Samstag, 19. November 2005

Die dreifachen Tode des Lichts

Unlängst geschah es, daß ich zu später Stunde, als längst nächtliches Schweigen die Räume überflutet hatte, das Badezimmer aufsuchte, um mich dort zu reinigen und letztendlich - mit sauberem Antlitz und ebensolchen Zähnen - auch selbst in süßen Traumtiefen versinken zu können. Doch kaum hatte ich den Badezimmerlichtschalter berührt, explodierte die Dunkelheit in mein Auge. Ein greller Lichtblitz sprang mir entgegen, begleitet von einem wohl harmlosen, doch in der vorherigen Stille erschreckenden Knall, der mich zusammenzucken ließ.

Der undurchdringlichen Finsternis zum Trotz erkannte ich das Problem und fing sogleich an, es zu beseitigen, indem ich die nun defekte Glühbirne ["Glühlampe, heißt das, du Idiot!", mögen mir jetzt unwillige Deutschpenibler zurufen; doch ich höre nicht hin und bleibe bei meiner fruchtigeren Variante.] vorsichtig ertastete und ausschraubte. Die Vorsicht war überflüssig, ließ ich es doch an ihr fehlen, als ich die gläserne Birne fest in den Händen zu halten glaubte. Sie entglitt meinen Fingern, fiel auf den teppichgepolsterten Badezimmerboden, rollte weiter über die - bei Tageslicht sauberweiß blitzenden - Kacheln und verkroch sich dann unter den Schrank, wo sie beschloß, ihren Zustand nicht länger bewahren und dem keramischen Drängen von außen nachgeben zu wollen - und zerbrach.

Ich seufzte, suchte vergebens in der Abstellkammer und an anderen, abwegigeren Orten nach einer Ersatzglühbirne, doch fand keine außer derjenigen, die normalerweise von der Decke meines eigenen Zimmers zu baumeln pflegte. Es hatte Zeiten gegeben, da war die glühbirnenbefüllte Fassung, die derzeit kahl und schmucklos aus dem Deckenloch ragte, von einer ästhetischen Lampe umhüllt, doch mußte sie ebenso wie ich feststellen, daß niedrige Zimmerdecken zwar den Vorteil bieten, im Bedarfsfall in Sekundenschnelle ohne Benutzung jeglicher Hinaufsteighilfsmittel einen Glühbirnenwechsel vornehmen zu können, doch auch den Nachteil in sich bergen, Lampen auf derart geringen Höhen zu postieren, daß sie meinen wild herumgeschleuderten Körperteilen optimale Ziel- und Angriffsfläche bieten, selbst wenn ein solcher Angriff von mir nicht erwünscht wird.

Kurz und gut, ich beraubte meine nichtexistente Lampe ihrer Birne, wissend, daß noch zwei weitere, eine Schreibtischsteh- und eine Leselampe, ausreichenden Lichtersatz bilden würden, und begab mich zurück ins Badezimmer, wo ich nach raschem Schrauben mit neu-alter Glühfrucht das Splittergeschehen beleuchten konnte.

Eine Kehrblech-Handfeger-Kombination einsetzend beseitigte ich alle findbaren Scherben, befestigte aber trotzdem einen warnenden Zettel im Badeingangsbereich, darauf hinweisend, daß Barfüße hier - bis zur nächstmorgendlichen Gründlich-Reinigung unangebracht seien. Im 60-Watt-Schein bemerkte ich, daß die zerschollene Birne erstaunlich wenig Schaden davon getragen hatte, war doch mehr oder minder schlichtweg nur das Gewinde herausgebrochen und somit nur eine Minimalzahl Scherben generiert worden.

Wissend, jeden Schaden annehmbar beseitigt zu haben, trug ich das glasstückbewehrte Kehrblech zu Mülleimer, wo ich die scharfkantigen Birnenstücke dem Eimerinhalt übereignete. Leider füllte dieser das Behältnis bereits ausreichend, so daß mein gläserner Abfall auf der anderen Seite des Eimers wieder aus selbigem floh, vierzig Zentimeter tief fiel und ein weiteres Mal zerbrach, unbeeindruckt von dem ungewöhnlichen Umstand, daß sie, die Glühbirne, nun zum dritten Mal kaputt gegangen war.
Merklich schlechterer Laune kehrte ich die zusätzlichen Scherben auf und verfrachtete sie abermals ins Eimerinnere, sorgsam auf ihren dortigen Verbleib achtend.

Wenige Stunden später betrat A beschämt mein Zimmer. Denn auch ihr war gelungen, was eine Nacht zuvor mir vorbehalten gewesen war: Die Zerstörung einer Glühlampe. Diesmal hatte die Flurlampe Nummer Eins ihren letzten Lebensfunken ausgestrahlt, war knall- und klanglos ins ewig graue gewichen. A schien verstört, glaubte sie doch Schuldzuweisungen von meinen Lippen saugen zu können. Doch ich lächelte, erzählte von meinem Dreifachmord.

Noch bevor weitere dreißig Minuten vergangen waren, hatte ich mich auf meine Bettdecke gekniet, unter der versehentlich meine teleskopische Leselampe geweilt hatte, deren metallene Teleskopstangen nun mittels eines Knickes plastisch verformt waren. Mit 'Kein Problem!' glaubte ich das klirrende 'O nein!' in meinem Schädel besänftigen zu können - doch irrte. Denn sobald ich die Lampe berührte, erstarb sie, zerfiel in mehrere Teile, als hätte sie nur auf mich, auf eine letzte Segnung, gewartet.

Etwas verwundert stand ich auf und resümierte: Innerhalb eines Tages hatten A und ich drei Lampen in den Tod getrieben. Leselampe. Flurlampe. Badlampe. Letztere erdreistete sich sogar, dreifach zu sterben.

Ich schüttelte den Kopf, freute mich über die einzig verbliebene Lichtquelle in meinem Zimmer, schaltete sie, die Schreibtischlampe, ein und notierte mir, ausreichend beleuchtet:
"Glühbirnen kaufen."

[Im Hintergrund: Dismal Euphony - "Soria Moria Slott"]

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viator - 19. Nov, 23:35

Wie viele Birnen

sind denn noch so zu Bruch gegangen im Laufe des Tages? ;)
Kleiner Tipp: Kerzen gehen nicht so schnell zu Bruch. (Können aber dafür umkippen. Alles hat halt seine Kehrseiten)

morast - 20. Nov, 21:16

Birnen? Nur die erwähnten zwei.

Mit Kerzen bin ich vorsichtig, weiß ich doch um mein Talent, selbige samt Flammen in Zimmer und Wohnung versehentlich zu verteilen und so des Rauchmelders Funktionstüchtigkeit zu prüfen...

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