Mittwoch, 25. Mai 2005

Eisbecher, Shoppingcenter und Männerecken

Heute war ich mit C shoppen.

"Shoppen" ist ein eindeutig feminin geprägter Begriff, befürchte ich. Wenn ich das Wort benutzte, veralbere ich mich gern selber damit und beziehe mich meistens auf den Einkauf von Lebensmitteln. Shoppen im Sinne eines ausschweifenden Besuchs sämtlicher zur Verfügung stehender Läden mit dem Ziel, gefallende Dinge nach Belieben anzuprobieren oder zu kaufen [oder beides], gehört normalerweise nicht zu meinem ritualisierten Gehabe.

Eigentlich waren wir auch Eis essen. Im "Palazzo", einer durchaus erwähnenswert guten Lokalität Magdeburgs, die ich für Eisverzehrzwecke immer wieder gern in Betracht ziehe. Ich gönnte mir ein wahrlich deliziöses Joghurt-Bananen-Eis; C erwählte einen Cherry[/Sherry?]-Eisbecher.

"Bin ich komisch?", fragte sie mich.
"Ja.", antwortete ich, denn jeder Mensch, den ich besser kenne, hat seine Eigenarten. Es ist normal, komisch zu sein.
Sie jedoch ließ nicht locker, glaubte in den Augen anderer abschreckend-befremdlich zu wirken.
Ich redete dagegen an.

Irgendwann waren die Eisbecher geleert.
"Ich brauche noch ein helles Shirt.", meinte C.
"Ich brauche noch Brötchen.", meinte ich.
Wir begaben uns in ein Hier-Finden-Sie-Alles-Einkaufscenter, von denen es hier nur so wimmelte. City Carré. Ulrichshaus. Allee-Center.
Wir begaben uns in ein Kleidungsfachgeschäft für junge Frauen, von denen es hier nur so wimmelte. H&M. New Yorker. Pimkie.

Ich erwog, den allgemeinen Antrag zu stellen, daß in Läden wie diesen "Männerecken" eingerichtet werden sollten.
H&M Magdeburg beispielsweise umfaßt zwei Etagen. In einem Drittel der oberen Etage findet man Herrenbekleidung. Der Rest ist für die Frau gedacht. Ebenso wie Läden, die sich Pimkie oder Orsay nennen.
Wie schön wäre es doch, wenn frau [Ja, ich verwende das Wort "frau" absichtlich, um meine Abscheu ihm gegenüber zu verdeutlichen.] ihre männliche Begleitung einfach abgeben könnte. Mit Kindern geht das doch auch. Diese werden in eine Spielecke verfrachtet und vergnügen sich dann solange, bis Mami vom Einkauf zurückkehrt.

"Achtung! Achtung! Ein Durchsage. Der attraktive Peter möchte von seiner Freundin aus der Männerecke abgeholt werden."

Ich weiß nicht genau, was ich mir unter einer Männerecke vorstelle. Wichtig ist, daß die männlichen Wesen dadurch davon abgehalten werden, im Gang des Frauenbekleidungsfachgeschäfts herumzustehen und eingeschüchtert zwischen Push-Up-BHs und geblümten Sommerkleidchen darauf zu warten, daß die Freundin/Frau fragt:
"Und? Meinst du, mir steht das? Soll ich das mal anprobieren?"

Einem typischen Klischee folgend gäbe es in der Mänerecke einen Getränkeautomaten mit genügend großem Bierangbeot und einen Fernseher mit entsprechendem Sportprogramm.
Das kann ich natürlich nicht gutheißen.
Schließlich müßten die Frauen dann mittels Kleingeldzuteilung den Bierkonsum in der Männerecke beschränken. Auch wäre es dann nötig, eine Aufsicht einzustellen, die darüber wacht, daß die sich Herren unter ihresgleichen nicht rüpelhaft oder gar primatenartig aufführen.

Für mich darf die Männerecke auch neutral gehalten werden. Sowohl, was die Farbe als auch was das Interieur anbelangt. Von mir aus soll es Sport- und Autozeitschriften geben, vielleicht auch irgendwelche reich bebilderten Nacktfrauenheftchen. Das sei mir egal. Das Wichtigste ist, daß ich nicht mit albernen Fragen überhäuft werde, nicht inmitten überbunter, erstaunlich stoffarmer, dafür jedoch wenig preiswerter Frauenklamotten herumstehe und mich überflüssig fühle.
Mir reicht ein Sitzplatz und ein gutes Buch. Oder ein Micky-Maus-Heft. Ich bin da nicht sehr anspruchsvoll.

Zu teuer. Schlechter Stoff. Häßlich.
C klapperte alle verfügbaren Läden ab, wurde aber nicht fündig. Enttäuscht und wenig motiviert wendete sie sich bereits dem Einkaufcenterausgang zu.

"Und was ist mit Orsay?", fragte ich fachkundig.
"Ach ja.", antwortete sie und stürmte schon in Richtung des Ladens.

'Und wieder fehlt die Männerecke.', stellte ich fest und setzte mich auf einen rosafarbenen Stuhl, der der Form des menschlichen Hinterns angepaßt war. C durchstreifte suchend den gesamten Laden. Irgendwo mußte es doch etwas Weißes, Schlichte, Preiswertes geben.
Letztendlich wurde sie fündig, verschwand in der Umkleidekabine.

Ich atmete auf. Vielleicht trennte mich nur noch eine Frage vom rettenden Ausgang.
"Und? Wie findest du's?"
C stand vor der Umkleidekabine und präsentierte das erwählte Oberteil.

"Schlicht, aber schick.", meinte ich.
Sie beschaute sich noch einmal im Spiegel, gab mir dann recht, zog sich wieder um und reihte sich in die Kassenschlange ein.
"Erstaunlich.", stellte ich fest. "Das Shirt kostet genausoviel wie dein Eisbecher."
C lachte.
"Die haben die Preise bestimmt aufeinander abgestimmt.", mutmaßte ich verwegen auf dem Weg zum Ladenausgang.

Eine geistig abwesende Bäckersfrau verkaufte mir noch ein paar Brötchen, und wir verließen das Einkaufscenter.
'Geschafft!', dachte ich glücklich.
Die Sonne schien, das Eis war lecker gewesen, das Shirt entsprach Cs Ansprüchen und sämtliche Läden lagen hinter mir. Erleichtert atmete ich auf.

Plötzlich blieb C stehen und schaute mich an.
"Bin ich eigentlich zu dick?"

Nicht normal

Als ich heute über den Campus lief, wurde ich angesprochen.

Im Nachhinein verwunderte mich das; schließlich hatte ich mir die Ohren mit Krach verstöpselt, den Blick starr auf den Boden gerichtet. Mir hingen Haare wild ins Gesicht, und mein Äußeres war nicht darauf ausgelegt, freundlich und zuvorkommend zu wirken. Auf meiner Stirn prangte eine tiefe Runzelfalte, die meiner derzeitigen, unfröhlichen Stimmungslage Audruck verlieh.

Das Mädchen, die junge Frau, rannte mir in den Weg, sprach mich an, obgleich ich sie noch gar nicht vernehmen konnte, stellte sich vor mich und redete. Ich zog die Kopfhörer aus dem Ohr, schaute sie fragend an.
Sie stammte aus der Türkei, vielleicht auch aus dem Iran. Genau vermochte ich das nicht zu sagen.

"Entschuldigung.", wiederholte sie sich, "Wo ist denn hier eine Fachhochschule?"

Ich überlegte kurz und begann dann zu erklären. Ich teilte ihr mit, daß sie hier falsch sei, wo sie hinmüßte, welche Straßenbahn zu nehmen sei, versuchte auch, die Entfernung abzuschätzen, die ungefähre Fahrtzeit.
Doch sie hörte mir nicht zu, schaute desinteressiert in der Gegend rum.

Ohne auf meine Antwort einzugehen, stellte sie eine weitere Frage.
"Hast du vielleicht zwei Minuten Zeit?"
Wieder schaute ich sie fragend an.
"Dann könnten wir uns irgendwohin setzen und reden. Über meine zwei Kinder."

Über ihre Kinder? Bitte was?
Sollte ich auf sie aufpassen? Sollte ich sie kaufen? Sollte ich sie überhaupt erst zeugen?

"Nein.", antwortete ich mit Bestimmtheit.

Meine Mutter unterstellte mir einst eine Sprachkrankheit: Ich könne nicht 'Nein' sagen, wenn jemand etwas von mir wünschte. Doch diesmal konnte icn, denn das Ganze schien auf irgendeine Art von Bettelei hinauszulaufen. Und mit der Fachhochschule hatte es bestimmt nichts zu tun.

"Warum nicht?", fragte sie fordernd, unwillig, mein 'Nein' zu akzeptieren.
"Weil du mich hier anbettelst. Und das mag ich nicht."

Sie war empört, entrüstet.
"Wie kommst du jetzt auf anbetteln?!"

Ich wollte etwas erwidern, doch sie war schneller, musterte mich abschätzend von oben nach unten und meinte:
"Du bist nicht normal."
Dann eilte sie von mir fort.

Gesprächsfetzen 3

"Das ist ein positiver Teufelskreis, quasi ein Engelskreis."

Menschen 13

Der Krach in meinen Ohren degradiert die Welt zum Stummfilm. Menschenlippen formen Laute, die mich nicht erreichen. Ich sehe das falsche Lächeln einer Großmutter als Antwort auf das Gestammel ihres Enkelkindes. Es taucht auf, huscht über ihr Antlitz und verschwindet wieder hinter einer faltigen Steinmiene.

Mir gegenüber sitzen zwei ältere Frauen. Ein Fahrkartenkontrolleur kommt vorbei, besieht sich die Tickets, zieht seines Weges. Die linke der beiden schmunzelt verschmitzt. Allein ihr Mund sagt mir, daß ihr Ticket nicht gültig war, ja, daß sie stolz darauf ist, betrogen zu haben.

Die Blicke ihrer Freundin werden derweil von dem Mann neben mir, beziehungsweise von dessen Hund, angezogen. Es ist ein riesiges, dickes, aber schönes Tier, das zum Streicheln einzuladen scheint. Die ältere Dame ist verzückt. Ihre Mundwinkel gleiten nach oben, und ihre Augen leuchten. Würde sie reden, wären ihre Worte niemals so intensiv, so hingerissen wie der Ausdruck auf ihrem Gesicht.

Schräg gegenüber sitzt eine junge Frau, Anfang zwanzig vielleicht. Sie redet mit ihrem Begleiter. Sie hat geweint oder setzt gerade an, Tränen zu vergießen. Ich starre sie an, empfinde Mitleid, würde gern erfahren, was der Grund für ihre Trauer ist. Sie wird sich meines Blickes bewußt und schaut zurück. Ihre Gesichtszüge glätten sich.

Sie hat nicht geweint, wollte vermutlich noch nicht einmal weinen, hat nur so ausgesehen, als wäre sie den Tränen nah, war schlichtweg in ihre Rede vertieft.

'Erstaunlich, daß ich mich so sehr täuschte.", wundere ich mich und beobachte erfreut, wie sie zu lächeln beginnt.

Der morgendliche Wurm im Ohr 25

'Guten Morgen!', denke ich mir ironisch, als ich mich die dröhnende Bohrmaschine der Bauarbeiter aus dem Schlaf reißt. In kurzen Intervallen, vielleicht jeweils fünf Sekunden lang, von einer etwa ebenso langen Pause unterbrochen, frißt sich der rotierende Stahl in die Wand, läßt das ganze Haus zittern, wirft den Motorenlärm auf den Innenhof, wo er unzählige Male reflektiert und verstärkt wird.

Ich quäle mich aus dem Bett. Der Wecker schläft noch. Er hat noch eine halbe Stunde Zeit, bevor er seinen Dienst verrichten muß. Unter der Dusche entdecke ich meinen heutigen Ohrwurm:
Howard Carpendale mit "Hello Again".
Na klasse. Der Tag zeigt sich bereits in seinem schönstem Kleid.

In der Küche finde ich den selbstgebackenen Kuchen vom gestrigen Tage. 'Lecker', freue ich mich und sehe einen Lichtstreif am Horizont.
Doch ich habe noch nicht einmal die Küche verlassen, als der Teller in meiner Hand an einer Stuhllehne hängenbleibt und seinen Inhalt auf dem nicht unbedingt reinlichen Küchenboden verteilt.

'Och nö.'
Ich bereinige den Boden vom Kuchenmatsch, nehme mir ein neues Stück und begebe mich - vorsichtig - in mein Zimmer, wo versuche, die bessere Aufenthaltsort-Alternative herauszufinden:
Die Universitätsbibliothek, in deren unmittelbarer Umgebung derzeit gebaut und gebohrt wird, - oder die heimischen Räumlichkeiten, die ebenso mit unerträglichem Baulärm überschattet werden.

'Mist.', denke ich und versuche, mit lautem Metal zumindest den Ohrwurm aus meinem Schädel zu tilgen.

[Im Hintergrund: Ensiferum - "Iron"]

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