Dienstag, 13. März 2007

Zwischen fremden Wänden

In den Ecken stapelt sich persönliches Sortieren, das nahende Abschiedsende kommentierend. Zwischen Fensterseite und roter Wand warten Kisten und Kartons darauf, in ein Gefährt verladen, Richtung Zukunft transportiert zu werden. Nicht mehr lange, tröste ich lächelnd alles, was wartet, auch mich selbst, der seit Wochen den Aufbruch herbeisehnt, abschließt, was eigentlich niemals richtig begann.

Ich schmunzle ob meiner Abneigung gegen jene, die in heimatfremden Städten nur Feinde sehen, diese mit allen Mitteln meiden, mit allen Worten erniedrigen, sich nicht wagen, das Fremde kennen- und liebenzulernen. Und nun sitze ich selbst in der Fremde, ohne es wirklich aufgesogen zu haben, ohne den Mantel des Fremden gelüftet zu haben. Ich war der Fremde, bin es noch immer, frage mich, ob ich mich selbst verachten sollte für soviel Ignoranz - oder ob die Umstände mir keine bzw nur eine Wahl ließen, nämlich jene, die mir behagt, die ich nachträglich gutzuheißen vermag.

Zwischen orangefarbener Wand und Fensterseite steht ein weiterer Stapel, wartet ebenfalls, allerdings mit größerer Geduld, muß noch in Pappe gehüllt und in die gegenüberliegende Ecke geschoben werden. Viel ist es nicht, was wartet - obgleich noch drei Tage vergehen müssen, bis das Gefährt den Fluchtweg antreten wird.

Die dritte Ecke, zwischen roter Wand und Türbereich beinhaltet Müll. Es ist erstaunlich, wieviel Unnützes sich innerhalb weniger Wochen anzusammeln vermag, wieviel Unrat ein einzelnes Wesen in geringster Zeit anzuhäufen imstande ist. Trage ich Schuld, der radikal abschließen, nichts Überflüssiges mit sich tragen möchte, ich, der Unnutz dort zu deklarieren beginnt, wo er zu anderen Zeitpunkten noch Wertvolles gesehen hätte? Oder trägt - wie so oft - die Gesellschaft die Schuld, jene, die Kleinstes in größte Hüllen stopfen, Winzigstes mit Schützenstem umhüllen müssen, Mantel aus Plastik und Pappe entwerfen, deren Wertigkeit im Augenblick des Auspackens verfällt?

In der letzten Ecke sitze ich, zusammen mit technischem Gerät, das zuletzt verstaut werden wird, das Anschluß bietet, Kommunikation, die Verbindung zur Welt. Es ist einsam hier, denke ich erneut, und weiß nicht, wer Schuld trägt: Ich, der sich bewußt zurückzog, nur wenige Wochenenden nicht floh, nicht in andere Städte düste, die heimischer, freundbefüllter waren, oder die Umstände, die mir ohnehin erst in geraumer Zeit erlaubt hätten, irgendwo Anschluß zu suchen [geschweige denn zu finden]? Ich weiß es nicht, doch bedaure nicht.

In der Küche wartet weiterer Müll. Nicht viel, glücklicherweise, doch genug, um mich erneut fragen zu lassen, was für ein Unwesen aus mir herausmutierte - oder ob ich immer so war - in dem Glauben, anders zu sein. In der Küche warten Lebensmittelreste, mit an Perfektion grenzendem Kalkül auf die kommenden Tage abgestimmt. Mein Hunger wird getilgt werden, weiß ich, und notfalls gibt es Fertiges an jeder Ecke zu erwerben.

Das Badezimmer bereitet mir die größten Sorgen. Während ich im Rest der Wohnung mit wenigen Handfegerwischbewegungen gröbsten Dreck beseitigte, bedarf es hier intensiverer Reinigungskraft. Ein Chemiekonzentrat steht bereit, direkt neben dem Lappen, der danach lechzt, zum Einsatz zu kommen. Heute nicht, beruhige ich ihn, mich, denn zu groß ist die Gefahr, in den nächsten, letzten Tagen, neue Sudelei zu erwirken und doppelt arbeiten zu müssen, wo mir bereits die einfache Tätigkeit mißfiel.

Ich nehme keinen Abschied, doch sehne mich nach dem Hinfort, nach dem Wegsein. Nicht, weil ich mich unwohl fühlte, nicht, weil das Hier, Jetzt, unerträglich sei. Ich war bereit zu ertragen und bin es noch immer, mit grenzenloser Zuversicht beseelt. Doch sie nützt nichts, suche ich mich an diesem Ort; Hier bin ich nicht, keine Spur von mir indentifiziert sich mit dem Hier, mit dem Heute, mit dem Dasein der vergangenen Wochen. Ich verweile hier, weil ich muß, weil die Zukunft es erwartet, doch werde, sobald ich kann, entweichen. Dort lebe ich, fern, lächle in mir drin, lächle in der Ferne, doch nicht hier, wo nichts ist, nichts Gutes, nichts Schlechtes,

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