Wortwelten

Donnerstag, 5. August 2010

Ganz anders

"Nein, wir machen alles ganz anders!", rief Peter und fuchtelte hektisch mit den Armen. "Ganz ganz anders!"
Ich seufzte, ganz leise nur, denn sowohl meine Lust als auch meine Geduld dürften mittlerweile in irgendeinem Fundbüro angekommen sein. Ich hatte sie jedenfalls bereits vor Stunden verloren.
"Wie denn?", fragte ich und dachte 'Ganz anders.'
"Na, ganz anders!", rief Peter und fuchtelte noch hektischer mit seinen Körperauswüchsen, fast so, als hätte ich ihn beim Versuch unterbrochen, flügge zu werden.
"Ach so.", meinte ich. Die Ironie, die aus diesen beiden Silben nur so triefte, blieb unbemerkt. Peters Denken und Handeln hatte sich ganz dem "anders" verschrieben, das er nun schon so lange proklamierte - das unglücklicherweise sekündlich seine Form zu ändern schien.
"Ich hab's!", rief Peter. Sein Gesicht erstrahlte zum geschätzten dreiundzwanzigsten Mal, als eine neue Genialität seinen Geist heimsuchte. Ich ersparte mir ein weiteres Seufzen. Der Vorrat für die nächsten Wochen war bereits aufgebraucht.
Mein Gesicht war ein Fragezeichen, und es gelang mir, mein erblühendes Desinteresse so zu kneten, dass es nach außen hin wie Geduld wirkte. Ich wartete, dass Peter fortfuhr, doch seine Stirn knitterte schon wieder bedrohlich.
"Wir müssten eigentlich nur...", begann Peter, unterbrach sich, begann erneut. "Eigentlich sollten wir..." Er atmete ein, aus, wieder ein.
"Nein, wir machen alles ganz anders!", rief er dann triumphierend, als wäre, was soeben geäußert hätte, eine Idee.
"Wie anders?", fragte ich und bereute es sofort.
"Na, ganz anders!", erklärte Peter. Sein Gesicht gleißte, und ich wünschte, seine Begeisterung würde nicht immer wieder auf dem Weg zu mir verenden, so wie meine Fragen nach Details immer wieder an Peters Hörorganen zerschellten.
"Wie wär's denn...", setzte ich an, doch Peter unterbrach mich. "Ich weiß es!", rief er, "Jetzt weiß ich es!"
Ich zog die Augenbrauen hoch.
"Es ist eigentlich ganz einfach. Erstaunlich, dass wir bisher nicht drauf gekommen sind! Dabei lag es die ganze Zeit direkt vor unserer Nase." Er sah mich an und grinste. "Wir waren einfach betriebsblind."
"Also...?", sagte ich. Für eine komplette Frage hatte ich keine Kraft mehr.
Peter fuchtelte mit den Armen und verkündete fröhlich:
"Wir machen alles ganz anders!"
Ich nickte. Genau das hatte ich erwartet.
"Ganz ganz anders.", ergänzte Peter und strahlte vergnügt vor sich hin.

Montag, 19. Juli 2010

Three in a Million

Ein drittes und letztes Giräffchen für One Million Giraffes.
Wuhuu!

Mittwoch, 14. Juli 2010

Wenn Peter lachte

"Lach leise.", ermahnte ich ihn zum zweiten Mal, doch selbst das fand Peter lustig. Er war ein einfaches Gemüt, konnte sich an Winzigstem erfreuen, stundenlang einen Grashalm beschmunzeln oder über einen leeren Einkaufsbeutel kichern. Und jedesmal, wenn er lachte, starb irgendwo ein Schmetterling.

Eigentlich starb kein Schmetterling. Wir hatten zumindest noch nie beobachten können, dass, während Peter lachte, plötzlich ein Schmetterling vom Himmel fiel. Aber ich hegte einen Verdacht, und man konnte nie vorsichtig genug sein.

"Lach leise.", sagte ich daher und ergänzte zum wahrscheinlich zehntausendsten Mal "Denk an die Schmetterlinge."

Der Gedanke an sterbende Schmetterlinge betrübte Peter immer ein wenig, und für einen Augenblick lang konnte ich dann aufatmen. Sicherlich war es wenig heldenhaft, meinem jüngeren Bruder das Lachen zu verbieten und sich darüber zu freuen, wenn er durch trübe Stimmungssümpfe watete. Doch noch weniger heldenhaft war es vermutlich, Schmetterlinge zu töten.

"Ich möchte keine Schmetterlinge töten.", murmelte Peter, und eine winzige Träne schimmerte in seinem Auge.

"Schhhh. Nicht weinen.", tröstete ich ihn. Mir tat es Leid, ihn so traurig zu sehen. Traurige kleine Brüder können einem das Herz zerfetzen.

"Vielleicht ist ja alles gar nicht so schlimm. Vielleicht stirbt gar kein Schmetterling, wenn du lachst.", redete ich auf ihn ein. "Vielleicht bilden wir uns das alles nur ein."

Peters Antlitz erhellte sich.
"Vielleicht interessieren sich Schmetterlinge überhaupt nicht für Gelächter.", ergänzte ich, um auch die letzte Sorgenfalte von seiner Stirn zu bügeln.

Peter schmunzelte wieder. Ich hatte es geschafft.

Vor dem Küchenfenster tanzten zwei Schmetterlinge miteinander durch die Luft. Rasch wandte ich den Blick ab, bevor Peter es sah. Doch es war zu spät.

"Guck mal, Schmetterlinge!", rief er, rannte ans Fenster und erfreute sich am spielerischen Geflatter der zwei Flügeltiere. Als sie einander kurz berührten, lachte Peter vergnügt auf.

Wie vom Blitz getroffen hielten die Schmetterlinge plötzlich inne und segelten leblos zu Boden.
Peter war schockiert. "Sind sie ... tot?"
Ich nickte, keines gesprochenen Wortes mehr mächtig.

Peter begann zu weinen. "Es tut mir leid!", rief er wieder und wieder, und Tränen schossen über seine Wangen, bilden winzige Bäche salziger Fluten.
"Es tut mir so Leid!"

Eine feuchte Perle löste sich von seinem Kinn und fiel auf den Boden. Dort wo sie aufprallte, zischte es kurz, und plötzlich entstand ein ganzer Schwarm Schmetterlinge, flatterte in wirrer Schönheit durch den Raum, fand das offene Küchenfenster und flog hinaus, ins Freie. Mit verzücktem Lächeln starrte ich ihnen hinterher.

Peter lachte.

Mittwoch, 7. Juli 2010

Peter

"Ich heiße gar nicht Peter.", rief Peter und rannte davon. Ich schaute ihm hinterher, als ergäbe sein Ausruf plötzlich Sinn, wenn ich nur lang genug seinen kleiner werdenden Rücken betrachtete.

Irgendwann fiel mir noch ein, "Wieso denn nicht?" zu fragen, doch meine Worte erreichten ihn nicht mehr. Ich zuckte mit den Schultern, drehte mich um und ging nach Hause.

Mutter bereitete gerade das Abendbrot zu, kramte in Schubladen, holte Teller aus untersten Schrankfächern, entrang dem frisch gebackenen Laib ein paar betörend duftende Scheiben, zerkleinerte Gurken und Tomaten mit einem überdimensional großen Messer und pfiff das gleiche Lied, das sie immer pfiff, wenn ihr Gemüt mit bester Laune besprenkelt war.

"Peter heißt gar nicht Peter.", sagte ich zu ihr und sie gab einen abwesenden Brummlaut von sich, während sie in Töpfen rührte und Gläser spülte.

Eigentlich hießen wir alle Peter. Peter hieß Peter, Peter hieß Peter und sogar Peter hieß Peter - und sie war ein Mädchen. Überraschenderweise gab es keine Verwechslungen, und selbst jetzt, da ich Mutter mitgeteilt hatte, dass Peter gar nicht Peter hieß, war klar, welcher Peter gemeint war. Peter, mein Klassenkamerad und Freund seit vielen Jahren, Peter, dessen Schwestern Peter und Peter die wahrscheinlich hübschesten Mädchen des ganzen Dorfes waren. Peter, dessen Onkel - seinen Vornamen kannte ich nicht - uns für die Sommerferien in ein Haus am See eingeladen hatte. Eben Peter.

Ich hieß auch Peter, mochte es aber lieber, wenn man mich Pe nannte. Ich kannte einen Pjotr, einen Pete und sogar jemanden, der Petra hieß - und er war ein Junge. Ich hatte von einem Pietro gehört, der nicht aus der Gegend kam und vielleicht auch Pedro hieß, und von einer Petty, mit der aber niemand etwas zu tun haben wollte. Sie stank ein bisschen, hieß es, aber ich fand, sie roch auch nicht schlimmer als beispielsweise Peter.
Alle hießen Peter.

"Peter heißt gar nicht Peter.", wiederholte ich, obwohl ich wusste, dass Mutter mich bereits beim ersten Mal gehört hatte. Doch ich wollte eine Antwort haben, und wenn ich eine Antwort haben wollte, wiederholte ich meine Frage eben solange, bis ich eine Antwort bekam. Selbst wenn ich gar keine Frage gestellt hatte.

"Peter heißt gar ni..."
"Ist ja gut, Peter.", unterbrach mich Mutter und goss kochendes Wasser in die blaue Kanne, die ich nicht berühren durfte, damit sie nicht kaputt ging. Dann setzte sie sich auf ihren Hocker und seufzte. Sie seufzte immer, wenn sie sich auf den Hocker setzt, fast so, als würde der Hocker alle nutzlose Luft aus ihr herausdrücken. Und vielleicht war es auch so.

"Peter heißt nicht Peter.", erklärte Mutter, "Er hieß noch nie Peter."
Ich riss die Augen auf. Das konnte doch nicht sein! Alle hießen Peter. Peter, Peter, Pjotr, Peter ... - sie alle hießen Peter!

"Aber alle heißen Peter!", rief ich und fuchtelte mit den Armen, versuchte, das Unglaubliche zu verscheuchen.
"Alle.", bestätigte Mutter langsam nickend, "Alle außer Peter."

In der Küche wurde es still. Selbst das stete Brodeln und Köcheln auf dem Herd schien sich zu bemühen, ein wenig leiser zu sein. Ich versuchte zu begreifen, doch konnte nicht. Alle hießen Peter. Auch Peter.

Mutter seufzte ein zweites Mal, doch der Hocker hatte bereits alle Luft aus ihr herausgedrückt, so dass sie eher ausatmete als seufzte. Ich bemerkte es trotzdem.

Mutter sah aus, als müsste sie sich überwinden weiterzureden.
"Es wird Zeit, dass du es erfährst: Peter heißt nicht Peter. Er tut so, als hieße er Peter, um nicht aufzufallen, um nicht von allen geärgert zu werden. Doch er heißt nicht Peter.
Er heißt Olaf!"

Und während das Entsetzen sich in meinem Kopf ausbreitete, ergänzte Mutter traurig:
"Und du auch."

Montag, 5. Juli 2010

Haustür

Als ich noch mein kleiner Bruder war, hatten wir ein Haustier namens Haustür. Er quietschte, wenn man sich ihm näherte, und Unwissende hielten ihn oft für eine minderjährige Zitrone.

Wir hatten nie herausfinden können, was Haustür eigentlich genau war, doch vermuteten wir in ihm eine Mischung aus Lärmgebügeltem Drehtstuhltelefon und Kicherndem Wüstenmolch. Er war von oben bis unten behaart. Leider zog sein üppiges Komentenfell es vor, anstatt auf seinem Köper neben diesem zu wachsen, und einmal pro Woche durften wir Kinder uns hübsche Zimmerdeckenzierteppiche oder Schnauzbärte aus den überall herumliegenden Haaren häkeln. Ich war nie sehr gut in handarbeitlichen Tätigkeiten, und so war es nicht verwunderlich, dass mein Häkelschnurrbart einem Zimmerdeckenzierteppich glich, und mein Zimmerdeckenzierteppich einem Häkelschnurrbart.

Dennoch war Haustür, abgesehen davon, dass er das einzige Haustier war, das ich je besaß, das pflegeleichste und wundervollste Haustier, das ich je besaß. Und das nicht nur, weil er quietschte. Wenn wir durch das Parkhaus spazierengingen, bellte er immer meinen Namen in den Sand und gab nicht eher Ruhe, bis ich lachte wie ein Thermometerluftballon. Also lachte ich, und Haustür jagte meinem Gelächter nach, fing es ein und apportierte es. Apportürte, sozusagen. Hihi.

Manchmal schwieg Haustür, und sein Schweigen löschte jeden Lärm aus dem Raum. Es roch dann stets ein wenig nach Rosenquarz, und ich wusste, dass in diesem Augenblick alles in Ordnung war.

Und wenn man sich ihm näherte, quietschte er. Meistens blau, manchmal aber auch orange. Stets war es ein Wattequietsch, und nichts war schöner, als immer wieder fortzugehen und zurückzukommen, hinter einem Baum zu verschwinden und plötzlich wieder aufzutauchen - und dann seinem feinsinnigen Gequietsche zu lauschen.

