Fremden Kindern gegenüber bin ich vorsichtig. Es sind ja nicht meine, und falls sie sich in meiner Gegenwart auch ungut verhalten sollten, werde ich - außer in Extremfällen - nicht derjenige sein, der mit Disziplinarmaßnahmen droht, um sie und ihr Verhalten in die richtigen Bahnen zu lenken.
Als ich unlängst mit der Straßenbahn fuhr, setzte ich mich in die vorletzte Reihe. Mir gegenüber hatten sich zwei Damen platziert, eine etwa Vierzigjährige und eine, die sich am Ende der Zwanziger befand und vermutlich zu den Studierenden zu zählen war. Hinter mir ließen sich zwei Jungen nieder, vielleicht elf, zwölf Jahre alt [Ich war noch nie ein Meister darin, das Alter von Personen zu schätzen.]. Sie blätterten in Zeitschriften, in Autozeitschriften, soweit ich das während eines flüchtig nach hinten schweifenden Blickes erkennen konnte. Ich las in einem angenehm-spannenden Buch, doch gelang es mir nur schwer, mich zu konzentrieren -- die Kinder waren zu laut, und ihre mit "Alter" und "Ey" gespickte Sprache widerten mich an.
Die beiden Jungen versuchten mit jedem Wort, einander zu übertreffen. Fand der eine ein interessantes Zeitschriftenfahrzeug, das er mit begeisterten Attributen bestückte, so entdeckte der andere ein vermeintlich besseres, das dem Kindermund noch extremeres Vokabular zur Umschreibung und Faszinationsbekundung entlockte.
Der beleibtere der beiden hielt sich für besonders krass und zog alle zehn oder zwanzig Sekunden das Innere seines Riechorgans hoch. Das Ergebnis war ein rotziges, unangenehmes Geräusch, das nicht unbedingt dazu beitrug, mich meinem Lesevergnügen frönen zu lassen. Die Jungen diskutieren, protzten - und der Dicke zog immerfort Schleim die Nase hinauf, so intensiv, so begeistert, dass ich glaubte, ihm müsste bald der Schädel platzen vor angesammeltem Nasenunrat. Zumindest jedoch - darauf wartete ich voller Vorekel ["Vorfreude" war es bestimmt nicht ...] - würde er alsbald all das Hochgezogene in seiner Mundhöhle sammeln und es irgendwo spuckenderweise in die Straßenbahn schleudern. Doch er tat nichts dergleichen; er blätterte weiter in seiner Zeitschrift, redete Unsinn und schniefte, als gäbe es nichts Intelligenteres.
Ich senkte meinen Blick und las. Ich versuchte, mich an den Buchstaben, an den Wörtern, festzukrallen, doch es gelang nicht; der Sinn der Zeilen entwich immer wieder; ich konnte mich nicht konzentrieren. Behend griff ich in meine Rucksacktasche, wo ich eine Packung Zellstofftaschentücher vermutete, zog diese heraus und reichte sie - ohne auch nur ein Wort zu sagen - über meine Schulter nach hinten. Der dicke Junge sah mich an, schwieg kurz, dachte offensichtlich nach, wartete vielleicht auf einen Kommentar meinerseits, der jedoch nicht kam, betrachtete die Taschentücher in meiner Hand - und schüttelte dann den kopf. "Nein, danke.", meinte er, "Ich habe selber welche."
Ich sagte ihm nicht, dass ich ihm nicht glaubte, sagte ihm nicht, dass er sie doch benutzen könne, sagte ihm nicht, dass er und sein Getue mich störten, sondern zog meine Hand zurück und verstaute die Taschentuchpackung dort, wo ich sie hergeholt hatte. Die Studentin lächelte mir anerkennend zu, die andere Frau verzog keine Miene. Doch hinter mir kehrte Ruhe ein, keine absolute Ruhe, kein Schweigen, doch ein Gespräch, das sich normalisiert hatte - und frei war von widerlichem Nasenschleim.
Als ich gestern die Straßenbahn nutzte, stiegen plötzlich zwei Mädchen zu. Sie waren ungefähr dreizehn oder vierzehn [Wie erwähnt: Mit Altersschätzungen habe ich es nicht so.], und der blonderen von beiden rannen die Tränen literweise aus den Augen. Jemand hatte sie beleidigt, und ihre Freundin war keine große Hilfe, indem sie ihr riet, diese Beleidigung einfach wegzustecken. Denn offensichtlich war das "Wegstecken" nicht mit Einfachheit lösbar.
Ich las - mal wieder - und gab mir Mühe, den beiden, obgleich sie mir direkt gegenüber saßen und obgleich ich jeder einzelnen Träne hinterherschauen konnte, geringste Aufmerksamkeit zu widmen und sie in diesem intimen Augenblick absolut allein zu lassen [auch wenn sie von unzähligen Mitfahrenden umgeben waren]. Mein Buch fing meine Blicke, doch vor ihrem Gesprochenen schützte es mich nicht.
"Hast du mal n Taschentuch?", fragte die Tränenbedeckte irgendwann, und ihre Freundin gab einen Nein-Laut von sich. Wie von selbst glitt meine Hand in meine Rucksacktasche, und obgleich ich mir keineswegs sicher war, ob sich dort eine Packung befinden würde, fanden meine Finger plastikverpackte Papiertaschentücher, zogen sie heraus und reichten sie herüber. Kurz sah ich von meinem Buch auf und erhaschte das kleine Lächeln, das sich auf ihre Lippen stahl.
"Taschentücher", dachte ich beeindruckt, "sind nützlich."
morast - 27. Jul, 16:28 - Rubrik:
Bahnbegegnungen
Warum ist es eigentlich nötig, dass die Bauarbeiter, die sich mit der Renovierung eines Universtätsgebäudes auf dem Campus beschäftigen und - ebenso wie alle anderen umstehenden Gebäude - über mehrere verhältnismäßig gut gepflegte Toiletten verfügt, ein eigenes Dixi-Klo benutzen müssen [das zudem jeden Passanten mit unliebsamen Düften besudelt]?
Und warum waren die Schmierfinken, welche die Straßenbahnhaltestelle namens "Universität" mit dem Initialen ihres Lieblingsfussbaldvereins FC Magdeburg verzieren wollten, so dämlich, in blauen, vierzig Zentimeter großen Lettern zunächst "FCC" zu krakeln, bevor sie sich ihres Fehlers bewusst wurden und das letzte C in ein stümperhaftes M umwandelten?
Und warum gehören zu den Opfern von Magdeburger Großbaumaßnahmen stets die öffentlichen, mit langsam rotierender Werbung bestückten Uhren, die zunächst auf ein dauerhaftes 12 Uhr gestellt und schließlich ersatzlos entfernt werden, so dass Armbanduhrvermeider wie ich gezwungen sind, erst das Mobiltelefon aus den Tiefen ihres Gepäcks zu kramen, wenn sie gewillt sind, Genaueres über die Zeit zu erfahren?
Und warum hat bestand die Veränderung bei der Straßenbahngleisaustauschaktion in der Nähe des Magdeburger Alten Markts nicht nur in der Erneuerung der jahrezentealten Gleise und in der Deportation erwähnter Uhr, sondern auch in der Terminierung des zweiten Haltestellenhäuschen - und somit einer zusätzlicher Sitzmöglichkeit für Renter, Behinderte, Schwangere und Gernesitzer?
morast - 10. Jul, 11:35 - Rubrik:
Wortwelten
Erstaunlich, dass das Fernrohr mehr Auge ist als Ohr...
morast - 7. Jul, 10:33 - Rubrik:
Krimskrams
Das universitäre Rechenzentrum erwies sich längst als unendlicher Quell unnützer Menschbeobachtungen, nutzloser Erfahrungen im Umgang mit Menschen, denen man voraussichtlich – und zum Teil hoffentlich – niemals wieder begegnen wird. Doch ich bin hier, um zu arbeiten, um das zu schaffen, was ich auch zu Hause schaffen könnte – wenn ich es könnte. Denn darin liegt das Problem: Mein eigener Rechner ist schneller, die Internetanbindung nicht wesentlich langsamer, die Störfaktoren geringer an Zahl – und dennoch misslingt mir heimatliches Arbeiten immer wieder.
Da sind Zeichnungen, die ich anzufertigen gedenke, Dinge, die das weltweite Netz mir preiszugeben wünscht, nach denen ich „nur mal kurz“ suchen muss, Musikstücke und Videos, deren Konsum ausgerechnet auf jene Zeitfetzen fällt, die ich eigentlich sinnvoll zu befüllen dachte. Dort befinden sich Bücher, groß an Zahl und thematischer Vielfalt, Langeweilevernichter verschiedenster Art, unaufgeräumte Fußböden, ungewaschenes Geschirr, unreparierte Fahrräder, Menschen, mit denen sich ablenkenderweise unterhalten werden kann – und mein eigener Kopf, der Kopf, der sich immer wieder neue Varianten ausdenkt, um mich von dem zu entfernen, weswegen ich mich eigentlich an meinem Schreibtisch platzierte. Es bedarf nur eines Augenblicks des Nichtdenkens, des Sich-Nicht-Konzentrierens, und das All der Möglichkeiten stürzt auf mich ein. Langeweile ist mir fremd; immer gibt es zu tun, zu handeln – und dennoch weiß ich am Abend nicht mehr, womit ich den Tag befüllte.
Also schwinge ich mich auf mein Rad, setze mich in die Straßenbahn, fahre dorthin, wo Wissen produziert und ausgeliefert wird. Und weil sich Schwierigkeiten ergaben, die mich immer wieder zurückzuwerfen vermögen, Schwierigkeiten, denen zu trotzen ich nicht täglich die Kraft finde, werde ich mir selbst erst bewusst, als ich orientierungslos auf dem Campus stehe und nicht weiß, wohin mit meinem Drang, endlich der eigenen Faulheit, der ewigen Ablenkung zu entfliehen, wohin mit meinem Wunsch voranzukommen, endlich weiterzumachen, was viel zu lange unberührt in Dateien und schlechten Kopien auf mich wartete.
Die Universitätsbibliothek, voll gestopft mit Rechnern, wäre der optimale Ort des Lernens und Schöpfens, wäre der Platz, an den ich mich zurückziehen, an dem ich meine Ohren mit eigenem Lärm gegen den fremden versiegeln und endlich produktiv sein könnte – doch es funktioniert nicht. Das bibliothekseigene Betriebsystem weigert sich, über ein annehmbare Schreibprogramm oder Installierbarkeit eines solchen zu verfügen; zudem missfällt mir die auf jenes Betriebssystem zugeschnittene Tastatur mir den mir fremden Sonderfunktionen und vorprogrammierten Fehldrücken. Ich fühle mich unwohl, an jenen Rechnern zu sitzen, irgendwie grau, als wäre die Farbe der Monitore, die unansehnliche Bedienoberfläche auf mein Empfinden übergeschwappt.
Also auf!, sage ich mir, begebe mich ins URZ, ins Universitätsrechenzentrum, genauer: in eines der vier verfügbaren RTLs, Rechentechnische Labore. Ich ignoriere, dass mir die unglückliche Namenswahl des zweiten Labors, RTL II, missfällt [Überhaupt scheinen Namen nicht gerade die Stärke dieser Universität zu sein: Das Mensa-Café nennt sich „Latte“ – was nicht nur Vorpubertären ein Kichern oder eine Hand-an-Stirn-Bewegung entlocken dürfte.], begebe mich in einen der beiden öffentlichen Räume und begutachte die Warteschlange. Denn eine Warteschlange gibt es nahezu immer. Sind es weniger als vier Leute, die warten, bin ich bereit, mich einzureihen und all die fleißig Tippenden zu betrachten, wegen deren Aktivitäten mir ein sinnvolles Arbeiten vorerst verwehrt bleibt.
Säße ich an einem Rechner und wäre mit Unsinn beschäftigt, überlege ich, bekäme ich ein schlechtes Gewissen und würde versuchen, mein nutzloses Tun alsbald zu beenden und meinem Platz den Stehenden, die sich vermutlich mit Dringenderem beschäftigen werden, zur Verfügung zu stellen. Nicht so jene, die hier sitzen. Youtube grüßt und schenkt Kopfhörerbesitzern amüsierte Minuten voller Zeitvertreib. StudiVZ avanciert zur meistgenutzten Seite, inklusive stundenlanger Fremdprofilbesucherei und Partyfotobegutachtung. Ich stehe, betrachte Barbara Schöneberger und Guido Westerwelle, die kurze Statements zu etwas geben, das zu vernehmen ich nicht imstande bin, mich jedoch allein aufgrund dieser beiden Interviewten nicht länger interessiert. Automobilangebote werden ebenso durchblättert wie diverse myspace-Profile, die glücklicherweise zu weiteren verlinken. Überhaupt: Die Endlosigkeit des weltweiten Netzes lässt leicht vergessen, dass ich im Eingangsbereich stehe und warte, leitet Link für Link in weitere, unbekannte Welten, die womöglich hässlich und unspannend sind, doch alsbald in neue, das Interesse mehr fesselnde Seiten münden können. Ich warte und störe mich nicht an dem Treiben durch die Buntwelt Internet, wünsche mir nur die Möglichkeit, mein Buch aus dem Rucksack kramen und weiterlesen zu können. Doch ich darf nicht lesen, muss meine Blicke schweifen lassen über jene, die arbeiten oder nicht-arbeiten, über jene, die die Rechner belegen – und jeden Augenblick aufstehen und ihren Arbeitsplatz entleeren könnten. Ich muss wachsam sein, denn die nach mir Anstehenden warten auch, wachen auch, verzeihen keine Verzögerung, sind bereit, sich Freiwerdendes selbst unter den Nagel zu reißen oder zumindest meine Unaufmerksamkeit mit entsprechendem Hohn zu kommentieren.
Als ich fündig werde, seufze ich lautlos. Ohne mich meines Rucksacks oder meines Jacketts zu entledigen, melde ich mich an. Der Nutzername meines Vorgängers ist noch sichtbar, und ich versuche, daraus Rückschlüsse auf seinen Nachnamen zu ziehen, ein albernes Spiel, von dem ich hoffe, dass es niemals von meinem Nachfolger praktiziert werden wird. Mein Seufzen galt dem mir zugewiesenen Rechner, denn er ist einer von der langsameren Sorte, einer von denen, die mir bereits während des Anmeldeprozess genug Zeit lässt, mich unnötiger Kleidung und Taschen zu entledigen und benötigte Material zurechtzulegen. Die Startprozedur dauert an, und als ich den Browser in Betrieb nehme, seufze ich ein weiteres Mal, denn auch das dauert, müssen doch irgendwo aus dem universitären Serverwirrwarr meine persönlichen Browserprofildaten geladen werden, obgleich ich mich stetig darum bemühe, diesen Daten nicht allzu viel Inhalt zurückzulassen.
Ich arbeite mit Windows XP, was mich nicht stört, doch sorge als erste echte Tätigkeit dafür, dass die Schnellstartleiste innerhalb der Taskleiste angezeigt wird – ich werde nie begreifen, wie man auf das sehr hilfreiche „Desktop anzeigen“-Symbol verzichten kann. Die zweite Tätigkeit besteht darin, innerhalb des automatisch gestarteten ICQ-Programms eine Möglichkeit zu suchen, dieses aus dem Autostart zu vertreiben. Meiner Ansicht nach muss ein Chatprogramm – etwas, das vor ein paar Jahren auf den Rechenzentrumscomputern noch verboten gewesen war – die ohnehin langwierige Anmeldeprozedur nicht unnötig verzögern. Die dritte Tätigkeit umfasst den Versuch, meinen USB-Stick an den Tower zu klemmen - ein Versuch, der mit dauerhaftem Scheitern bestückt ist. Zuweilen habe ich Glück, und das System ist bereit, den Stick oder den integrierten Wechseldatenträger für wenige Sekunden zu erkennen; dann handle ich schnell, kopiere, was zu kopieren ist, und freue mich, wenn es sogar gelingt, Musikdateien zu übertragen. Doch meistens missglückt dieser Versuch, so dass ich mich ablenke, bevor ich nach einer Lösung zu suchen beginne.
Emails. Blogs. Kommentare. Nachrichten. Unnützes Zeug.
Dann entsinne ich mich, dass ich mir ein paar erforderliche Arbeitsdateien per Mail selbst zugesendet hatte. Begeistert lade ich herunter, was ich brauche und öffne das installierte Office-Programm. Und jedes Mal stellt sich die gleiche Frage: Benutzt hier niemand außer mir ein Schreibprogramm? Schließlich muss ich bei jedem Rechenzentrumsrechner, den ich nutze, die Vorinstallation erst vollenden, um meine Arbeit fortsetzen zu können – von einer Neuinstallation eines Musikabspielprogramms ganz zu schweigen. Vermutlich setze ich einfach die falschen Prioritäten.
Als ich, endlich, zu arbeiten beginne, tippt mich das Mädel zu meiner Rechten an. Ob ich ihr helfen könne. Sie wolle eine Mail an unzählige Adressen versenden, doch gmx liefere immer wieder eine Fehlermeldung. Ich weiß nicht, was an meinem Äußeren sie dazu bewog, mich um Rat zu bitten, doch ich finde den Fehler auf den ersten Blick. In der ersten Mailadresse fehlt ein Zeichen, und gmx ist nicht bereit, dies als ordentliche Mailadresse zu akzeptieren. Mein Rat, bei mehreren Empfängern das BCC–Feld zu benutzen, da sonst jeder Empfänger alle Adressen sehen könne, stößt auf taube Ohren. Doch immerhin ernte ich ein „Danke.“
Dann arbeite ich. Tatsächlich. Ich überrasche mich selber und arbeite. „Herumfleißigen“ nenne ich dergleichen normalerweise – das Fleißigsein ohne tatsächliches Ergebnis – aber immerhin.
Der neben mir Sitzende tippt mich an. Er hat gerade sein Vordiplomszeugnis eingescannt und wagt nicht, selber zu beurteilen, ob dieses tatsächlich gerade ist. Mein Urteilungsvermögen bei solchen Dingen ist trüb, doch weiß ich Rat. Im Bildbearbeitungsprogramm ziehe ich einen Rechteckrahmen um eine eingescannte Linie. Ich vergleiche Scan und Computergeneriertes – und stelle Parallelität fest. „Gerade.“, sage ich, schmunzle und arbeite weiter.
morast - 4. Jul, 15:33 - Rubrik:
Wortwelten
Während der gestrigen Autobahnfahrt beschäftigte mich vor allem eine Frage:
Werden Englischsprechende nicht davon irritiert, dass überall an den Autobahnrändern Schilder aufgestellt wurden, die einen "Nothalt" ankündigen - und somit für die Fremdsprachler eigentlich das Gegenteil dessen bedeuten, was sie bedeuten sollten?
Und: Würden Englischsprechende die Teilworte "Not" und "Halt" auseinanderhalten können oder zu einer mit einem netten Tie-Äitsch bestücken Einheit verschleifen?
morast - 29. Jun, 13:45 - Rubrik:
Krimskrams
Regen!, denke ich, doch es regnet nicht. Ich wünsche es mir, erhoffe, dass sich der Himmel erbricht, dass schweres, kaltes Nass auf mich niederstürzt, um mich zu betäuben, alle Sinne zu lähmen - und mich zugleich aufzuwecken, der Lethargie zu entreißen, diesem Nebel, der mich umgibt. Ich wünsche mir, dass es regnet, damit auch ich regnen, weinen darf, verborgen unter feuchten Fäden dem Druck auf meiner Brust nachgeben darf.
Ich hocke kraftlos auf dem Boden irgendeines Hauseingangs, kalt und hart grüßt die Wirklichkeit unter mir, lenkt mich ab, für einen Augenblick lang fort von mir selbst, ich ziehe meinen Rucksack herbei, schiebe ihn unter mich, suche den Gedanken, den ich vorhin verlor, finde ihn nicht wieder, nur eine wirre Masse aus Trübsal, der ich nicht nachgehen, die ich nicht hinterfragen möchte, aus Angst, Antworten zu finden, aus Angst, keine Antworten entdecken zu können.
Ich darf nicht weinen, flüstere ich tonlos, halte zurück, was sich freikämpft, was die Kehle verkloßt, was mich menschlich machen würde in den Augen derer, die wieder und wieder den Eingang betreten, mich mit verwunderten Mienen mustern, als gäbe es keinen Grund hier, auf dem kalten Boden zu sitzen und gegen den Nebel zu kämpfen, der grundlos das Gemüt verschlang.
Ich stehe auf, trete ins Freie und suche den Regen in grauen Wolken. Ich warte auf dich, denke ich, und betrete die Wirklichkeit.
morast - 29. Jun, 13:14 - Rubrik:
Geistgedanken
Ich suche einen Sitzplatz. Straßenbahnen sind wundervoll, denke ich, weil ich dort endlich mal wieder zum Lesen komme, und beginne meine Suche. Die Suche, besser: das Finden, ist wichtig, denn im Stehen zu lesen ist zwar machbar, aber nicht sinnvoll, weil so mit jeder beschleunigenden oder abbremsenden Bewegung der Bahn das eigene Standgleichgewicht in Frage gestellt wird.
