MiSt

Freitag, 19. Juni 2009

MiSt: Der Schlossplatz

Jene Wesen, jene Daseinsstile, die gemeinhin die Bezeichnung "alternativ" tragen könnten, scheinen bei oberflächlicher Betrachtung in Stuttgart nicht zu existieren. Will man sich von dem in der Innenstadt allgegenwärtigen Schickimickiglitzerglamour abgrenzen, pflege ich zu scherzen, erwirbt man eine von Designerhänden fachgerecht zerfetzte Bluejeans. Oder bezahlt im Bioladen vier Euro für 100 Gramm staubtrockenen Gebäcks. Oder bevölkert die Steinplatten vor dem Apple-Gravisstore.

Allein die innenstädtischen Straßennamen, Königs-, Kronprinz-, und Kronenstraße lassen keinen Platz für jenes bourgeoise Gesindel, das ich von früheren Wohnorten kenne. Selbst die Schwarzgewandeten wirken so, als bestünde ihr Protest, ihre Abgrenzung von den gesellschaftlichen Üblichkeiten darin, die elterlichen Kreditkarteninhalte in überteuerten Gothicmarkenläden zugunsten von Geschmacksarmut zeugender Ungutheiten zu reduzieren.

Sollte man sich also dazu entschließen, bei der empfehlenswert guten asiatischen Schnellfütterei innerhalb der Königsbau-Passagen eine Mahlzeit zu erwerben und diese mangels gebäudeinterner Sitzmöglichkeiten draußen, im Freien, am Schlossplatz zu verinnerlichen, darf es nicht wundern, wenn die Vorbeilaufenden und auf den Stufen Sitzenden den Anschein erwecken, Laufstege beraubt und Unsummen für Stoffetzen ausgegeben zu haben.

Dabei ist zu bemerken, dass preisintensive Mode nicht zwingend etwas mit Ästhetik zu tun haben muss. Derzeit sind es beispielsweise die 80er Jahre, denen intensiv gefrönt wird, obwohl diese mit Sicherheit nicht die äußerlich anspechendste Epoche gewesen war. Auffällig ist auch, dass jene, die mit der allgegenwärtigen Trendität aus finanziellen oder anderen Gründen nicht mitzuhalten imstande sind, sich dennoch darum bemühen und somit das Kunststück vollbringen, ohnehin Unansehliches zusätzlich zu widerwartisieren.

Stuttgart wimmelt von Wesen, die in meinem eigentlich Deutsch bevorzugenden Denken den Titel "First-Look-Beauties" zugeteilt bekamen, die es also verstehen, sich zu gewanden und zu bemalen, sich zu frisieren und zu präsentieren, aber auf den zweiten Blick einfach nur ordinär und öde wirken.

Das Wimmeln ist besonders intensiv am bereits erwähnten Schlossplatz, an dem man nicht versuchen sollte, mit einer Asiamahlzeit bepackt einen Cafétisch zu beanspruchen. Unabhängig davon, wieviele Eisbecher und Kakaogetränke man zu bestellen und bezahlen gewillt ist: Fremdessen wird nicht geduldet. Also begebe ich mich sich eislos auf den eigentlichen Schlossplatz, dorthin, wo vor dem Neuen Schloss eine von sauberen Wegen und sorgsam gepflegten Rasenflächen umkränzte Concordia-Statue thront und allerlei Stuttgarter Bevölkerungsteilnehmer zu ruhigen Minuten auf Wiesen und Bänken einlädt.

Ich nehme dankend an und lasse mich auf einer Bank nieder, die obwohl von Sonnenschein sanft gestreichelt keinen einzigen Besetzer aufweist. Als ich zu essen beginne, erkenne ich den Grund: Ein leichter Windhauch reicht aus, um mir feuchte Springbrunnengischt ins Gesicht zu wehen. Schmunzelnd vertilge ich die mitgebrachte Nahrung. Dafür brauche ich lang genug, um zugunsten einer Testreihe insgesamt drei Mal gefragt zu werden, ob ich rauchen würde; zwei Mal davon vom selben Kerl.

Der Feuchte entweichend begebe ich mich aufs Grün. Dafür, dass ich noch vor wenigen Zeilen die Schickimickigarde beprangerte, ist die Wiese erstaunlich dicht mit ebenjenen Gestalten besät. So etwas wie Privatsphäre existiert hier nicht, doch das hält keinen Muskelitaliener davon ab, den nackten Oberkörper Sonnenstrahlen und Frauenblicken auszusetzen. Eher im Gegenteil.

Von der Königsstraße ertönt unangenehmer Straßenmusikergesang, doch im Rahmen meiner Zufriedenheit entdecke ich in mir großzügige Ignoranz. Ein junger Türke durchwühlt Mülleimer für Mülleimer nach Pfandflaschen, während sein Vater unbeteiligt wartend daneben steht. Rechts neben mir unterhalten sich zwei Erstehilfekursteilnehmende über blutigste Unfälle und links erdreistet sich jemand, mir zu nah zu sein. Irgendwo entdecke ich schließlich sogar zwei Punker und bin mittelschwer beeindruckt.

Der Schlossplatz erweist sich auch in anderer Hinsicht als sympathischer Kerl. Denn beispielsweise bei der diesjährigen Ausgabe des Animationsfestivals war er Anlauf- und Treffpunkt und der Ort, wo eine Bühne nicht nur erstaunlich gute Musiker präsentierte, sondern auch eine monströse Leinwand über mehrere Abende hinweg pixareske Trickfilme darbot. Wer nicht auf einer der raren und unbequemen Bierzeltbänke sitzen wollte, pflanzte sich eben ins Grün, schaute Bolt oder Shrek 3 und erfreute sich des sommerlichen Flairs.

