Vergessene Welten
Gerade eben setzte sich sich der Zug behäbig in Bewegung, begann beschleunigend die Fahrt in meien zweite Heimat. Das Bahnhofsgelände rauscht außen vorbei; ich sehe aus dem Fenster und begegne fremden Welten.
Dieser Bahnhof besitzt zwei Seiten. Die erste kenne ich gut. Unzählige Male hielten sich meine Blicke an den bekannten Gebäuden fest, erfreuten sich heimkehrend der restaurierten Fassade der Bahnhofshalle. Die zweite Seite jedoch verbirgt sich, verblieb bislang unbekannt.
Auf rostenden Gleisen stehen wuchtige Lokomotiven, deren roter Lack allmählich abzublättern beginnt. Unzählige Masten und Signale bilden einen wirren Wald aus Metall. Zerfallene Backsteinbauten stehen herum, mit längst veralteten, verrottenden Schildern bestückt. Überall wuchert wild das Unkraut, entfaltet sich in unkontrollierter Freiheit.
Hinter den Gleisen stehen Häuser. Ihre Scheiben sind längst erblindet oder von Steinen zerschmettert. Grau und tot präsentiert sich das dreckverkrustete Mauerwerk, zeugt von Vergessen. In Reih und Glied warten sie neben den Gleisen wie Veteranen längst verlorener Kriege. Ich kenne sie nicht.
Vielleicht tummelte sich einst Leben in ihnen, Arbeitende, Maschinen, menschliche Stimmen, zu Gelächter geformt, die üblichen Wünsche und Sehnsüchte in den Köpfen träumender Wesen. Vielleicht waren sie einst wichtig, stolze Bestandteile des Bahnhofs, bedeutend für den seinen Betrieb, unentbehrlich für seine Funktionalität.
Heute jedoch wirken sie traurig, leer und kalt, einer Geisterstadt entnommen. Ich entdecke einige Buchstaben - eine einstige Beschriftung vielleicht - doch vermag ich sie nicht zu entziffern, kann mich nicht erinnern, die zweite Seite des Bahnhofs jemals zuvor entdeckt zu haben.
Schon länger bewohne ich diese Stadt, wandle durch ihre Adern, kenne Bauten, kenne Bewohner. Doch die Welt hinter dem Bahnhof kenne ich nicht.
In meinem Kopf befrage ich den Stadtplan, orte den geheimen, vergessenen Bezirk. Schon oft verweilte ich hier, lief durch die Straßen, fuhr zu wichtigen Zielen. Doch niemals zuvor sah ich diese Häuser.
Nur wenige Straßen weiter erblicke ich weitere Gebäude, Wohnhäuser. Ich erkenne sie wieder, glaube mich an einen Mieter erinnern zu können, fände sie sofort, müßte ich danach suchen. Aber das vergessene Zwischenreich, die ungesehene Welt hinter dem Bahnhof, vermag ich nicht zu fassen.
Für einen Moment bedrängt mich der Wunsch auszusteigen, zu erkunden, was längst dem Verfall überlassen wurde, der Wunsch zu entdecken, was so geheim, so fremd, auf der Bahnhofsrückseite verweilt, will berühren, was sich so geschickt vor meinen Blicken verbarg. Schon stehe ich auf...
Am Fenster rauscht die Außenwelt vorbei. Längst liegt die zweite, die myteriöse, Seite des Bahnhofs Kilometer hinter mir. Ich setze mich wieder, versinke im Sitz, in meine Gedanken.
Die Lautsprecherstimme weckt mich. Ich bin bereits am Ziel. Als ich mich erhebe, mir meine Jacke überwerfe, erhasche ich, kurz bevor der Zug zum Stehen kommt, einen Blick nach außen - auf eine weitere Welt jenseits des Bahnhofs, jenseits menschlicher Erinnerung.
Fassunglos steige ich aus, fliehe in die Wirklichkeit.
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Dieser Bahnhof besitzt zwei Seiten. Die erste kenne ich gut. Unzählige Male hielten sich meine Blicke an den bekannten Gebäuden fest, erfreuten sich heimkehrend der restaurierten Fassade der Bahnhofshalle. Die zweite Seite jedoch verbirgt sich, verblieb bislang unbekannt.
Auf rostenden Gleisen stehen wuchtige Lokomotiven, deren roter Lack allmählich abzublättern beginnt. Unzählige Masten und Signale bilden einen wirren Wald aus Metall. Zerfallene Backsteinbauten stehen herum, mit längst veralteten, verrottenden Schildern bestückt. Überall wuchert wild das Unkraut, entfaltet sich in unkontrollierter Freiheit.
Hinter den Gleisen stehen Häuser. Ihre Scheiben sind längst erblindet oder von Steinen zerschmettert. Grau und tot präsentiert sich das dreckverkrustete Mauerwerk, zeugt von Vergessen. In Reih und Glied warten sie neben den Gleisen wie Veteranen längst verlorener Kriege. Ich kenne sie nicht.
Vielleicht tummelte sich einst Leben in ihnen, Arbeitende, Maschinen, menschliche Stimmen, zu Gelächter geformt, die üblichen Wünsche und Sehnsüchte in den Köpfen träumender Wesen. Vielleicht waren sie einst wichtig, stolze Bestandteile des Bahnhofs, bedeutend für den seinen Betrieb, unentbehrlich für seine Funktionalität.
Heute jedoch wirken sie traurig, leer und kalt, einer Geisterstadt entnommen. Ich entdecke einige Buchstaben - eine einstige Beschriftung vielleicht - doch vermag ich sie nicht zu entziffern, kann mich nicht erinnern, die zweite Seite des Bahnhofs jemals zuvor entdeckt zu haben.
Schon länger bewohne ich diese Stadt, wandle durch ihre Adern, kenne Bauten, kenne Bewohner. Doch die Welt hinter dem Bahnhof kenne ich nicht.
In meinem Kopf befrage ich den Stadtplan, orte den geheimen, vergessenen Bezirk. Schon oft verweilte ich hier, lief durch die Straßen, fuhr zu wichtigen Zielen. Doch niemals zuvor sah ich diese Häuser.
Nur wenige Straßen weiter erblicke ich weitere Gebäude, Wohnhäuser. Ich erkenne sie wieder, glaube mich an einen Mieter erinnern zu können, fände sie sofort, müßte ich danach suchen. Aber das vergessene Zwischenreich, die ungesehene Welt hinter dem Bahnhof, vermag ich nicht zu fassen.
Für einen Moment bedrängt mich der Wunsch auszusteigen, zu erkunden, was längst dem Verfall überlassen wurde, der Wunsch zu entdecken, was so geheim, so fremd, auf der Bahnhofsrückseite verweilt, will berühren, was sich so geschickt vor meinen Blicken verbarg. Schon stehe ich auf...
Am Fenster rauscht die Außenwelt vorbei. Längst liegt die zweite, die myteriöse, Seite des Bahnhofs Kilometer hinter mir. Ich setze mich wieder, versinke im Sitz, in meine Gedanken.
Die Lautsprecherstimme weckt mich. Ich bin bereits am Ziel. Als ich mich erhebe, mir meine Jacke überwerfe, erhasche ich, kurz bevor der Zug zum Stehen kommt, einen Blick nach außen - auf eine weitere Welt jenseits des Bahnhofs, jenseits menschlicher Erinnerung.
Fassunglos steige ich aus, fliehe in die Wirklichkeit.
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morast - 20. Mär, 20:33 - Rubrik: Bahnbegegnungen
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