Straßenbahnerlebnisse 6
Ich stieg aus.
In Indien ist es nicht üblich, den eigenen Kindern beizubringen, daß man zuerst die Leute aus der Bahn herauszulassen habe, bevor man selbst einsteigt. In Deutschland schon. Ob das gut ist oder nicht, weiß ich nicht.
Festzustellen war jedoch, daß sich, als ich versuchte, aus der Straßenbahn auszusteigen, mich mit einer vielköpfigen Menschenmasse konfrontiert sah, die in kompletter Form in die Bahn hineinzugelangen versuchte. Dabei war wichtig, dem Nebenmann keinen Zentimeter Platz zu gönnen; vielleicht wäre er sonst derjenige, der den letzten freien, guten Sitzplatz vor der eigenen Nase wegschnappte.
Die Masse drängte hinein; ich wollte hinaus, stand schon der Tür, doch gleichzeitig auch vor einem nahezu undurchdringlichen Hindernis. Der Menschenleiberpulk wurde angeführt von einer ganz in Schwarz gekleideten, beleibten jungen Dame, die ihre Handtasche wie einen Schild vor sich hielt. Auch die Handtasche war schwarz. Allerdings hatte sich der Designer der Tasche wohl gedacht, daß Schwarz allein wenig Stil mit sich bringe und etwas Buntes, Glitzerndes, Witziges, Frisches, Peppiges hinzugefügt werden müßte. Und so funkelten auf der Tasche in riesigen pinkfarbenen Glitzerbuchstaben die Worte "PINK BAG". Ich schaute hin, wunderte mich, schaute nochmal. Tatsächlich; die Tasche war noch immer schwarz, tiefschwarz, und einzig die alberne Glitzerbuchstaben verfügte über eine Pinkfärbung.
'Haha!', wollte ich denken, als die Menschenmasse über mich hereinbrach, mich überrollte, mich in die Bahn zurückdrängte, auf die freien Sitzgelegenheiten quoll, hastete, als gäbe es nichts Wichtigeres.
Ich floh, eilte durch den Wagon nach hinten, zur letzten Tür, stieg aus, frei, unbelästigt, unbehelligt, ohne Platznot, mit dem Bild einer schwarzen Handtasche im Kopf, die von sich behauptete, pink zu sein.
Mit mir zusammen stieg eine ältere Frau aus, welche die Sechzig schon überschritten hatte. Ihre letzten Worte an den gerade verabschiedeten, scheinbar befreundeten Fahrgast waren:
"Ich schreib dir ne Mail."
Verdutzt blieb ich stehen, sah der grauhaarigen Dame nach und bemerkte nicht, wie sich hinter mir die Türen schlossen und die Straßenbahn davonfuhr.
In Indien ist es nicht üblich, den eigenen Kindern beizubringen, daß man zuerst die Leute aus der Bahn herauszulassen habe, bevor man selbst einsteigt. In Deutschland schon. Ob das gut ist oder nicht, weiß ich nicht.
Festzustellen war jedoch, daß sich, als ich versuchte, aus der Straßenbahn auszusteigen, mich mit einer vielköpfigen Menschenmasse konfrontiert sah, die in kompletter Form in die Bahn hineinzugelangen versuchte. Dabei war wichtig, dem Nebenmann keinen Zentimeter Platz zu gönnen; vielleicht wäre er sonst derjenige, der den letzten freien, guten Sitzplatz vor der eigenen Nase wegschnappte.
Die Masse drängte hinein; ich wollte hinaus, stand schon der Tür, doch gleichzeitig auch vor einem nahezu undurchdringlichen Hindernis. Der Menschenleiberpulk wurde angeführt von einer ganz in Schwarz gekleideten, beleibten jungen Dame, die ihre Handtasche wie einen Schild vor sich hielt. Auch die Handtasche war schwarz. Allerdings hatte sich der Designer der Tasche wohl gedacht, daß Schwarz allein wenig Stil mit sich bringe und etwas Buntes, Glitzerndes, Witziges, Frisches, Peppiges hinzugefügt werden müßte. Und so funkelten auf der Tasche in riesigen pinkfarbenen Glitzerbuchstaben die Worte "PINK BAG". Ich schaute hin, wunderte mich, schaute nochmal. Tatsächlich; die Tasche war noch immer schwarz, tiefschwarz, und einzig die alberne Glitzerbuchstaben verfügte über eine Pinkfärbung.
'Haha!', wollte ich denken, als die Menschenmasse über mich hereinbrach, mich überrollte, mich in die Bahn zurückdrängte, auf die freien Sitzgelegenheiten quoll, hastete, als gäbe es nichts Wichtigeres.
Ich floh, eilte durch den Wagon nach hinten, zur letzten Tür, stieg aus, frei, unbelästigt, unbehelligt, ohne Platznot, mit dem Bild einer schwarzen Handtasche im Kopf, die von sich behauptete, pink zu sein.
Mit mir zusammen stieg eine ältere Frau aus, welche die Sechzig schon überschritten hatte. Ihre letzten Worte an den gerade verabschiedeten, scheinbar befreundeten Fahrgast waren:
"Ich schreib dir ne Mail."
Verdutzt blieb ich stehen, sah der grauhaarigen Dame nach und bemerkte nicht, wie sich hinter mir die Türen schlossen und die Straßenbahn davonfuhr.
morast - 27. Apr, 20:00 - Rubrik: Bahnbegegnungen
4 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks
Freidenkeralarm - 27. Apr, 21:45
Meine Vermutung ist, dass die Tasche schizophren ist. Oder sie hat irgendwelche Neurosen. Sie wäre wohl gerne pink gewesen, aber das kann man sich als Tasche ja auch nicht aussuchen. Als Mensch kennt man so was ja auch. Z.B. kann man ja auch nix dafür, wenn man lange Haare hat...
morast - 28. Apr, 08:40
Mhh.. Eine Tasche mit Eigenleben, mit eigenen Gedanken?
Das könnte sein. Da wäre der nächste Schritt vermutlich festzustellen, daß die Tasche nicht "pink" sein wollte, sondern "Pink", ein einigermaßen anerkannter Musikstar.
Und auch das kennt man ja von uns Menschen. Da rennt man zu Nena- und Wolle-Petry-Ähnlichkeitwettbewerben oder läßt sich sein Gesicht so zurechtschnitzen wie das von Christina Spears. Letztlich sieht man aber aus wie Udo Lindenberg und muß, um die eigentlich beabsichtigte "Ähnlichkeit" überzeugend rüberzubringen, ein Shirt tragen mit der Aufschrift: "Ich bins, eure Christina Spears." Oder so.
Solch ein Shirt erinnert mich übrigens an welche, auf denen so etwas wie "Sexy Babe" steht, was mich jedesmal zu der verwunderten Frage verleitet, ob sexy Babes es wirklich notwendig haben, derart billig darauf hinzuweisen...
P.S.: Schön, daß du dich hier angemeldet hast...
Das könnte sein. Da wäre der nächste Schritt vermutlich festzustellen, daß die Tasche nicht "pink" sein wollte, sondern "Pink", ein einigermaßen anerkannter Musikstar.
Und auch das kennt man ja von uns Menschen. Da rennt man zu Nena- und Wolle-Petry-Ähnlichkeitwettbewerben oder läßt sich sein Gesicht so zurechtschnitzen wie das von Christina Spears. Letztlich sieht man aber aus wie Udo Lindenberg und muß, um die eigentlich beabsichtigte "Ähnlichkeit" überzeugend rüberzubringen, ein Shirt tragen mit der Aufschrift: "Ich bins, eure Christina Spears." Oder so.
Solch ein Shirt erinnert mich übrigens an welche, auf denen so etwas wie "Sexy Babe" steht, was mich jedesmal zu der verwunderten Frage verleitet, ob sexy Babes es wirklich notwendig haben, derart billig darauf hinzuweisen...
P.S.: Schön, daß du dich hier angemeldet hast...
Freidenkeralarm - 28. Apr, 20:22
Ich bin auch ein wenig stolz, dass ich es geschafft habe, mich hier anzumelden. Es ist ganz schön hier. Nur leider seh ich deinen Kommentar nicht, dem ich jetzt antworte. Das hätte man weniger provokant lösen können.
Das mit den T-Shirt-Aufdrücken ist wirklich ein wenig bizarr. Ich hab Wesen gesehn, mit "Sexy Babe" auf ihrem T-Shirt, die konsequenterweise den Aufdruck "Qualle" hätten tragen müssen...
Das mit den T-Shirt-Aufdrücken ist wirklich ein wenig bizarr. Ich hab Wesen gesehn, mit "Sexy Babe" auf ihrem T-Shirt, die konsequenterweise den Aufdruck "Qualle" hätten tragen müssen...
morast - 28. Apr, 20:26
Das mit dem Kommentieren des Kommentars fiel mir auch schon unangenehm auf. Immerhin hat der twodayBlog-Betreiber (also ich) die Möglichkeit, auf Kommentare von anderen (also von dir) zu "antworten", was ein Betrachten des beantworteten Kommentars mit einschließt.
Ansonsten sei erwähnt, daß es bestimmt eine Möglichkeit gibt, deine Weblog-Url in dein twoday-Profil einzufügen, so daß meiner Faulheit Genüge getan werden kann...
P.S.: Nichts gegen Quallen!
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