Durch die Tür drängeln sich ein Kinderwagen samt dazugehöriger Mutti und ein Rollator samt kleinwüchsiger Nutzerin. Hey, bin ich versucht der Mutti zuzurufen, die ohne Umsicht allen verfügbaren Stellplatz für sich und ihr Kindesgefährt annektiert, hey, pass doch auf, nimm doch mal Rücksicht! Schließlich wird die kleinwüchsige Frau ihren Rollator nicht ohne Grund mit sich herumschleppen und sich genug ärgern, dass Magdeburg noch immer angefüllt ist mit alten DDR-Straßenbahnkolossen, für deren Benutzung drei steile Metallstufen zu überwinden sind. Nimm Rücksicht auf Benachteiligte, will ich rufen, doch halte inne, weil ich mich frage, wer mehr Recht auf den Stellplatz des eigenen Gefährts hat: Kleinkind oder Kleinwüchsige.
Die beiden arrangieren sich irgendwie, und die Mutti schafft es, dabei nicht ein einziges Mal zu der Rollatorfrau zu blicken, ich drängle mich vorbei und suche einen Sitzplatz. Schnell werde ich fündig und finde gleichzeitig ein verzweifeltes Knurren in meinem Hals, das ausgestoßen werden möchte. Ich schweige, doch strafe zwei Sitzende mit unfreundlichen Blicken. Denn nicht genug, dass die beiden älteren Herrschaften zu zweit einen Viererplatz blockieren, nein, sie mußten sich auch noch auf den Plätzen am Gang platzieren, um zugleich mit ihren Leibern den Weg zu den anderen beiden zu versperren.
Ich habe keine Lust darauf, mich durch diese Enge zu pressen, mich an ihren Leibern und Taschen vorbeizuquetschen, habe keine Lust zu fragen, ob ich denn mal dürfe, ob die beiden möglicherweise, habe keine Lust, neben einen der beiden zu sitzen und zu versuchen, mich schmal zu machen, mich zu verdünnen, damit die Sitzbank für uns beide reiche, ohne dass ich mit ungewollter Körpernähe konfrontiert werde.
Ich gehe weiter und finde einen letzten freien Platz. Ich sehe sofort, warum dieser Platz frei ist, denn neben ihm befindet sich ein Mann mit wildem Haarwuchs, sowohl auf dem Haupt als auch im Gesicht. Er ist einer von denen, denen man den Bier- und Schweißgestank förmlich ansieht.
Ich zucke mit dem Schultern, gehe auf ihn zu; das Lesen ist mir wichtiger, und an Gestank kann man sich gewöhnen. Er starrt mich an, ahnt, dass ich neben ihm Platz nehmen werde, und ich frage mich, ob er sich darüber freut oder nicht.
Und kaum sehe ich mehr von ihm, kaum erblicke ich mehr als sein verzotteltes Gesicht, begreife ich, dass ich mich irrte, freue mich darüber, mein Vorurteil widerlegt zu bekommen, erkenne saubere, gepflegte Kleidung und rieche nichts, gar nichts. Ich wühle in meinem Rucksack, setze mich, klappe das Buch auf, lese, bis irgendwer zu telefonieren beginnt, jemanden anruft und die ganze Bahn über die Planung seines Wochenendes informiert.
Ich will das nicht wissen, möchte ich rufen und frage mich, warum er ausgerechnet an einem dieser menschbefüllten Orte, wo Leiber dicht gepackt und komprimiert beeinanderstehen und -sitzen, wo jeder imstande ist, sein Gespräch zu verfolgen, warum er ausgerechnet hier, wo das Tuckern der Bahn sich zu den Gesprächen der Passagiere gesellt, sein Mobiltelefon zückte und zu reden begann, warum er nicht leiser reden kann, zumindest so leise, dass ich ihm nicht zuhören muss, dass ich verschont bleibe und lesen, in meinem Buch versinken, darf.
Als er der Bahn entsteigt, noch immer telefonierend, entbrennen belustigte Dialoge über Straßenbahntelefonierer, mein Sitznachbar drängelt sich an mir vorbei, flieht im letztmöglichen Augenblick aus der Bahn, und ich genieße die Freiheit, mich ausbreiten und endlich lesen zu können, finde die Stelle wieder, an der ich unlängst innehalten musste und setze nun die Lektüre fort, führe die Handlung weiter, und sei es auch nur für ein paar Minuten, bis zur nächsten Haltestelle, wenn ich mein Buch zusammenklappe, im Rucksack verstaue und aussteige.
morast - 27. Jun, 14:06 - Rubrik:
Bahnbegegnungen
Sicherlich, ich verstehe dich, begreife, dass du nur etwas Geld verdienen möchtest, um dein Studium zu finanzieren, um dein knappes BaföG aufzubessern, um in Zeiten allgemeiner Arbeitslosigkeit wenigstens irgendwie beschäftigt zu sein, um dir endlich ein neues Mobilfunkgerät, einen neuen iPod, leisten zu können, verstehe, dass dies für dich nur ein Job ist, irgendetwas, mit dem du dich eher unfreiwilligerweise beschäftigst, etwas, das du, wärest du in meiner Position, vermutlich als ebenso unschön erachten würdest wie ich es tue, doch es muss sein, selbst wenn es keinen Spaß macht, selbst wenn es niemandem Spaß macht, weder dir, noch deinen "Kunden", noch deinem Arbeitgeber, selbst wenn du heimkehrst, diesen Job verfluchst und jeden weiteren Morgen, an dem du wegen dieser Scheiße aufzustehen hast.
Es ist nur ein Job, sagst du dir, sagst du mir, der ich dich mit grimmigen Blicken bedecke, wenn du mich ansprichst, der wortlos mit dem Kopf schüttelt oder andere, oft unwahre, Ausflüchte ersinnt, um dich loszuwerden, es ist nur ein Job, und wenn du ihn nicht machen würdest, käme jemand anderes daher und würde ihn machen, ich solle doch verstehen, begreifen, dass dir keine andere Wahl bleibt, dass du nur etwas Geld verdienen willst, dass du mich nicht belästigen, anpöbeln, möchtest, dass dieses Ansprechen keine Strafe, keine Belastung, ist, sondern vielleicht sogar eine Chance, dass es ja sogar etwas zu gewinnen gibt und dass, selbst wenn mich der Gewinn nicht interessiere, ich von unzähligen Vorteilen profitieren würde, die du mir gerne, nur ganz kurz, mal aufzählen würdest, nur kurz erläutern, was ich sparen könnte, wie genial dieses Angebot ist, wenn ich nur kurz warten, innehalten, kurz zuhören würde, meinen Namen, meine Kontaktdaten, auf einem logobedruckten A5-Kärtchen hinterließe, damit ich später über meinen Gewinn benachrichtigt werden, alle Vorteile vollends genießen kann.
Ich weiß, es ist nur ein Job, und du würdest vermutlich lieber etwas anderes machen, hast aber keine Wahl gehabt, stehst nun hier, vor der Bibliothek, in der Fußgängerzone, im Mensafoyer, im Einkaufszentrum, wartest auf mich und solche wie mich, um sie anzusprechen, zu überzeugen von Dingen, die dich selbst nicht überzeugten, um gute Quoten zu erzielen, deinen Umsatz zu erhöhen und Namen, Adressen, Daten zu sammeln, Willige, die bereit sind, sich in ein Gespräch, in absurde Verträge, ziehen zu lassen, wartest darauf, dass die Leute nicht an dir vorbeigehen, nicht wegsehen, wenn sie mit dir konfrontiert werden, dich nicht ignorieren, sondern dir zulächeln, neugierig sind, Interesse zeigen, wissen wollen, so dass du deinen Monolog, den du stundenlang probtest, herunterrasseln kannst, alle Vorteile und Gewinnmöglichkeiten nennen kannst, mich oder irgendwen überzeugen kannst und am Ende alle glücklich sein werden.
Ich bin nicht glücklich, nicht in diesem Augenblick, fühle mich belästigt von dir, von deinesgleichen, kann dich verstehen, doch will es nicht, es ist nur ein Job, such dir doch einen anderen, wenn das so einfach wäre, halt mich nicht auf, lass mich weitergehen, sprich mich nicht an, ich kenne dein Produkt, bin nicht an vermeintlichen Vorteilen, an Gewinnmöglichkeiten interessiert, will nichts mit dir zu tun haben, nicht, wenn du an diesem Stand stehst und Unnützes vertickst, nicht, wenn es nur ein Job ist, irgendetwas, das du machst, um ein wenig Geld zu verdienen, will mein sauerstes, bösestes Gesicht aufsetzen, um dich zu vertreiben, um dich nicht zu Wort kommen zu lassen, um mich vorbeizuschleichen, ohne von dir angesprochen, mit falschem Lächeln bestückt, aufgefordert zu werden, empfinde es als Eindringen, als Verletzen meiner privaten Sphäre, wenn du mich ansprichst, obwohl ich nicht mit dir reden willst, wenn du mir Fragen stellst, ob ich schon 18 sei, ob ich Student sei, ob ich dieses Produkt kenne, jene Eintrittskarte gewinnen, soundsoviel Euro sparen möchte, empfinde dich als Störenfried, als Unhold, der meine Laune verschlechtert, mein Leben eine winzige Nuance verdunkelt, als unnötiger Kraftaufwand, den ich betreiben muss, um dich loszuwerden oder zu ignorieren, als Mühe, die mir erspart werden könnte, wäre da nicht dieser Job, den du machst, machen mußt, der dir Geld bringt, diese alberne Idee deines Arbeitgebers, dich unter Leute zu schicken, um den Umsatz zu steigern, dich auf Fremde zu hetzen, sie, mit denen du vielleicht selbst nichts zu tun haben möchtest, zu belästigen, nur um ein paar Euro zu machen, um dein Leben ein wenig zu verbessern.
