und Legenden formten. Vielleicht hatte es Arthur wirklich gegeben, und vielleicht gab es ihn immer noch, ihn, den weisen, tapferen König, der die Macht hatte, gewöhnliche Knappen zum Ritter zu schlagen, zu echten Rittern, die ihm treu ergeben beiseite standen und bereit waren, ihr Leben für den größten aller Könige zu lassen. Vielleicht war König Arthur unser Nachbar.
"Hüte dich einfach vor seinem Handschlag.", flüsterte ich noch rasch zu Peter, dann hatten wir Herrn Arthur erreicht. Selbst im gebeugten Gang überragte er mich noch um anderthalb Köpfe, und mich ließ die Vorstellung nicht los, dass vor mir tatsächlich der wahre König Arthur in Kartoffelpantoffeln zum Supermarkt schlich.
"Hallo Herr Arthur!", begrüßte ich ihn freundlich, denn obwohl er sonderbar war, gab es keinen Grund, ihn nicht zu mögen. "Hallo Junge.", grüßte er mich, und seine Stimme waren Reibeisen in meinen Gehörgängen. "Wer ist dein Freund?" Er nickte Peter zu.
"Das ist Peter. Er wohnt jetzt in der Langenhauserstraße.", sagte ich.
"Hallo Peter.", lächelte Herr Arthur und entblößte seine unschönen Zahnreste. "Willkommen in der Nachbarschaft." Herr Arthur reichte Peter seine Hand. Ich schaute Peter warnend an.
Wenn Herr Arthur wirklich König Arthur war, und wenn der Ritterschlag einen normalen Menschen zum Ritter machen konnte - wozu war dann ein Handschlag imstande?
Peter ignorierte mich, murmelte schüchtern "Hallo." und schlug in die dargebotene Hand ein.
Entsetzt schloss ich die Augen und hielt die Luft an. Eine Minute vielleicht. Oder zwei. Ich konnte nicht hinsehen.
Dann ging mir der Atem aus und hechelnd stieß ich die verbrauchte Luft aus meinen Lungen. In zehn Metern Entfernung schlich Herr Arthur in Richtung des Supermarktes, und seine Kartoffelpantoffeln rieben sich geräuschvoll am Asphalt.
Peter war verschwunden. Einfach so.
Oder doch nicht.
Etwas zog an meinem Hosenbein. Ich blickte nach unten. Keuchte geschockt. Wandte den Blick ab. Schaute wieder hin. Schüttelte den Kopf.
Wer mit einem Ritterschlag Menschen zu Rittern macht, sollte keine Handschläge geben, dachte ich und starrte auf die Hand auf meinem Schuh, die tatsächlich stark an Peter erinnerte. "Ich hatte dich gewarnt.", sagte ich und die Hand, die Peter war, nickte traurig mit dem Zeigefinger.
morast - 27. Sep, 19:18 - Rubrik: Wortwelten
1 Kommentar - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks