Bahnbegegnungen

Montag, 9. Juni 2008

Defekt IV

Es ist durchaus erschreckend: Ich bin es mittlerweile gewöhnt und erachte es für wenig außergewöhnlich, an Telefonhotlines mit einem sich nur undeutlich artikulierenden Gesprächspartner verbunden zu werden. Ich bin es gewöhnt, unfreundlich behandelt, abgefertigt, zu werden und zurückzubleiben mit dem Gefühl, an meiner Misere selbst Schuld gewesen zu sein. Ich bin es gewöhnt, nach unsummigen Telefonaten aufzulegen und festzustellen, dass diese rein gar nichts erwirkt haben.

Umso mehr überraschte es mich heute morgen, als ich bei meiner Hallenser Sparkassenfilile anrief und nach angenehmer Coldplay-"Clocks"-Wartschleifenmusik erstaunlich rasch eine nicht nur gut verständliche, sondern auch zuvorkommende und hilfreiche Mitarbeiterin vernahm, die mich sogleich an einen Mitarbeiter weiterleitete, der imstande wäre, meinen Fall zu bearbeiten. Erneut kamen in mir Zweifel an der Telefonverbindung, als die Wartschleifenmusik durch Warteschleifenstille ersetzt wurde, doch dann knackte es leise, und eine männliche Stimme nahm sich meiner Sorgen an: Ich hatte unlängst meine EC-Karte sperren müssen, weil diese in einem Fahrkartenautomaten hängengeblieben war. Doch nun, nach ein paar Mühen hatte ich die Karte zurückerhalten und wünschte nun, dass sie wieder entsperrt werde. Leider würde sich das als schwierig erweisen, weil ich - im Gegensatz zum Konto - nicht in Halle sei.

Und nun begann die Fragerei. In rascher Abfolge nannte ich dem Sparkassenmitarbeiter allerhand persönliche Daten, darunter Konto- und Personalausweisnummer, die nicht zuletzt dafür gedacht waren, mein Ichsein zu bestätigen. Und kaum hatte ich die letzte Information gegeben, wurde mir schon ein Erfolg gemeldet. Die Karte sei nun entsperrt, vernahm ich, und ich war verblüfft. So einfach kann es manchmal gehen, dachte ich, freute mich wie ein norwegisches Stachelkänguruh, bedankte mich und legte auf. Dann erst wunderte ich mich:

Sicherlich, meine EC-Karte war nicht gestohlen worden; nur ein funktionsverweigernder Automat hatte sie verschluckt. Sicherlich, ich hielt die Karte in meinen Händen, und sie konnte kaum mehr missbraucht werden. Sicherlich, ich hatte allen Grund zur Freude. Doch war die Entsperrung nicht zu einfach gewesen? Denn was, fragte ich mich, wäre denn geschehen, wenn ich nicht ich, sondern ein heimtückischer, höhnisch grinsender Dieb gewesen wäre und zuvor ein Portemonaie mitsamt zahlreicher ausweisiger Inhalte geraubt hätte? Wenn ich nun versuchen würde, die Karte zu entsperren, indem ich eine Lügengeschichte auftischte und diese mit der in den Geldbörse gefundenen persönlichen Daten untermalte? Welche Informationen, die der Sparkassenmitarbeiter von mir wünschte, wären denn nicht aus meinen Ausweisen erfahrbar gewesen?

Rasch beschloss ich, diesen unangenehmen Gedanken zu verdrängen und den Hilfreichtum und die Freundlichkeit Hallenser Sparkassenfilialangestellter und meine erneut funktionstüchtige EC-Karte zu lobpreisen und anschließend eine weitere Mail an die Deutsche Bahn zu verfassen, um höflich, aber bestimmt darauf hinzuweisen, dass ich meine umfangreichen und unfreiwilllig angehäuften Störstellentelefonkosten noch immer ersetzt zu werden wünschen.

Die ganze Geschichte: Teil I, Teil II, Teil III, Teil V

Donnerstag, 5. Juni 2008

Defekt III

Auf die Idee, die Wahlwiederholungsfunktion meines Mobiltelefons zu benutzen, um die Fahrkartenautomatenstörstellentelefonnummer herauszubekommen, war ich natürlich nicht gekommen. Derartiger Eigeniditiotie sollte eigentlich zumindest eine in ein Klatschgeräusch mündende Hand-zu-Stirn-Bewegung innewohnen, doch bin ich zufrieden genug, um das zu unterlassen. Schließlich habe ich meine EC-Karte wieder.

Am gestrigen Vormittag erhielt ich einen Anruf. Erstaunlicherweise aus Halle und nicht aus Magdeburg, wo ich meine Karte "verloren" hatte. Ein Mann teilte mir mit, dass die EC-Karte gesichert sei und dass er sie per Post schicken, aber - wenn es mir keine Umstände mache - auch direkt im Magdeburger Hauptbahnhof abgeben könne. Am selben Tag.

Begeistert willigte ich ein und erfuhr, dass die Karte gegen 18 Uhr an einem bestimmten Schalter ausliegen würde. Gegen 18.05 Uhr erhielt ich einen weiteren Anruf, diesmal aus Magdeburg. Meine EC-Karte wäre eingetroffen, und wenn ich sie noch heute abholen wolle, müsste ich mich bis 19.30 Uhr an demunddem Schalter [ein anderer als der von dem Hallenser Anrufer erwähnte] einfinden.

