Dienstag, 16. November 2010

Kann sein

"Ach ja.", sagte ich und warf die Kippe fort. Ich rauchte nicht, doch hin und wieder gab ich dem Verlangen nach, mir eine Schachtel zu kaufen und die einzelnen Zigaretten Stück für Stück zu entsorgen. In die dafür vogeschriebenen Behältnisse, natürlich.

"Ach ja.", sagte ich erneut, und es war mehr ein Seufzen als eine tatsächliche Aneinanderreihung von Wörtern.

"Wer 'Ach ja.' sagt, weiß nicht weiter. Hat meine Großmutter immer gesagt.", meinte Karl und fischte meine Kippe aus dem Mülleimer. Er rauchte nicht, doch gab hin und wieder dem Verlangen nach, meine weggeworfenen Zigaretten aufzubrechen und ihren krümeligen Inhalt dem Wind darzubieten.
Einst hatte ich ihn gefragt, was das denn bringe, und er hatte nur mit den Schultern gezuckt und gelächelt. Als sei das Antwort genug. Und irgendwie war es das auch.

"So.", sagte ich.
"So?", fragte Karl und zog die Augenbraue hoch. Er besaß nur eine, dafür umrankte sie nicht nur seine Sehorgane, sondern auch Teile von Stirn und Nase.
"So!", meinte ich. "Es muss heißen: Wer 'so' sagt, weiß nicht weiter."
"Kann sein.", sagte Karl und zuckte mit den Schultern. Das tat er oft. Eigentlich immer, wenn er nicht gerade Zigaretten bearbeitete oder die Augenbraue hochzog. "Aber mein Großvater hat immer 'Ach ja.' gesagt."
"Wieso Großvater? Eben war es doch noch deine Großmutter!"
"Kann sein.", Karl zuckte erneut mit den Schultern. "Ich habe die beiden immer verwechselt."
"Verwechselt? Wie kann man denn seine Großeltern verwechseln?", empörte ich mich. "Wahrscheinlich verwechselst du auch deine Eltern?!?"
"Kann sein." Diesmal zuckte Karl nicht mit den Schultern. Statt dessen entfernte er behutsam den Filter von meiner weggeworfenen Zigarette. Tabak krümelte in seine offene Hand. "Ich habe meine Eltern nie kennengelernt."
"Oh. Das wusste ich nicht."
"Nein.", sagte Karl.
Mehr nicht.
Eine leichte Brise zog auf und klaubte ein wenig freigelassenen Tabak von seiner Hand und nahm ihn mit.

Wir schwiegen. Sahen den Krümeln zu, wie sich sich ihres papiernen Gefängnisses erwehrten und in die Ferne zogen, getragen von nichts als bewegter Luft.

"Sie sind bereits zweieinhalb Jahre vor meiner Geburt gestorben.", sagte Karl irgendwann, und ich nickte.

Trackback URL:
https://morast.twoday.net/stories/8443313/modTrackback

Flatterfred...

Status...

Du bist nicht angemeldet.

Aktuell...

Altslawische fantastische...
Ich möchte dir mein fantasy Welt vorstellen. Vielleicht...
Cerny Vlk - 6. Jan, 21:45
Radtour Salbker See II
Danke für die tollen Tipps, wir waren im August auch...
Physiotherapie Leipzig (Gast) - 21. Nov, 17:06
Higtech
Naja, man glaubt es kaum, aber was der Angler an Energie...
Martin Angel (Gast) - 12. Sep, 11:27
gar nisch süß
dat is gar nisch süß soll isch de ma was rischtisch...
free erdem (Gast) - 6. Jun, 16:40
Hier wird es fortan weitergehen: http://morast .eu Und...
Hier wird es fortan weitergehen: http://morast .eu Und...
morast - 1. Feb, 21:10

Archiv...

November 2010
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
17
18
19
20
21
22
23
24
25
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 

Suche...

 

Rückblick...

Online seit 7165 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:03

Und so...


23
Bahnbegegnungen
Begegnungen
Farbenfroh
Fetzen
Frederick
G
Geistgedanken
Krimskrams
Menschen
MiSt
Morgenwurm
Morning Pages
Seelensplitter
Tageswort
Weise Worte
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren