Zöpfchen
"Könnte das Täschchen aufs Schößchen?"
Die Angesprochene blickte von ihrem Handy auf und reagierte - trotz musikbefüllter Ohrstöpsel - sofort. Die ältere Dame, die L und mich mit ihren Verkleinerungsformen soeben zu einem geschmunzelten Blickabtausch bewegt hatte, setzte sich uns gegenüber, auf den letzten freien Platz der von mir für gewöhnlich als "Vierer" bezeichneten Sitzgelegenheitenanhäufung.
Während hinter der Glasscheibe Berlin vorbeiratterte, meine Aufmerksamkeit jedoch Wichtigerem galt, bemerkte ich am Rande meines Wahrnehmunsghorizonts ein Murmeln. Ein kurzer Blick ortete die Quelle: Die alte Frau gab Geräusche von sich, die Worte hätten sein können, wenn sie zu verstehen gewesen wären. Ihre Banknachbarin reagierte nicht, lauschte unverdrossen den Klängen aus ihren Kopfhörern. 'Alte Frauen murmeln eben zuweilen in ihren Altfrauenbart.", dachte ich, im Geiste mit den Schultern zuckend, und wand mich wieder L zu.
Aussteigen. Umsteigen. Irgendwo. Ich kümmerte mich nicht um Haltestellennamen, verfügte über kundige Begleitung.
Auf der Rolltreppe murmelte es erneut, hinter mir, diesmal jedoch mit gerade noch verständlichen Worten. "Jaja,", hörte ich, "zum Friseur gehen braucht man nicht. Und Scheren sind ja auch so teuer..."
Die Worte galten meinen Haaren, die zu einem Zopf geformt über meinen Rücken wallten.
Ich drehte mich um und entdeckte die alte Dame aus der S-Bahn. Mit mühelos sanfter Stimme erwiderte ich:
"'Man' kann auch Selbstgespräche führen, anstatt direkt zu kommunizieren..."
"Jaja,", unterbrach sie mich barsch, "Ich bin ja sowieso verrückt. Gehöre in die Klapse...!"
Sie schaute mich nicht an, zerschmetterte jedes noch hervorzubringende Argument mit ihrem defensiven Rundumschlag. "Ich bin verrückt!", hieß die Mauer, die sie blitzschnell zwischen sich und der eben noch beschimpften Welt erbaute - nicht zum ersten Mal, vermutete ich.
L zog mich weg, bevor ich überhaupt daran denken konnte zu reagieren. Schweigen war wohl ohnehin die bessere Wahl. Grüßend wedelte ich kurz mit dem Zopf in Richtung der alten Frau und ließ mich von L blind in irgendeine Richtung führen.
Die Angesprochene blickte von ihrem Handy auf und reagierte - trotz musikbefüllter Ohrstöpsel - sofort. Die ältere Dame, die L und mich mit ihren Verkleinerungsformen soeben zu einem geschmunzelten Blickabtausch bewegt hatte, setzte sich uns gegenüber, auf den letzten freien Platz der von mir für gewöhnlich als "Vierer" bezeichneten Sitzgelegenheitenanhäufung.
Während hinter der Glasscheibe Berlin vorbeiratterte, meine Aufmerksamkeit jedoch Wichtigerem galt, bemerkte ich am Rande meines Wahrnehmunsghorizonts ein Murmeln. Ein kurzer Blick ortete die Quelle: Die alte Frau gab Geräusche von sich, die Worte hätten sein können, wenn sie zu verstehen gewesen wären. Ihre Banknachbarin reagierte nicht, lauschte unverdrossen den Klängen aus ihren Kopfhörern. 'Alte Frauen murmeln eben zuweilen in ihren Altfrauenbart.", dachte ich, im Geiste mit den Schultern zuckend, und wand mich wieder L zu.
Aussteigen. Umsteigen. Irgendwo. Ich kümmerte mich nicht um Haltestellennamen, verfügte über kundige Begleitung.
Auf der Rolltreppe murmelte es erneut, hinter mir, diesmal jedoch mit gerade noch verständlichen Worten. "Jaja,", hörte ich, "zum Friseur gehen braucht man nicht. Und Scheren sind ja auch so teuer..."
Die Worte galten meinen Haaren, die zu einem Zopf geformt über meinen Rücken wallten.
Ich drehte mich um und entdeckte die alte Dame aus der S-Bahn. Mit mühelos sanfter Stimme erwiderte ich:
"'Man' kann auch Selbstgespräche führen, anstatt direkt zu kommunizieren..."
"Jaja,", unterbrach sie mich barsch, "Ich bin ja sowieso verrückt. Gehöre in die Klapse...!"
Sie schaute mich nicht an, zerschmetterte jedes noch hervorzubringende Argument mit ihrem defensiven Rundumschlag. "Ich bin verrückt!", hieß die Mauer, die sie blitzschnell zwischen sich und der eben noch beschimpften Welt erbaute - nicht zum ersten Mal, vermutete ich.
L zog mich weg, bevor ich überhaupt daran denken konnte zu reagieren. Schweigen war wohl ohnehin die bessere Wahl. Grüßend wedelte ich kurz mit dem Zopf in Richtung der alten Frau und ließ mich von L blind in irgendeine Richtung führen.
morast - 1. Mär, 23:08 - Rubrik: Bahnbegegnungen
7 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
morast - 2. Mär, 12:02
Einerseits fad ich die Situation zwar amüsant, andererseits aber war es das erste Mal innerhalb von sieben Jahren Langhaarigkeit, daß ich derartig angegangen wurde. Frisurenkritik mag ja noch gehen, doch ist der Schritt nicht weit, in gleicher Art Hautfarbe oder Staatsangehörigkeit zu kritisieren...
Tasmanian - 2. Mär, 19:24
Toleranz geht im Alter öfter flöten, hörte ich.
Herbstsonne (Gast) - 6. Mär, 16:14
Nun, solange jeder mit derartigen... hm... Vorurteilen (wobei ich da noch Unterschiede machen würde, weil man die Hautfarbe im Gegensatz zu der Frisur nicht ändern kann - sieht man einmal von Gegenbeispielen wie Michael Jackson ab) erkennt, dass er verrückt ist und sich in therapeuthische Behandlung geben sollte, erkenne ich da noch ein Fünkchen Hoffnung.
morast - 6. Mär, 18:59
"Und, Herr Doktor, wie sieht es aus?"
"Schlimm... "
"Wieso? Was habe ich denn..?"
"Vorurteile!"
"Oh neiiiiiiiiiiiiiiiiinnnn!"
"Schlimm... "
"Wieso? Was habe ich denn..?"
"Vorurteile!"
"Oh neiiiiiiiiiiiiiiiiinnnn!"
Herbstsonne (Gast) - 6. Mär, 22:54
"Aber machen Sie sich keine Sorgen, es gibt Schlimmeres..."
"Schlimmeres?"
"Ja, ich hatte letzte Woche jemanden hier, der hatte eine wirklich schreckliche Frisur..."
"Schlimmeres?"
"Ja, ich hatte letzte Woche jemanden hier, der hatte eine wirklich schreckliche Frisur..."
morast - 7. Mär, 00:07
Naja, zum Glück würde ich das Gestrüpp auf meinem Kopf nicht als "Frisur" bezeichnen...
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