Ich fand. Kurz nach 19 Uhr steltte ich mich frohen Mutes in die Reihe der an den Schaltern Wartenden. Ich hatte zunächst überlegt, einfach zum richtigen Schalter zu gehen und meine Karte einzufordern, doch sobald ich die ersten Schritte in Schalterrichtung getan hatte, erntete ich böse Blicke vom Kopf der Menschenschlange. Ich wolle mich wohl vordrängeln, sagten diese Blicke, ich möge mich gefälligst hinten anstellen wie alle anderen auch.

Ich stellte, und als ich an der Reihe war, zu einem Schalter vorgelassen zu werden, gab ich sogar den hinter mir Wartenden Vorrang. Schließlich war mein Schalter noch besetzt.

Die Aushändigung der Karte erfolgte umstandslos. Ich unterschrieb einen kopierten Zettel, auf dem unter anderem vermerkt worden war, dass ich am Vortag bezüglich des EC-Karten-Verbleibs nachgefragt hatte und dass ich die Karte nun erhalten hatte, bedankte mich und wurde entlassen.

"Eine Frage habe ich noch.", meinte ich rasch. Die Bahnbeamte schaute mich an, als erwartete sie Schlimmstes. "Das Telefonat mit der Automatenstörstelle hat mich knapp 10 Euro gekostet. Kann ich das Geld irgendwo wieder einfordern?" Die Schalterfrau war ratlos, und offensichtlich wollte sie auch Feierabend machen.
"Sie werden verstehen:", ergänzte ich. "Wenn ich da jetzt nochmal anrufe, kostet es mich wiederum haufenweise Geld."
Sie kramte kurz und gab mir dann eine Visitenkarte. Eine Nummer für Beschwerden und dergleichen. 14 Cent pro Minute. Super.

Ich rief die Nummer nicht an. Statt dessen nutzte ich ein auf der Bahnseite angebotenes Kontaktformular. Zwar zweifle ich daran, dass meine Eingabe rasch Empfänger und Lösung finden wird, doch fröne einem gewissen Optimismus. Immerhin hat ich diese Mail keine zusätzlichen Kosten verursacht.

Schwierigkeiten ergaben sich jedoch mit meiner Bank. Die Kartenentsperrung bedarf eines persönlichen Erscheinens inklusive Personalausweis- und Kartenvorzeigerei. Dies ist, da die Bankfiliale in Halle liegt, ich aber in Magdebuger verweile, ungünstig und benötigt eine sinnvolle Lösung, die es noch zu finden gilt. Ich warte auf einen Anruf aus der Filiale.

Immerhin: Alle Telefonmitarbeiterinnen der Bank waren durchweg freundlich und imstande, meine Fragen zu beantworten bzw mich an die richtigen Stellen weiterzuleiten. Als erstaunlich erwies sich nur, dass ich nach einer solchen Weiterleitung plötzlich nur leises Rauschen vernahm, also Telefonstille, und begann, an der Verbindung zu zweifeln und die eigentlich nervige Wartemusikdüdelei zu vermissen.

Vielleicht ist doch nicht alles Schlechte schlecht.

Die ganze Geschichte: Teil I, Teil II, Teil IV, Teil V

Dienstag, 3. Juni 2008

Defekt II

Ungeachtet meiner Ermahnungen mir selbst gegenüber, den Zettel, auf dem ich die Bearbeitungsnummer meines EC-Karten-Verschwindens vom Freitag notiert hatte, nicht zu verlegen, vergaß ich ihn in Halle. Schließlich handelte es bei dem Zettel nicht um einen solchen, sondern um die erste Seite des Romans "Carrie" von Stephen King, den ich bis vor kurzem noch las und dann aus Belastungsgründen in der Wohnung meiner Mutter zurückließ.

Kein Problem, dachte ich, als ich meine Vergesslichkeit bemerkte, wenn die EC-Karte am Montag im Briefkasten liegen würde, wäre die Bearbeitungsnummer unnütz geworden - außer natürlich, wenn ich mir die acht Euro Telefonkosten wiederholen wollte. Doch der Briefkasten hielt weder am gestrigen Montag noch heute irgendetwas für mich bereit, uns so belästigte ich meine Mutter telefonisch mit der Frage nach der erwähnten Bearbeitungsnummer.

In dem Augenblick, da ich sie mir notiert hatte, wurde mir klar, dass ich keine Ahnung hatte, wo ich denn nun anrufen müsste. Sicherlich, bei der Deutschen Bahn, doch die Nummer vom Fahrkartenautomatennotfalldienst hatte ich mir in all dem Wirrwarr nicht notiert, und nun saß ich zu Hause fernab jenes Automaten, auf den die Notfallnummer aufgebracht worden war. Das allmächtige Internet kann bestimmt helfen, dachte ich sogleich und begab mich auf die Bahn-Seite, wo ich erstaunlich rasch mehrere Kontaktnummern fand, die allesamt äußerst kostenpflichtig waren.

