Donnerstag, 27. Januar 2005

noch ein letztes

manchmal erkenne ich in meinem handeln dinge, die mich erinnern lassen, die trübes hervorkramen aus den untiefen meines geistes, aber auch schönheiten, deren glanz ich längst vergaß. zumeist genieße ich es, erfreue mich dessen, was war, sei es schmerz, sei es glück. und zuweilen eröffnen sich dadurch neue gedanken, greifen ein in die gegenwart, lenken meine schritte. ich könnte... ich sollte... wäre es nicht möglich, ...

es heißt, es wäre niemals zu spät, um verzeihung zu bitten.
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einmischen

die kombination aus gedanken in der vergangenheit und dem heutigen betrachten des wahrlich ergreifenden und wunderschönen films "die fabelhafte welt der amelie" ergab folgende frage: was passiert, wenn man sich einmischt?

ich selbst bin ein verhältnismäßig neugieriger mensch. sobald mich eine frage, ein mensch oder ein ding fesselt, vermag ich dieser/m meine volle aufmerksamkeit zu widmen, den rest der welt zu vernachlässigen, nur um ein paar mehr informationen zu ergattern. sitze ich in der straßenbahn, so neige ich nicht selten dazu, andere menschen anzustarren, sie zu beobachten, ihr verhalten zu studieren und darüber zu sinnieren: die frau dort, mit dem kleinen kind, warum redet sie so merkwürdig? hat sie getrunken oder ist sie sprachlich behindert? der mann dort, wie oft habe ich ihn schon dieselbe geschichte erzählen hören von ihm, der siebzig jahre alt ist, von seiner zehn jahre jüngeren freundin, von seinen wöchentlichen tanzvergnügungen und so weiter? was um gottes willen findet die einigermaßen attraktive, aber scheinbar ein wenig unterbelichtete junge dame mit kinderwagen an ihrem freund, einem offensichtlichen fascho-proll?

und schon geschieht es. der fascho schaut mich an, ich sehe zu spät weg. was folgt, sind böse blicke und derbe beleidigungen. ich versuche, zunächst nicht, dann in sachlichem ton darauf einzugehen, doch ernte nur erneute schimpfworte. provozierend zündet sich der aggressive junge mann die zigarette schon an, bevor die bahn an seiner haltestelle hält (welch segen für das kind!), veabschiedet danach seine freudnin mit einem kuß (wie lecker!), steigt aus und entfernt sich, jedoch nicht ohne noch einmal wütend an die scheibe zu schlagen, hinter der ich sitze. ich habe dergleichen erwartet und reagiere nicht; die reaktion seiner freundin lautet ähnlich. sie scheint es gewohnt zu sein. traurig.

ein mensch niest. mit einem echten lächeln auf den lippen (nicht eines jener falschen lächeln, die uns die printmedien immer wieder auf den lippen hochbezahlter models präsentieren, welche tatsächlich aber nichts anderes sind als ein zu einem pseudogrinsen verzerrtes antlitz) wünsche ich herzlichst "gesundheit!" - und ernte erstaunte blicke: ich habe mich eingemischt.

ich steige an einer haltestelle ein und suche einen sitzplatz. auf einem zweierplatz sehe ich eine freie sitzgelegenheit, jedoch versperrt von einer jungen dame, die sich auf den äußeren platz gesetzt und somit den weg zum anderen versperrt hat. die bahn ist rammelvoll, niemand vermag sich auch nur wenige zentimeter zu rühren - doch keiner wagt es, die junge dame zu fragen, ob sie denn beiseite rücken und den unbelegten sitzplatz freigeben würde. ich wage es aber, möchte ich doch noch ein paar minuten in einem buch schmökern. auf meine anfrage hin reagiert die junge dame nicht nur überrascht, sondern fast gereizt, als hätte sie den sitzplatz reserviert und für sich gepachtet. sie rückt beiseite, ich lasse mich nieder, sie rückt noch ein stück. meine nähe ist ihr zu nah. ich darf mich nicht einmischen, habe mich schon genug aufgedrängt.

in einer anderen situation verfüge ich über einen sitzplatz in türnähe, sehe beizeiten, daß eine ältere, des gehens nur mühsam mächtige, frau einsteigt, stehe auf und begebe mich dorthin, wo ich, ohne im weg zu sein, während der fahrt stehen kann. doch was ich ernte, ist keineswegs ein winziges lächeln oder nicken des müden hauptes, nein, mir blicken nur fragende augen entgegen, berichten von verwunderung. es war wohl nicht zu erwarten gewesen, daß ich an ihrem schicksal anteil nehme, ja vielleicht noch nicht einmal gewollt.

überall wird der versuch, menschlichkeit zu zeigen, sich einzumischen und richtungsweisend zu wirken, mit mißtrauen aufgenommen. gehe ich an erzählenden menschen vorbei und erhasche gesprächsfetzen, die ein für mich lösbares, aber von den redenden kompliziertes problem beinhalten, zögere ich nicht, meine meinung zu äußern. wird mein nachbar am bibliothekscomputer von einer fremden um eine kurze pause gebeten, damit eine kurze sache erledigt, zwischengeschoben, werden kann, zögere ich nicht, aufzustehen und meinen platz anzubieten. sehe ich bettelnde auf der straße oder alkoholisierte, die sich um einen getränkestand gruppieren, so versuche ich nicht zu vergessen oder wegzusehen, sondern frage mich betrübt, was nötig ist, um diesen menschen zu helfen. spricht mich ausnahmsweise irgendwer an, um rat fragend, hilfe ersuchend, so zögere ich nicht und tue mein möglichstes.

ich will mich nicht preisen, sondern nur unzählige beispiele dafür aufzeigen, daß stets das gleiche geschieht: menschen wollen nicht, daß sich jemand fremdes einmischt, wollen mit ihren sorgen, ihren gedanken, ihrem handeln in ihrer kleinen welt belassen werden - und bröckelt sie noch so sehr. sie wollen nicht, daß irgendwer in ihnen schwäche entdecken kann, wollen nicht fragen, geben lieber nach und weichen zurück. menschen fahren in einer kaufhalle lieber umständlich an einem im weg stehenden einkaufswagen vorbei, anstatt diesen, der ja keineswegs privateigentum darstellt, einfach ein stück beiseite zu schieben. sie dulden lieber den lärm der nachbarn im lesesaal, anstatt höflich um etwas ruhe zu bitten. sie schreiben lieber die offensichtlich falschen worte oder formeln von einer tafel ab, als den lehrenden, die autorität, die auch nur mensch ist, auf seine fehler hinzuweisen.
nicht immer, ich weiß. doch oft genug. und das macht mich traurig. insbesondere weil jeder versuch, aus diesem denken auszubrechen, im ersten moment so ungewohnt zu sein scheint, daß der betroffene zunächst einen angriff, einen eingriff in sein persönlichstes, in sein allerheiligstes, vermutet. er reagiert verletzt oder aggressiv, wendet den blick ab oder schweigt. manchmal aber lächelt er und entsinnt sich dessen, daß es auch andere gibt, und daß die anderen vielleicht in ähnlichen sorgen und nöten stecken wie er selbst. für solche augenblicke bin ich dankbar.

ich will mich einmischen, doch mich nicht aufdrängen, will mich zur verfügung stellen, doch nicht in den mittelpunkt, ich will möglichkeiten offenbaren, nicht pflichten. der unterschied ist schwer auszumachen - jedenfalls auf den ersten blick. und doch reicht es zuweilen, wenn man auf die standardisierten floskeln zur begrüßung oder zur verabschiedung verzichtet und etwas sagt, was man auch meint, was womöglich aus dem eigenen inneren kommt. es reicht oft, wenn man versucht, in anderen menschen auch solche zu sehen, nicht einfach nur randfiguren der eigenexistenz. es reicht oft, wenn man die augen öffnet und beginnt, ein oder zwei schritte weiterzudenken als nur bis zum hier und jetzt. es reicht, oft, eine frage zu stellen, wo man sich eigentlich nicht traute; einen satz zu sagen, den man längst loswerden wollte.

was passiert also, wenn man sich einmischt? ich weiß es nicht, nicht wirklich, doch freue mich über jedes zeichen von menschlichkeit, freue mich darüber, nicht als eindringling betrachtet zu werden, sondern als freundlicher, hinterfragender junger mann, freue mich, wenn reaktionen erfolgen, die nicht von mißtrauen udn verdeckter furcht treifen. und natürlich freue mich darüber, wenn sich irgendwann jemand in mein eigenes dasein einmischt...
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dankbar

da ich nicht oft daran denke, derartige worte zu formulieren, soll es nun geschehen, obgleich ich längst in den federn liegen sollte:

ich bin dankbar, am leben zu sein.
ich bin dankbar für jeden augenblick, den ich erleben darf, für jeden moment, den ich verlebe, für die schönheit meines daseins, für die schönheit der existenz an sich.
und ich bin dankbar für menschen, die mich wissen lassen, daß ich lebe, daß ich noch immer lebe...
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luftschloß

und wieder begreife ich, daß du blind bist, nicht fähig zu sehen, verstehe, daß meine illusionen mich hinforttrieben, daß ich dachte und dachte, doch niemals an ein ziel gelangte. und doch - war da nicht der moment, bevor ich ging, der augenblick, in dem eine unangenehme stille in der luft hing, als würden wir beide auf etwas warten? hätte ich einfach...? ich kann nicht, konnte nie und werde wohl auch niemals können. zu lange schon kenne ich dich, kann ich hinter deine makse blicken, zu lange, um nicht längst aufgegeben zu haben, um nicht längst erkannt zu haben, daß deine welt meine nur für momente zu berühren imstande ist, daß sie sich dreht, daß sie rotiert und nur hin und wieder, in ergreifend trüben oder außergewöhnlich seligen fetzen gefrorener zeit, innehält und das andere, das ich zu sein glaube, zu erblicken vermag. ich sollte die letzten gedanken töten, den heimlichen wunsch, der nur spinnerei ist, der keine zukunft hat, egal, welchen weg ich wählen, egal welche möglichkeit ich als die meine erachten würde. ich sollte dich sehen als wirkliches wesen, als teil meiner welt, als lichtes objekt, doch zu jedem punkt der zeit unerreichbar fern, auf anderen sphären wandelnd, auf ebenen, die zu erreichen ich nie gewillt sein werde. nicht über mir, nicht unter mir schweifst du durch die universen, sondern irgendwo, irgendwoanders, irgendwo in meiner ferne. meine worte vermögen nicht, dich zu rühren, nicht einmal dich zu erreichen, sind nur hall, leere blasen in der luft, ein schöner klang, des hintergrunds stille verdrängend. ich sollte die augen schließen und endgültig wissen, nicht länger ahnen, nicht länger mir selber in die gedanken reden, nicht länger nur fühlen, sollte erkennen, daß der berg aus möglichkeiten in jeder zukunft ein luftschloß bleiben und zerplatzen wird, sobald sich ein krümel wirklichkeit nähert. der schmerzt sitzt nicht tief, ich verliere nichts, besaß ich doch nicht einen hauch von dir. nur meine gedanken, nur mein denken, das schweigen möge, endlich schweigen...
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