Irgendwann war Haustür fort. Er lebte auf einem riesigen Bauernhof, meinten unsere Eltern immer, wenn wir sie fragten. Wir weinten Honigmaden und Schneckenblumen, doch er kam nicht zurück.
Er wäre sehr glücklich, meinten unsere Eltern immer, wenn wir sie fragten, doch wir wussten, dass sie logen.

Gestern entdeckte ich eine Postkarte in meinem Briefkasten. Eine dicke Weizenkuh zierte die Vorderseite und auf der Rückseite befand sich nur ein einziges Wort:
"Quietsch."

Es war blau.

Freitag, 2. Juli 2010

Haltestelle

Gerade als er die Haltestelle erreichte, kam der Bus. Allerdings ohne bremsen. Oder gar anzuhalten.
Wenige Sekunden später kam der nächste. Und rauschte ebenfalls vorbei.
Ein weiterer Bus kam. Und noch einer. Und noch einer.
Insgesamt waren es acht, und der achte Bus bremste. Und hielt.
"Acht Busse?", rief der Oktopus verwundert und stieg ein. "Ich bin wohl in einem schlechten Wortwitz gefangen!"

Donnerstag, 1. Juli 2010

Schnee

"Leise rieselt der Schnee...", sang er, doch es war kein Schnee, der rieselte. Es waren Elefanten. Und genau genommen rieselten sie auch nicht, denn wer einmal einen Elefanten sah, weiß, dass ihnen insbesondere das Rieseln schwerfällt. Aber, das muss man ihnen eingestehen, sie gaben sich große Mühe, leise zu rieseln.

Er sang, wich hin und wieder einem nicht-ganz-so-leise nicht-ganz-rieselndem Elefanten aus und biss noch einmal vom Blumenstrauß ab, bevor er ihn einem fertig gerieselten Elefanten schenkte. "Danke.", sagte dieser, und es hörte sich verdächtig nach "Danke." an.

Dienstag, 29. Juni 2010

Der verrückte Alte

Der alte Mann humpelte die Straße entlang. Als ich mich näherte, glaubte ich ein kehliges Kichern zu vernehmen fast lautlos, das durch die zahlreichen Zahnlücken seines Mundes ins Freie drängte. Der alte Mann kicherte, und als ich ihm in die Augen blickte, wurde ich eines schalkhaften Funkelns gewahr, eines Blitzens, das den alten Mann sogleich in jene Schublade steckte, die seit jeher verrückten Alten zugeschrieben war.

Doch der alte Mann war nicht verrückt. Er war fröhlich. Alle paar Meter wechselte er sein Humpeln aus, ließ es von einem Bein auf das andere wandern und zog mal diesen, mal jenen Fuß nach. Ginge es nach ihm, erklärte mir der alte Mann kichernd, würde er beide Füße nachziehen. Alle beide hätten es verdient, meinte er, seien alt genug, um sich hin und wieder eine Pause zu gönnen. Mein Humpeln ist also kein echtes Humpeln, kicherte er vergnügt.

Das ist so wie mit meinen Zahnlücken, führte er dann weiter aus und entblößte die wenigen Stummel, die ihm in seiner Mundhöhle noch verblieben waren. Die Lücken sind längst keine Lücken mehr, keine Ausnahmen zwischen Reihen strammstehender Zähne. Nein, die Zähne sind die Ausnahme, kämpfen tapfer mit jedem Stückchen Essen, stehen noch immer ihren Mann, doch sind eigentlich alt genug, um pausieren zu dürfen.

Ein Humpeln für Zähne, das wärs!, rief der alte Mann dann aus und warf seine dürren Arme in die Luft. Dann lachte er, und insgeheim zog ich die Schublade "Verrückte Alte" wieder auf, um ihn samt seines Humpelns hineinzustopfen.

Ich weiß, was du jetzt denkst, kicherte der Alte und klopfte seine Taschen ab, ich bin nicht verrückt! Er klopfte noch ein wenig weiter, als würde er etwas Wichtiges suchen. Und ich kann es beweisen, rief er dann, und aus seinem zahnlosen Grinsen wurde ein triumphierendes, zahnloses Grinsen. Er steckte seine Hand tief in die linke Jackentasche, wühlte ein wenig und holte eine Quietscheente hervor. Hier, sagte er dann und reichte mir das gelbe Plastiktier, das ist mein Nichtverrücktenausweis.

Und während ich verblüfft auf die Ente in meiner Hand startrte, humpelte er lachend von dannen.

Mittwoch, 26. Mai 2010

Der alte Frosch

"Und das war so.", begann der alte Frosch.