Natürlich entdeckte ich keine Nummer, die meinen Problemfall betraf, oder irgendeine, die etwas mit Verlusten oder Fahrkartenautomatenproblemen zu tun hatte. Also rief ich zunächst die allgemeine Nummer an, die sich zwar vorrangig mit sogenanntem Reise-Service beschäftigte, aber vielleicht imstande wäre, mich irgendwie weiterzuvermitteln. Ich wurde tatsächlich weitervermittelt, aber leider ins Reiseservice-Nirgendwo, wo ein Österreicher mir kaum verständlich Vorhaltungen machte, warum ich ausgerechnet ihn anriefe, woher er jetzt bitte schön die richtige Nummer haben soll und vor allem warum ich mir damals nicht die Fahrkartenautomatenstörservicenummer notiert hatte.

Gerne hätte ich ihm mit semifreundlichen, aber bestimmten Worten erläutert, dass ich zu diesem Zeitpunkt nicht eben wenig genervt und mit wesentlich Bedeutsamerem beschäftigt gewesen war, als mich daran zu erinnern, die alberne Telefonnummer zu notieren, doch ließ ich es bleiben, verschabschiedete mich rasch und legte auf. Schließlich bezahlte ich gerade gefühlte Tausendmillionen Euro pro Sekunde.

[Zur Verteidigung der Bahn sei zwischenbemerkt, dass nicht die Warterei, sondern nur das eigentliche Telefonat kostenpflichtig war und dass auch nach der Weitervermittlung die Kosten angesagt wurden. ]

Ich richtete mich darauf ein, am nächsten Tag den Fahrkartenautomaten zu besuchen und die Nummer abzuschreiben, da fiel mein Blick auf eine Servicenummer für BahnCard-Inhaber, bei der man nicht nur BahnCard-bezogene Sorgen äußern konnte. Und obgleich meine Telefonrechnung mich bettelnd ansah, sie zu verschonen, rief ich an.

Eine erstaunlich freundliche junge Dame nahm ab, und ich fasste meine Problematik kurz zusammen. Ob sie mir weiterhelfen könne, fragte ich vorsichtig. Sie konnte, denn wenige Sekunden später hatte sie mir eine Fahrkartenautomatenservicenummer herausgesucht. Sie konnte nicht garantieren, dass dies die richtige sei, doch glaubte es. Ich war angenehm verblüfft und wählte die soeben erhaltene Nummer.

Schon die dämliche Wartemelodie ließ mich erkennen, dass ich an der richtigen Stelle gelandet war. Ebenso die nicht minder dämliche Stimme, die meinte, dass "noch immer" keine Mitarbeiter frei seien. Ich wartete.

Als sich endlich jemand meldete, ahnte ich Schlimmes. Der Mann am anderen Ende nuschelte. Extram. Ihm zuzuhören bedeutete, das Gesprochene aufzunehmen, zu verarbeiten und dann erst verstehen zu können. Ich seufzte innerlich, schilderte meine Sorgen, gab die Bearbeitungsnummer - und erwirkte nichts.

Ich solle am nächsten Tag noch einmal anrufen. Zu einer Zeit, wo die Servicehotlinemitarbeiter sich mit den Technikern und deren Mitarbeitern in Verbindung setzen konnten, um herauszufinden, ob meine EC-Karte bereits verschickt wurde oder nicht. Im Augenblick könne er nichts tun.

Wozu hast du dann erst die Bearbeitungsnummer erfragt?, wollte ich schreien. Wozu gibt es eure dämliche Hotline überhaupt, wenn das einzige, was ihr tut, darin zu bestehen scheint, die Abwesenheit von Technikern kundzutun und Bearbeitungsnummern zu vergeben? Wie oft soll ich diese beschissen-teure Hotline noch anrufen, verdammtnochmal?

Wortlos legte ich auf, wissend, keinen Schritt vorangekommen zu sein und meine 8-Euro-Telefonrechnung beträchtlich erweitert zu haben.

Die ganze Geschichte: Teil I, Teil III, Teil IV, Teil V

Samstag, 31. Mai 2008

Defekt

Es liegt nicht unbedingt in meiner Natur, es eilig zu haben oder störrisch-langsamen Automaten meine Ungeduld durch verzweifeltes Stöhnen verständlich zu machen, doch da ich wie immer erst auf den letzten Drücker losgeradelt war und mein Zug in zwei Minuten abfahren würde, raubte mir die provozierende Langsamkeit des Fahrkartenautomaten den letzten Nerv.
Geduldig stand mein Rad neben mir in der Bahnhofshalle, während mir der Tastbildschirm wieder und wieder sich füllende, rote Ladebalken zeigte, die nach Befüllungsvollendung erneut mit ihrem dämlichen Spiel begannen. Und dabei brauchte ich doch nur ein simples Regionalbahnticket, eines, das ich mir vermutlich sogar sparen könnte, wäre ich nicht der Ehrlichkeit anheim gefallen.

Endlich verlangte der Automat meine EC-Karte. Einen Moment lang zögerte ich noch, da auch die Option des Bar-Zahlens bestand, dann schob ich die Karte in den Schlitz - genauso wie ich es bei unzähligen anderen Modellen bereits getan hatte. Eine geraume Weile geschah gar nichts. Dann meldete der Bildschirm einen Fehler. Nun ja, nicht wirklich. Mir wurde nur mitgteilt, dass meine Karte womöglich falsch herum im Schlitz stecke und dass ich entweder abbrechen oder die Karte richtig herum drehen solle. Ebenfalls wurde mir die Bargeld-Option angeboten, was merkwürdig war, weil die beiden Schriftzüge einander partiell überdeckten und zudem der Münzeinwurfschlitz nicht freigegeben worden war.

Eine Abbruchmöglichkeit gab es nicht. Der Tastbildschirm, der sonst die zu drückenden Buttons anzeigte und auf unsensible Berührungen reagierte, bot mir nun nur zwei Schriftzüge [immerhin: passend zur Deutschen Bahn], das Datum und die Uhrzeit an. Mein Zug war bereits abgefahren.

Der Automat weigerte sich beharrlich, meine EC-Karte auszuspucken. Störrisch verwies er auf meinen Fehler und darauf, dass sie vielleicht in anderer Position lesbarer wäre - doch bot er mir keine Möglichkeit, eine andere Posiiton zu erwirken. Wild und wahllos drückte ich auf dem Bildschirm herum. Vielleicht erwischte ich ja tatsächlich irgendeine verborgene Abbruchstaste oder konnte gar den begonnenen Fahrkartenkauf beenden. Doch nichts geschah.

Die einzig sichtbaren Tasten waren die der PIN-Eingabe, und obgleich ich ahnte, dass es nutzlos sein würde, drückte ich jede einzelne Taste - kraftvoll und mehrmals. Nichts geschah.

Der hinter mir Wartende verzog sich, und ich rief die Nummer der Automatenstörstelle an, die freundlicherweise angegeben war. Ich hatte keine Ahnung, ob der Anruf kostenfrei war, doch ging optimistisch davon aus. Ebenso optimistisch war ich bereit zu glauben, dass der Automat sich vielleicht mit einem ferngestuerten Reset zur Kartenfreigabe bewegen lassen könnte.

Doch zunächst vernahm ich nur Gedudel und die wiederholte Bandansage, die darauf verwies, dass im Augenblick alle Mitarbeiter beschäftigt seien und dass ich mich in Geduld üben solle. Ich übte, und nach einer Weile ging tatsächlich eine gutgelaunte Frau an den Apparat und nahm meine Daten auf. Name, Telefonnummer, Adresse. Dann erst durfte ich mein Problem schildern.

Die Frau schien nur partiell zu verstehen und ganz gewiss war sie nicht imstande, mir weiterzuhelfen, denn immer wieder überraschte sie mich mit nutzlosen Ratschlägen. Ob ich nicht die Abbrechen-Taste drücken könne [die nicht vorhanden war]. Ob ich nicht so tun könne, als würde ich noch einmal neu beginnen, den Automat zu benutzen [Konnte ich nicht, da der Bildschirm nur Nonsens anzeigte.]. Ob ich nicht einmal gegen den Automaten hauen könne. Ich schlug zu und am anderen Ende der Leitung erklang ein überraschtes Lachen, das sich wohl auf die vermeintlich immense, aber dennoch ergbnislose Wucht meines Schlages bezog.

Andere Ratschläge hatte die Dame nicht parat. Die Techniker seien längst unerreichbar und würden mir die Karte am Montag zukommen lassen. Ob ich mir nicht die Bearbeitungsnummer aufschreiben und dann noch einmal anrufen könne. [Nach ein wenig Kramerei fand ich tatsächlich Stift und Papierähnliches.]. Dass es dennoch besser sei, die Karte zu sperren.

Ich legte auf und fragte mein Handyguthaben ab. Wenn ich mich nicht irrte, hatte ich soeben acht Euro für die nahezu nutzlose Hotline ausgegeben. 67 Cent waren mir verblieben und ich beschloss, L anzurufen, die mir nicht nur die EC-Karten-Sperr-Telefonnummer heraussuchen, sondern auch mein Guthaben wieder aufladen sollte. Als ich nur die Anrufbeantworteransage vernahm, schmetterte ich entnervt meinen Kugelschreiber gegen die Bahnhofswand.

Ich betrachtete die herumliegenden roten Plastikteile und versuchte, andere Freunde zu erreichen, die womöglich gerade in Netznähe verweilten. Erst beim zweiten Versuch, L anzurufen, hatte ich Erfolg, und während ich spürte, wie mein Guthaben von 67 Cent unaufhörlich der Null entgegenschrumpfte, erklärte ich mich und meine Wünsche.

L half, und wenige Minuten später hatte ich 15 Euro auf meinem Guthabenkonto und die Nummer Kartensperrhotline in ein Buch gekritzelt. Ich rief an, und mal wieder begrüßte mich nerviges Warteschleifengedudel. Geduldig wartete ich. Ein Zug fuhr über mir dahin, gerade als die Automatenstimme verschiedene Optionen zur Weitervermittlung anbot. Ich verstand kein Wort und reagierte nicht. Doch das schien zu reichen, denn bald hatte ich eine Frau am Telefon, die fragte, was für eine Karte denn gesperrt werden solle.

Aha, dachte ich, gilt die 116116 also für die Karten aller Banken? Ich wurde verbunden. Warteschleifenmusik. Ein Mann. Innerhalb weniger Sekunden hatte er sich Name, Adresse, Bankleitzahl und Kontonummer [Ich kannte glücklicherweise alles auswendig.] notiert und erklärte die Karte für gesperrt. Alles weitere würde der Kundenberater meiner Bank mit mir klären, meinte er noch und legte dann auf, ohne mir Gelegenheit zu geben, auch nur eine meiner vielen Fragen stellen zu können.