Ich verstehe dich, doch mag ich dich nicht, will dich anschreien, anbrüllen, du mögest mich in Ruhe lassen mit deiner lächerlichen Fragerei, mit deinen plumpen Versuchen, Aufmerksamkeit zu erheischen, wünsche, dich als nichtexistent, in Luft aufgelöst, betrachten zu können, verstehe dich und deine Motivation, doch kann und will es nicht gutheißen, dass du mich hier ansprichst, hier, in diesem Augenblick, wo ich Ruhe haben möchte, mit mir allein sein will, jetzt und hier, wo ich in Gedanken verloren durch die Straßen streife, wo ich mich mit anderen Dingen beschäftige als dem Gewinn irgendwelcher Eintrittskarten, mag dich nicht, weil du dich in mein Leben einmischst, dort eingreifst, wo du nichts zu suchen hast, weil du mich fragst, wieder und wieder fragst, und ich mich schäme, weil ich versuche vorbeizueilen, nicht zu sehen, nicht gesehen zu werden, weil ich versuche, dich zu boykottieren und darüber ein schlechtes Gewissen bekomme, weil ich dich nicht mag, obwohl ich dich nicht kenne, obwohl du privat, außerhalb des Jobs, vielleicht ganz nett bist, weil ich dich anschreien möchte, obwohl du nur das tust, was dir aufgetragen wurde, weil ich dich verstehe und gleichzeitig nicht verstehen kann, weil ich dich nicht bitten kann, mich in Ruhe zu lassen, weil das weitere Diskussionen, weitere Verteidigung meinerseits, weitere Aufzählungen von Gründen, weitere Beschäftigung mit der unliebsamen, eigentlich zu vermeidenden Thematik mit sich bringen würde, kann dich nicht bitten, mich jetzt und immer zu ignorieren, weil du immer irgendwer anders bist, weil du immer irgendein anderes Produkt bewirbst, weil du mich vielleicht verstehst, aber nicht verstehen darfst, denn dies ist ein Job, dein Job, nicht mehr, aber doch genug, um erledigt zu werden, und wenn du Leute dafür belästigen musst, tust du es eben, und wenn du ihnen ein wenig Lebensqualität rauben musst, tust du es eben, schließlich willst du ein bisschen Geld verdienen, nur ein bisschen, um deine eigene Lebensqualität zu steigern, nur ein bisschen, schliesslich ist das, was du tust, ja eigentlich nicht so schlimm, nur ein Job, nur eine kurze Frage, ein paar Daten, die man auf eine Pappkarte schreibt, nur ein kurzer Augenblick, der gleich vorüber ist.
Es ist nur ein Job, gebe ich dir recht, doch setze meine finsterste Miene auf, mein unfreundlichstes Gesicht, sprich mich nicht an, flüstere ich, mantraartig, und eile an dir vorüber, sehe dich nicht an, gebe dir keinen Grund, mich anzusprechen, sage "Nein!", als du irgendetwas Unverständliches fragst, renne weiter und schäme mich dabei, schließlich ist es nur ein Job, mehr nicht.
morast - 26. Jun, 13:40 - Rubrik:
Wortwelten
"Komm rein! Es gibt bald Mittag!", rief Svens Mutter durch das geöffnete Küchenfenster hinaus in den Garten, doch Sven hörte sie nicht. Nur Minka, Svens kohlrabenschwarze Katze, ließ sich mit einer winzigen Drehung ihrer Ohren anmerken, dass ihr trotz vor Wonne geschlossener Augen nichts entging.
Sven hockte im Gras und kraulte Minka den Bauch. Minka mochte es, am Bauch gekrault zu werden, und hatte sich bereitwillig auf den Rücken gelegt, sämtliche Tatzen weit von sich gestreckt und die Krallen eingefahren. Sven kraulte und streichelte voller Hingabe, und die Katze schnurrte vor Vergnügen.
"Mittag!", rief Svens Mutter lautstark durch das Fenster, und diesmal vernahm Sven ihren Ruf. "Mittag.", wiederholte er, streichelte Minka noch kurz über das Fell, sprang auf und rannte ins Haus.
"Mama?", fragte Sven Minuten später, während er an einer Kartoffel kaute, "Stimmt es, dass Herr Leonard geisteskrank ist?"
"Schschscht!", antwortete Svens Mutter und schielte durch das Küchenfenster in den Garten, ob Herr Leonard diese Worte nicht zufällig vernommen hatte. "So etwas sagt man nicht.", meinte sie schließlich in gedämpfter Lautstärke. "Herr Leonard ist unser Nachbar und ein freundlicher Mensch." Sie zögerte. "Nur manchmal ist er etwas sonderbar."
"Sonderbar.", wiederholte Sven und prüfte den Klang des ungewohnten Wortes. "Was heißt sonderbar?"
Svens Mutter seufzte. "Sonderbar heißt: merkwürdig, nicht normal, ungewöhnlich. Herr Leonard ist eben bisschen anders als wir."
"Weil er mit Vögeln redet?", fragte Sven neugierig, doch Svens Mutter antwortete nicht.
"Iß auf, bevor es kalt wird.", sagte sie und ging zum Kühlschrank, um den Nachtisch zu holen.
Nach dem Essen durfte Sven wieder im Garten spielen. Minka erwartete ihn schon, doch Sven hatte anderes vor: Er schlich sich zum Zaun und spähte hinüber in Herrn Leonards Garten. Herr Leonard entdeckte ihn sofort.
"Hallo Sven!", rief er freundlich und winkte.
"Können Sie wirklich mit Vögeln reden?", fragte Sven ohne zu zögern.
"Natürlich kann ich das!", antwortete Herr Leonard schmunzelnd und rief "Wilma! Brigitte! Ottokar! Kommt doch mal her!"
Im nahestehenden Kirschbaum raschelte es kurz, und schon kamen zwei Sperlinge und eine Amsel aus dem Geäst geflattert und setzten sichvertrauensvoll auf Herrn Leornards ausgebreitete Arme.
"Sagt dem kleinen Sven 'Guten Tag.'", forderte Herr Leonard die Vögel auf, und wie eine wirbelnde Wolke stießen sie sich von ihm ab und kamen zu Sven gefolgen, dem vor Staunen der Mund offenstand. Die drei Vögel umflatterten kurz Svens Gesicht - er konnte ihre Flügelschläge deutlich spüren - und kehrten anschließend in den Kirschbaum zurück.
"Danke.", rief Herr Leonard den Vögeln zu und wandte sich an Sven. "Und? Hat es dir gefallen?"
Doch Sven stand nicht länger am Zaun. Er war weggerannt, hinter das Haus, und zitterte am ganzen Leib.
"Herr Leonard ist wirklich sonderbar.", keuchte er.
"Er ist geisteskrank.", maunzte Minka und rieb ihren Kopf an Svens Bein.
morast - 19. Jun, 16:05 - Rubrik:
Morning Pages
Vom meinem Arbeitsplatz aus blicke ich auf eine kleine grüne Fläche, auf der einst, irgendwann in Zukunft, wenn alle nötigen behördlichen Instanzen durchwandert sein werden, eine russisch-orthodoxe Holzkirche entstehen soll. Das Fundament ist längst gelegt und die benötigten Stämme liegen zahlreich und seit Monaten unbewegt auf der Grünfläche, darauf wartend, mit den erforderlichen Genehmigungen versehen und endlich zu einem Gebilde aufgetürmt zu werden.
Doch derzeit ist von Baumaßnahmen wenig spürbar. Schmetterlinge tummeln sich auf den frisch benetzten Grashalmen, durch die wenigen Bäumen flattert hin und wieder eine Elster, und soeben entdeckte ich zwei Wildkaninchen, für die das ungenutzte Gelände vielleicht zur Heimstatt wurde. Ohne Eile hoppeln sie umher, knabbern an diversen Gräsern und lassen sich auch die durch menschverbietende Bauzaunbegrenzung nicht aufhalten. Geschwind sind sie darunter hindurchgeschlüpft und sonnen sich auf grüner Wiese.
Eine Taube fliegt über die beiden Kaninchen hinweg, und eines von ihnen, ich nenne es Max, scheint zu der Ansicht gelangen, dass es dort sicherer ist, wo Bäume Schutz vor Himmelsgefahren bieten. Er hoppelt auf den Bauzahn zu und zwängt sich mühelos durch eine der Maschen. Moritz bemerkt das Fehlen seines Freundes und beschließt, hinterdrein zu hoppeln, steckt prüfend seinen kopf in eine Bauzaunmasche - und paßt nicht hindurch. Zwei weitere Maschen werden ausprobiert, doch keine bietet Platz für Moritzs Dickschädel.
Ich sehe es nicht genau, kann nur vermuten, dass Moritz unverdrossen mit den Achseln zuckt und dorthin eilt, wo er bereits einmal den Bauzaun durchquerte. Geschwind schlüpft er unter dem Zaun hindurch und befindet sich nun im Schatten. Dort, nicht länger auf saftigem Grase, sondern auf blanker, feuchter Erde, beginnt er ein ausgiebiges Reinigungsritual. Sein Freund Max zieht nach. Er sitzt im Halbschatten, unweit des Zauns, und lässt sich auch durch das leckere Gras in seiner Nähe nicht davon abhalten, sich intensiv zu putzen.
Ich arbeite weiter. "Nicht weggehen.", flüstere ich den beiden zu.
Und tatsächlich, als ich wenige Minuten später wieder hinunterblicke, entdecke ich die beiden Kaninchen an ihren Plätzen . Nicht sofort, denn ihr graubraunes Fell stellt selbst für meine Augen, die wissen, wo und wonach sie zu suchen haben, eine Herausforderung dar. 'Gut gemacht, Mutter Natur.', denke ich und lüfte meinen inexistenten Hut vor den Tarneigenschaften des Kaninchenfells.
Die beiden Freunde haben es sich unterdessen bequem gemacht. Sauber und gesättigt dösen sie, keine drei Meter voneinander entfernt. Hin und wieder richtet sich ein Ohr auf, prüft die Gegend nach Gefahren, legt sich beruhigt wieder auf das weiche Kaninchenfell.
Ich arbeite, doch nach einer Weile drängt es mich zu einem weiteren Blick nach draußen. Max und Moritz dösen noch immer. "Gute Idee.", grinse ich den beiden zu und packe meine Sachen.
morast - 15. Jun, 15:03 - Rubrik:
Wortwelten
Der Apfällt nicht weit vom Stamm.
oder:
Der Apfællt nicht weit vom Stamm.
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morast - 15. Jun, 13:25 - Rubrik:
Krimskrams
Und ich harre sehnsüchtig des Tages, da sich das Datum der ersten Weihnachtsschokoladereien in Supermärkten soweit zurück verlagert haben wird, dass es Herbst, Sommer und Frühling durchschreitet, letztlich im Winter angelangt, im Februar, im Januar und irgendwann im Dezember, so dass schon in diesem Jahr die Süßigkeiten für das Weihnachtsfest des nächsten zu erwerben sein werden - und plötzlich alles wieder in Ordnung ist.
morast - 14. Jun, 12:46 - Rubrik:
Krimskrams