Der gesamte Teich, bis vor wenigen Augenblicken mit einem vielstimmigen Quaken befüllt, verstummte innerhalb von vier klitzekleinen Wörtern. Wenn der alte Frosch zu reden begann, lauschte man. Atemlos, falls möglich. Einzig eine vorlaute Grille wählte diesen fast heiligen Auenblick, um inmitten der plötzlich emporwuchernden Stille ein vergnügtes Liedchen anzustimmen. Man vernahm ein rasches Zungenschnalzen, irgendjemand schmatzte kurz, dann war Ruhe. Wirkliche Ruhe.

"Und das war so.", begann der alte Frosch zu zweiten Mal, sich nun sämtlicher verfügbarer Aufmerksamkeit sicher wissend. Er räusperte sich kurz, doch jeder einzelne der anwesenden Frösche wusste, dass er nicht mit dem Erzählen seiner Geschichte, einer weiteren spannenden Episode seines abenteuerreichen Lebens, beginnen würde, bevor er ein drittes Mal begonnen, ein drittes Mal "Und das war so."gesagt hatte.

Alle Augen richteten sich auf ihn, den alten Frosch, der vom Alter gezeichnet und doch imposant, einem Froschkönig gleich, auf seinem Stein hockte, dort auf seinem algengrünen Thron, ruhte, als hätte das Universum ihm bereits vor Jahren sämtliche seiner Geheimnisse ins Ohr geflüstert.

"Und das war so.", begann er ein drittes Mal, und unzähligen Froschmündern entglitt eine Woge in die milde Abendluft hinausgeseufzter Anspannung. Die Geschichte würde nun beginnen, die Welt war an ihrem Platz und alles hatte seine Richtigkeit.

Die tiefe Stimme des Frosches dröhnte angenehm träge aus dem warzigen Maul, als der Alte endlich eine Geschichte preisgab:
"Vor vielen Jahren, als ich noch ein junger Hüpfer war, bezwang ich einen Storch."
Ungläubiges Staunen raunte es aus zahllosen Mündern, und der alte Frosch schmunzelte.

Plötzlich brachen riesige Beine durch das Schilf. Ein Schnabel senkte sich, Flügel flatterten und ehe die andächtig lauschenden Frösche sich der Ereignisse bewusst wurden, war ein riesiger Schatten über den Teich davongeglitten und den wenigen Blicken überrascht hinterherblickender Frösche entflohen.

"Der Storch!", flüsterten die ersten. "Der Storch!", wisperte alsbald der ganze Teich, von lähmender Furcht erfüllt. "Der Storch!"
"Der Alte!", hörte man dann jemanden rufen und plötzlich bodelte das Wasser. Der alte Frosch war verschwunden! Der Storch hatte den Alten geraubt!

Frösche hüpften aufgeregt hin und her, quakten des Alten Namen. Einige suchten verzweifelt unter Seerosen und Schilfblättern, als hätte er sich nur versteckt, nur einen Spaß erlaubt. Eine Fröschin tastete in ihrem Unglauben gar Stück für Stück des grünen Thronsteines ab. Der Teich war erfüllt von wirrem Quaken, von herzzerreißend verzweifelten Lauten, von einem Hüpfen und Springen, einem Tauschen und Platschen, einem Hoffen und Suchen.
Doch nirgends gab es eine Spur, und allmählich lähmte Gewissheit alle Glieder: Der Storch hatte ihn geholt!

Längsam verstummte der See. Die Frösche schwiegen, erinnerten sich an den Alten, der immer Rat gewusst, immer eine weitere Geschichte gekannt hatte. "Was nun?", fragten sich einige, doch niemand wagte zu antworten.

Nacht kroch herbei, und die Frösche zogen sich in ihre Unterschlüpfe zurück, tief in dunklen Gedanken versunken, die auch der im Teich gespiegelte Schein des Sichelmondes nicht zu erhellen vermochte.

Als endlich der Morgen anbrach, begannen die Frösche lustlos ihr Tagwerk. Träge fingen sie Insekten, gedankenlos hüpften sie von Seerose zu Seerose, tauchten in die Tiefen des Wassers, um Augenblicke später unverrichteter Dinge zur Oberfläche zurückzukehren. Hin und wieder sah man einen Frosch nach oben blicken, zum Himmel, dorthin, wo der Storch, der Alte, verschwunden war, doch die Hoffnung war schmal und bar jeder Kraft.

Das Begräbnis währte Stunden. Lieder wurden gesungen, alte Geschichten erzählt, ein riesengroßer Stein in Gedenken an die Weisheit des Alten im Teich versenkt. Alle waren da, und wer fehlte, war nicht weit, hatte sich nur zurückgezogen, um in Abgeschiedenheit eigenen Gedanken zu frönen.

Es war ein Fest, ein stilles zwar, aber dennoch ein Fest, eines, das des alten Frosches würdig war, eines, wie er es selbst wohl am meisten genossen hätte. Denn als alles gegessen, vieles gesagt, einiges gesungen und sogar ein bisschen getanzt worden war, fehlte es nur noch einer kleinen Geschichte, um der Feierlichkeit einen krönenden Abschluss zu schenken.

Da raschelte es im Schilf, und panisch hüpften die Frösche durcheinander. "Der Storch! Der Storch!", quakten sie und versuchten, sich in Sicherheit zu bringen, sich unter Blättern und Steinen zu verstecken, abzutauchen oder einfach nur so stillzustehen, als wären sie Teil der Landschaft. Noch einmal raschelte es im Schilf, doch nicht der Storch war es, der plötzlich am Rand des Teiches erschien, sondern der Alte, eine weiße Feder in der Hand tragend, mit einem triumphierenden Lächeln auf den Lippen.

"Der Alte!", flüsterten ein paar Frösche erstaunt, und bald schwoll das Flüstern an zu einem vielstimmigen Rufen, zu Freudenschreien und glücklichen Jauchzern. "Der Alte! Der Alte!"

Gemächlichlich hüpfte der Alte auf seinen algengrünen Stein, blähte kurz die Backen und aller Trubel verstummte. Die Frösche, die noch immer nicht fassen konnten, was dort vor ihren Augen geschah, sammelten sich, fanden einander, kamen zur Ruhe und starrten freudig erregt auf den alten Frosch, der nun damit begann, die allseits bekannten Worte zu zu formen, jene Worte, die ein jeder Frosch, ob groß, ob klein, sich so sehr gewünscht hatte:
"Und das war so.", sprach der alte Frosch und legte die Storchenfeder beiseite.

Diesmal begann er die Geschichte sofort.
Vorsichtshalber.

Montag, 17. Mai 2010

Waldspaziergang

Ich wanderte durch den Wald und fing die letzten Sonnenstrahlen des Tages mit meinem Lächeln. Vögel zwitscherten um mich herum, und hin und wieder erfreute mich ein Specht mit hungriger Holzklopferei. 'Toi toi toi.', schmunzelte ich und bückte mich, um nach Walderdbeeren Ausschau zu halten. Plötzlich vibrierte der Boden. Altes Laub raschelte, trockene Äste suchten sich neue Stellungen, das Lärmen der Vögel setzte aus.
"Was..?, wollte ich fragen, dann sah ich es: Ein Eichhörnchen! Nur drei oder vier Meter von mir entfernt stand es auf beiden Hinterfüßen und starrte mich an. Ich starrte zurück, hatte ich doch noch nicht viele schwarze Eichhörnchen gesehen. Vor allem keine, die mehr als doppelt so groß waren wie ich.
'Ein Rieseneichhörnchen!', dachte ich.
"Ein Eichhorn!", rief ich und überlegte, ob es besser sei, reglos stehen zu bleiben oder panisch davonzueilen.
"Kein Eichhorn.", sagte da das schwarze Eichhorn, und seine Stimme klang überraschend weich. 'Als hätte man den weichen Puschelschwanz zu Tönen geformt.', dachte ich.
"Kein Eichhorn.", wiederholte das Eichhorn mit sanfter Stimme. Ein fragender Blick bemächtigte sich meiner und vertrieb auch noch das letzte Quentchen Angst.
"Ich bin ein Eichhörnchen.", meinte das Eichhorn, das anscheinend ein Eichhörnchen war.
"Aber... aber...", stotterte ich. "Du bist riesig!"
"Bin ich nicht!", antwortete das Eichhörnchen trotzig. "Ich bin ein Eichhörnchen."
"Bist du dir sicher?", zweifelte ich.
"Ja.", meinte das riesige Eichhörnchen, nickte recht putzig und ergänzte: "DAS ist ein Eichhorn!"
Es wies mit dem Puschelschwanz nach links, von wo ich ein Grollen vernahm, wie von rasch nahendem Donner.
"Mami!!", rief das schwarze Viermetereichhörnchen erfreut und sprang seiner Mutter auf die Arme.

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