Nun ja, dachte ich, immerhin ist die Karte gesperrt, und schob mein Rad zum Bahnhofsinformationsschalter, den Fahrkartenautomaten samt verschluckter EC-Karte zurücklassend. Vielleicht, hoffte ich, kannte man bei der Information irgendeinem geheimen Trick, dem Automaten meine Karte zu entlocken.

Man kannte nicht. Die Bahndame äußerte ihr Bedauern, doch gab zu, machtlos zu sein. Ich meinte, man solle wenigstens ein "Defekt"-Schild an den Automaten hängen, weil schließlich andauernd Menschen kämen, die erst wild auf den tasten herumdrückten, ehe sie begriffen, dass der Automat nutzlos war. Sie bestätigte dies und entließ mich uninformiert und EC-kartenlos.

Ich stellte mein Rad an eine Wand und reihte mich in die Warteschlange am Fahrkartenverkaufsschalter ein. "Ich möchte gern nach Halle.", sagte ich, als ich endlich an der Reihe war. "Die Regionalbahn 19.07 Uhr? " Ich lächelte und nickte. "Genau die."

Mitterweile hatte ich fast eine Stunde auf dem Bahnhof verbracht, und die nächste Bahn würde bald fahren. Rasch erwarb ich noch eine Cola, überzeigte mich davon, dass der Automat immer noch defekt und "Defekt"-Schild-frei war und begab mich auf den Bahnsteig. Letztlich war es doch nicht allzu schlecht gelaufen. Sicherlich, die EC-Karten-Sache gab Scherereien. Doch die Karte war gesperrt, ich hatte einen Fahrschein, keinen Durst mehr und noch ein bißchen Bargeld, um über die Runden zu kommen. Nun brauchte ich nur noch in den Zug einzusteigen und kurz darauf in Halle anzukommen.

Allerdings hatte der zwischen Halle und Magdeburg hin und her pendelnde Zug Verspätung. Eine halbe Stunde! Bei einer Normalfahrtzeit von 70 Minuten! Das konnte doch nicht wahr sein!

Ich gab auf. G rief an und ließ meine Schimpftirade über sich ergehen. Dann setzte ich mich, nippte an meiner Cola, die Ohren musikalisch verstöpselt, den Blick in einem Buch und wartete. Die Welt konnte mich mal.

Die ganze Geschichte: Teil II, Teil III, Teil IV, Teil V

Donnerstag, 21. Februar 2008

Skaliert

Zu den Dingen, die ich mag, gehört, oberflächliche Menschen-Beurteilungen, die ich nach kurzem oder längerem Blick fasste, widerlegt zu bekommen. Am besten gleich mehrfach hintereinander.

Heute beispielsweise fuhr ich Straßenbahn, wie so oft in einem lesenswerten Buch schmökernd. Die Lektüre fällt in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht immer leicht, doch mittlerweile habe ich es geschafft, die üblicherweise um mich herum stattfindende Geräuschkulisse auszublenden.

Es stieg ein Mann hinzu, in Schwarz und Leder gewandet, mit Springerstiefeln und Nietengürtel bestückt. Ich hatte ihn schon öfter gesehen und, da ich mich einer ähnlichen Fraktion zurechne, für etwas sonderbar, aber nicht unsympathisch befunden. Er traf einen Bekannten und fing sogleich an, über Musik zu reden, laut genug, um mich zu stören, aber nicht laut genug, um ein Ärgernis zu sein.

Ich wurde neugierig, versuchte, die ausdiskutierten Bandnamen zu vernehmen, doch bekam nur Satzfetzen an mein Ohr. Nun gut, dachte ich, im Geiste schulterzuckend, und las weiter. Der Neuankömmling jedoch holte sein Mobilfunkgerät heraus und spielte ein Neuwerk irgendeiner Metallcombo ab, das ich nicht kannte. Blechern und bassfrei, dafür jedoch lautstark, tönte es durch die Bahn, und mich umsehend wudnerte ich mich, warum niemand es wagte, den Lärmenden auf sein störendes Geräuschisieren aufmerksam zu machen, ja sogar einfach nur empört in seine Richtung zu blicken. Niemand interessierte sich, scheinbar, für das, was - selbst für mich als Möger derartiger Musik - ohrenbelästigend aus dem winzigen Telefonierapparat schallte.

Ich jedoch war ein wenig genervt, wollte ich lesen und konnte es nun nicht mehr. Ich tippte den Handybesitzer an. Die Kopfhörer in seinem Ohr in Verbindung mit der tösenden Technik in seiner Hand waren einer wortreichen Kommunikation abträglich, doch schaffte ich, ihm deutend zu erklären, dass ich mich in meiner Konzentration beeinträchtig fühlte.

Er, den ich - auch noch nach Lärmbeginn - für nicht unsympathisch gehalten hatte, schaute nun herablassend auf mich und mein Buch und meinte abwertend, dass ich doch zu Hause lesen könne. Wie immer in solchen Augenblicken lag kein geistreiches Erwiderungswort auf meiner Zunge, und so schwieg ich, setzte den unfreundlichen Kerl auf meiner Menschbewertungsskala mehrere Etagen tiefer und bemühte mich, einzig und allein den Text wahrzunehmen, der sich vor meinen Augen befand.

Sein Gesprächspartner stieg aus, der Unsympath schaltete die Musik ab und drehte sich mir zu. "Entschuldigung", sprach er mich an, und verdutzt schaute ich auf. "Was liest du denn da?" Ich erklärte mit längst nicht ausreichenden Worten, welches Buch ich gerade konsumierte und dass davon mehrere Teile existierten, doch erntete kein großes Interesse. Nur die Antwort, dass er ja haufenweise Hohlbein lese. Ich mag Wolfgang Hohlbein nicht mehr so gerne wie früher und teilte ihm das mit. Was folgte, war eine kurze Diskussion über den Autor, über sein umfangreiches Werk, das er zusammen mit seiner Frau geschaffen hatte, über die vielen Hohlbein-Schmöker, die mein Gesprächspartner in seinem Besitz wisse, ich erwähnte mein Lieblingsbuch - und musste dann aussteigen.

Als die Straßenbahn fortfuhr, warf ich einen Blick auf meine innere Menschbewertungsskala und staunte nicht wenig darüber, ihn inzwischen wieder in angenehmen Positivbereichen einsortiert zu haben...

Freitag, 27. Juli 2007

Taschentücher

Fremden Kindern gegenüber bin ich vorsichtig. Es sind ja nicht meine, und falls sie sich in meiner Gegenwart auch ungut verhalten sollten, werde ich - außer in Extremfällen - nicht derjenige sein, der mit Disziplinarmaßnahmen droht, um sie und ihr Verhalten in die richtigen Bahnen zu lenken.

Als ich unlängst mit der Straßenbahn fuhr, setzte ich mich in die vorletzte Reihe. Mir gegenüber hatten sich zwei Damen platziert, eine etwa Vierzigjährige und eine, die sich am Ende der Zwanziger befand und vermutlich zu den Studierenden zu zählen war. Hinter mir ließen sich zwei Jungen nieder, vielleicht elf, zwölf Jahre alt [Ich war noch nie ein Meister darin, das Alter von Personen zu schätzen.]. Sie blätterten in Zeitschriften, in Autozeitschriften, soweit ich das während eines flüchtig nach hinten schweifenden Blickes erkennen konnte. Ich las in einem angenehm-spannenden Buch, doch gelang es mir nur schwer, mich zu konzentrieren -- die Kinder waren zu laut, und ihre mit "Alter" und "Ey" gespickte Sprache widerten mich an.
Die beiden Jungen versuchten mit jedem Wort, einander zu übertreffen. Fand der eine ein interessantes Zeitschriftenfahrzeug, das er mit begeisterten Attributen bestückte, so entdeckte der andere ein vermeintlich besseres, das dem Kindermund noch extremeres Vokabular zur Umschreibung und Faszinationsbekundung entlockte.

Der beleibtere der beiden hielt sich für besonders krass und zog alle zehn oder zwanzig Sekunden das Innere seines Riechorgans hoch. Das Ergebnis war ein rotziges, unangenehmes Geräusch, das nicht unbedingt dazu beitrug, mich meinem Lesevergnügen frönen zu lassen. Die Jungen diskutieren, protzten - und der Dicke zog immerfort Schleim die Nase hinauf, so intensiv, so begeistert, dass ich glaubte, ihm müsste bald der Schädel platzen vor angesammeltem Nasenunrat. Zumindest jedoch - darauf wartete ich voller Vorekel ["Vorfreude" war es bestimmt nicht ...] - würde er alsbald all das Hochgezogene in seiner Mundhöhle sammeln und es irgendwo spuckenderweise in die Straßenbahn schleudern. Doch er tat nichts dergleichen; er blätterte weiter in seiner Zeitschrift, redete Unsinn und schniefte, als gäbe es nichts Intelligenteres.

Ich senkte meinen Blick und las. Ich versuchte, mich an den Buchstaben, an den Wörtern, festzukrallen, doch es gelang nicht; der Sinn der Zeilen entwich immer wieder; ich konnte mich nicht konzentrieren. Behend griff ich in meine Rucksacktasche, wo ich eine Packung Zellstofftaschentücher vermutete, zog diese heraus und reichte sie - ohne auch nur ein Wort zu sagen - über meine Schulter nach hinten. Der dicke Junge sah mich an, schwieg kurz, dachte offensichtlich nach, wartete vielleicht auf einen Kommentar meinerseits, der jedoch nicht kam, betrachtete die Taschentücher in meiner Hand - und schüttelte dann den kopf. "Nein, danke.", meinte er, "Ich habe selber welche."

Ich sagte ihm nicht, dass ich ihm nicht glaubte, sagte ihm nicht, dass er sie doch benutzen könne, sagte ihm nicht, dass er und sein Getue mich störten, sondern zog meine Hand zurück und verstaute die Taschentuchpackung dort, wo ich sie hergeholt hatte. Die Studentin lächelte mir anerkennend zu, die andere Frau verzog keine Miene. Doch hinter mir kehrte Ruhe ein, keine absolute Ruhe, kein Schweigen, doch ein Gespräch, das sich normalisiert hatte - und frei war von widerlichem Nasenschleim.

Als ich gestern die Straßenbahn nutzte, stiegen plötzlich zwei Mädchen zu. Sie waren ungefähr dreizehn oder vierzehn [Wie erwähnt: Mit Altersschätzungen habe ich es nicht so.], und der blonderen von beiden rannen die Tränen literweise aus den Augen. Jemand hatte sie beleidigt, und ihre Freundin war keine große Hilfe, indem sie ihr riet, diese Beleidigung einfach wegzustecken. Denn offensichtlich war das "Wegstecken" nicht mit Einfachheit lösbar.

Ich las - mal wieder - und gab mir Mühe, den beiden, obgleich sie mir direkt gegenüber saßen und obgleich ich jeder einzelnen Träne hinterherschauen konnte, geringste Aufmerksamkeit zu widmen und sie in diesem intimen Augenblick absolut allein zu lassen [auch wenn sie von unzähligen Mitfahrenden umgeben waren]. Mein Buch fing meine Blicke, doch vor ihrem Gesprochenen schützte es mich nicht.

"Hast du mal n Taschentuch?", fragte die Tränenbedeckte irgendwann, und ihre Freundin gab einen Nein-Laut von sich. Wie von selbst glitt meine Hand in meine Rucksacktasche, und obgleich ich mir keineswegs sicher war, ob sich dort eine Packung befinden würde, fanden meine Finger plastikverpackte Papiertaschentücher, zogen sie heraus und reichten sie herüber. Kurz sah ich von meinem Buch auf und erhaschte das kleine Lächeln, das sich auf ihre Lippen stahl.

"Taschentücher", dachte ich beeindruckt, "sind nützlich."

Mittwoch, 27. Juni 2007

Bahnfahrt

Ich suche einen Sitzplatz. Straßenbahnen sind wundervoll, denke ich, weil ich dort endlich mal wieder zum Lesen komme, und beginne meine Suche. Die Suche, besser: das Finden, ist wichtig, denn im Stehen zu lesen ist zwar machbar, aber nicht sinnvoll, weil so mit jeder beschleunigenden oder abbremsenden Bewegung der Bahn das eigene Standgleichgewicht in Frage gestellt wird.

Durch die Tür drängeln sich ein Kinderwagen samt dazugehöriger Mutti und ein Rollator samt kleinwüchsiger Nutzerin. Hey, bin ich versucht der Mutti zuzurufen, die ohne Umsicht allen verfügbaren Stellplatz für sich und ihr Kindesgefährt annektiert, hey, pass doch auf, nimm doch mal Rücksicht! Schließlich wird die kleinwüchsige Frau ihren Rollator nicht ohne Grund mit sich herumschleppen und sich genug ärgern, dass Magdeburg noch immer angefüllt ist mit alten DDR-Straßenbahnkolossen, für deren Benutzung drei steile Metallstufen zu überwinden sind. Nimm Rücksicht auf Benachteiligte, will ich rufen, doch halte inne, weil ich mich frage, wer mehr Recht auf den Stellplatz des eigenen Gefährts hat: Kleinkind oder Kleinwüchsige.

Die beiden arrangieren sich irgendwie, und die Mutti schafft es, dabei nicht ein einziges Mal zu der Rollatorfrau zu blicken, ich drängle mich vorbei und suche einen Sitzplatz. Schnell werde ich fündig und finde gleichzeitig ein verzweifeltes Knurren in meinem Hals, das ausgestoßen werden möchte. Ich schweige, doch strafe zwei Sitzende mit unfreundlichen Blicken. Denn nicht genug, dass die beiden älteren Herrschaften zu zweit einen Viererplatz blockieren, nein, sie mußten sich auch noch auf den Plätzen am Gang platzieren, um zugleich mit ihren Leibern den Weg zu den anderen beiden zu versperren.

Ich habe keine Lust darauf, mich durch diese Enge zu pressen, mich an ihren Leibern und Taschen vorbeizuquetschen, habe keine Lust zu fragen, ob ich denn mal dürfe, ob die beiden möglicherweise, habe keine Lust, neben einen der beiden zu sitzen und zu versuchen, mich schmal zu machen, mich zu verdünnen, damit die Sitzbank für uns beide reiche, ohne dass ich mit ungewollter Körpernähe konfrontiert werde.

Ich gehe weiter und finde einen letzten freien Platz. Ich sehe sofort, warum dieser Platz frei ist, denn neben ihm befindet sich ein Mann mit wildem Haarwuchs, sowohl auf dem Haupt als auch im Gesicht. Er ist einer von denen, denen man den Bier- und Schweißgestank förmlich ansieht.
Ich zucke mit dem Schultern, gehe auf ihn zu; das Lesen ist mir wichtiger, und an Gestank kann man sich gewöhnen. Er starrt mich an, ahnt, dass ich neben ihm Platz nehmen werde, und ich frage mich, ob er sich darüber freut oder nicht.

Und kaum sehe ich mehr von ihm, kaum erblicke ich mehr als sein verzotteltes Gesicht, begreife ich, dass ich mich irrte, freue mich darüber, mein Vorurteil widerlegt zu bekommen, erkenne saubere, gepflegte Kleidung und rieche nichts, gar nichts. Ich wühle in meinem Rucksack, setze mich, klappe das Buch auf, lese, bis irgendwer zu telefonieren beginnt, jemanden anruft und die ganze Bahn über die Planung seines Wochenendes informiert.

Ich will das nicht wissen, möchte ich rufen und frage mich, warum er ausgerechnet an einem dieser menschbefüllten Orte, wo Leiber dicht gepackt und komprimiert beeinanderstehen und -sitzen, wo jeder imstande ist, sein Gespräch zu verfolgen, warum er ausgerechnet hier, wo das Tuckern der Bahn sich zu den Gesprächen der Passagiere gesellt, sein Mobiltelefon zückte und zu reden begann, warum er nicht leiser reden kann, zumindest so leise, dass ich ihm nicht zuhören muss, dass ich verschont bleibe und lesen, in meinem Buch versinken, darf.

Als er der Bahn entsteigt, noch immer telefonierend, entbrennen belustigte Dialoge über Straßenbahntelefonierer, mein Sitznachbar drängelt sich an mir vorbei, flieht im letztmöglichen Augenblick aus der Bahn, und ich genieße die Freiheit, mich ausbreiten und endlich lesen zu können, finde die Stelle wieder, an der ich unlängst innehalten musste und setze nun die Lektüre fort, führe die Handlung weiter, und sei es auch nur für ein paar Minuten, bis zur nächsten Haltestelle, wenn ich mein Buch zusammenklappe, im Rucksack verstaue und aussteige.

Donnerstag, 1. März 2007

Zöpfchen

"Könnte das Täschchen aufs Schößchen?"
Die Angesprochene blickte von ihrem Handy auf und reagierte - trotz musikbefüllter Ohrstöpsel - sofort. Die ältere Dame, die L und mich mit ihren Verkleinerungsformen soeben zu einem geschmunzelten Blickabtausch bewegt hatte, setzte sich uns gegenüber, auf den letzten freien Platz der von mir für gewöhnlich als "Vierer" bezeichneten Sitzgelegenheitenanhäufung.

Während hinter der Glasscheibe Berlin vorbeiratterte, meine Aufmerksamkeit jedoch Wichtigerem galt, bemerkte ich am Rande meines Wahrnehmunsghorizonts ein Murmeln. Ein kurzer Blick ortete die Quelle: Die alte Frau gab Geräusche von sich, die Worte hätten sein können, wenn sie zu verstehen gewesen wären. Ihre Banknachbarin reagierte nicht, lauschte unverdrossen den Klängen aus ihren Kopfhörern. 'Alte Frauen murmeln eben zuweilen in ihren Altfrauenbart.", dachte ich, im Geiste mit den Schultern zuckend, und wand mich wieder L zu.

Aussteigen. Umsteigen. Irgendwo. Ich kümmerte mich nicht um Haltestellennamen, verfügte über kundige Begleitung.

Auf der Rolltreppe murmelte es erneut, hinter mir, diesmal jedoch mit gerade noch verständlichen Worten. "Jaja,", hörte ich, "zum Friseur gehen braucht man nicht. Und Scheren sind ja auch so teuer..."
Die Worte galten meinen Haaren, die zu einem Zopf geformt über meinen Rücken wallten.

Ich drehte mich um und entdeckte die alte Dame aus der S-Bahn. Mit mühelos sanfter Stimme erwiderte ich:
"'Man' kann auch Selbstgespräche führen, anstatt direkt zu kommunizieren..."

"Jaja,", unterbrach sie mich barsch, "Ich bin ja sowieso verrückt. Gehöre in die Klapse...!"
Sie schaute mich nicht an, zerschmetterte jedes noch hervorzubringende Argument mit ihrem defensiven Rundumschlag. "Ich bin verrückt!", hieß die Mauer, die sie blitzschnell zwischen sich und der eben noch beschimpften Welt erbaute - nicht zum ersten Mal, vermutete ich.

L zog mich weg, bevor ich überhaupt daran denken konnte zu reagieren. Schweigen war wohl ohnehin die bessere Wahl. Grüßend wedelte ich kurz mit dem Zopf in Richtung der alten Frau und ließ mich von L blind in irgendeine Richtung führen.

Montag, 26. Februar 2007

Reflektion

In der Bahn.
Irgendwo in der Dunkelheit hinter der Fensterscheibe fliegt die Welt vorbei.
Ich sehe in das reflektierende Glas, erblicke, betrachte mich.
Ringe umkränzen meine Augen, Stoppeln be-schatten meine Haut.
Und dann entdecke ich das Antlitz meines Vaters, entdecke ihn, hier, inmitten meines Spiegelbilds.
Zum ersten Mal erfasse ich, wie sehr wir uns gleichen.
Innerlich. Äußerlich.
Ich lächle, verwirrt, weine.
Meine Tränen auf seinem Gesicht.

Montag, 18. Dezember 2006

Zweiklassengesellschaft

Die Bahnhofslautsprecherdurchsage verkündet mir knarksend, daß sich die Wagen der ersten Klasse des gerade einrollenden ICEs an der Front des Zuges befänden, während mich meine Sitzplatzreservierung den vorletzten Wagon aufzusuchen zwingt. Wenn also dort vorne die erste Klasse verweilt, ich jedoch hier hinten Platz nehme - was bin ich dann...?

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free erdem (Gast) - 6. Jun, 16:40
Hier wird es fortan weitergehen: http://morast .eu Und...
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morast - 1. Feb, 21:10

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