Denn das bietet der Schlossplatz: Einen Hauch Mediterranität, eine Andeutung beschwingter Freiluftkultur.

Angefüllt mit innerem Lächeln besorge ich mir ein Eis, kehre zu meiner Bank zurück und betrachte die zahlreichen Menschen, die sich inmitten der Einkaufsbereiche zu einer entspannten Minute niederließen. Als der Wind mir erneut Springbrunnennässe ins Gesicht weht, schließe ich vergnügt die Augen.

Freitag, 15. Mai 2009

MiSt- Kunstmuseum Stuttgart

Raus, war es, was ich wollte. Kultur, um genau zu sein.

Ich war gerade frisch nach Stuttgart gezogen und hatte noch nicht viel gesehen von der Welt, die mich nun umgeben würde. Sicherlich: Die Königsstaße hatte ich bereits bevölkert und sowohl das Schloss betrachtet, als auch diverse Geschäfte heimgesucht. Sogar mit dem Wald in direkter Nähe zu meiner neuen Wohnung hatte ich bereits Bekanntschaft gemacht.

Doch das war es bereits, und ich hatte guten Grund, mich mehr wie ein Tourist als wie ein nun hier Wohnender zu fühlen. Guten Grund, um mein Unwissen der Neugierde auszuliefern, die mich in der Fremde stets befällt. Ein Ziel musste her, ein hochwertiges. Ein Ziel, das dem Touristengefühl frönte und zugleich nicht nur für Auswärtige aufgestellte Beschau-Attrappe war, ein Ziel, das mich aus meiner Wohnung und den zwar abnehmenden, aber trotzdem noch immer existenten Umzugskistenstapeln befreien und meiner neuen Heimat näherbringen würde.

Ich fragte wikipedia nach Stuttgarter Besehenswertem, fand die Erwähnung eines Kunstmuseums und in diesem die Ausstellung "Drei. Das Triptychon in der Moderne", die noch bis zum 14.6. laufen würde. Ich gebe zu, dass dieser Titel mich nicht sonderlich fesselte, mich schon nicht sonderlich interessiert hatte, als er mir irgendwann zuvor auf einem Plakat begegnet war. Dennoch war der Gedanke, bildlicher Kunst frönen und gleichzeitig eine Stuttgarter Sehenswürdigkeit kennenlernen zu können, einer, der mich begeisterte.

Das Kunstmuseum ist so unübersehbar, dass ich es schaffte, in der vergangenheit bereits mehrmals unwissend daran vorbeigegangen zu sein - und es auch diesem Tag ohne mein Ziel zu finden zu passieren. Das war nicht unlogisch. Zwar befindet sich das Gebäude direkt an der Königsstraße, direkt am Schlossplatz, ist neu und allein aufgrund seiner Würfelform und seiner gläsernen Außenwand auffällig genug, um einheimische und touristische, möglicherweise kritische Blicke auf sich zu ziehen - doch ist es auch mit einem Café bestückt, dessen Ausläufer sich selbst bei wintersten Temperaturen ins Freie, auf die Königsstraße wagten und mich von der Existenz eines Museums ablenkten.

Letztlich begriff ich doch, ging am Café vorbei in Richtung Kasse, entdeckte dann die Garderobe, entledigte mich - so weit ich mich erinnere, kostenlos - meiner Frostschutzkleidung, bezahlte dann die zehn Euro Eintritt, welche allerdings auch für die ständige Ausstellung moderner Kunst galten, und erhielt neben einer Eintrittskarte einen winzigen Aufkleber, der mit dem Wort "Kunst" bedruckt war. Nette Idee, dachte ich vergnügt, doch stellte alsbald fest, dass diesem Aufkleber eine Funktion innewohnte: Man klebte ihn auf den eigenen Leib, um sich somit als Ausstellungsbesucher zu kennzeichnen und den herumstehenden musealen Fachkräften die unsympathische Eintrittskartenkontrollierarbeit abzunehmen.

Das Erdgeschoss und die dortige Dauerausstellung ignorierte ich ebenso wie das Tiefgeschoss, in dem es wohl auch noch etwas zu sehen gab. Ich spurtete die Treppenstufen hinauf und hatte Gelegenheit, die Architektur des Gebäudes zu bewundern. Denn das tat ich wirklich.

Obwohl mir bauhausige Stile, also nackte Wände und dergleichen, oftmals nicht so behagen und ich daher weder im Dessauer Bauhaus noch in der neugebauten Magdeburger Universitätsbibliothek jemals ästhetisch Beeindruckendes sah, war ich hier angetan von der Kargheit, die sich mir zeigte. An die gläserne Außenwand schmiegte sich auf jeder Etage ein Gang, von dem aus eine wunderschöne Sicht auf Königsstraße und Schloßplatz geboten wurde. Der Gang trennte das Äußere vom Inneren, und das Innere bestand wiederum aus einem Quader, roh verputzt und durch sich selbst öffnende Türen zu begehen.

Der Plural in "Türen" bezieht sich dabei auf die verschiedenen Etagen, nicht auf eine einzelne. Denn zwar war es stets möglich, den Ausstellungsquader durch einzelne, sich sanft öffnende Türen zu verlassen, doch das Betreten war stets nur an einer von ihnen, logischerweise der sich in der Nähe der Treppen befindliche, möglich.

Als ich durch die Tür in der ersten Etage ging, unsicher, ob ich hier richtig war, wurde ich zunächst auf angenehm unaufdringliche Weise von dem Museumsmitarbeiter gemustert und dann mittels eines Fingerzeigs auf die Stelle meines Pullovers aufmerksam gemacht, an der der erwähnte Aufkleber fehlte. Aus Gründen der Ästhetik und der Sammelwut hatte ich bis dahin auf den Aufklebereinsatz verzichtet, doch gehorsam und entschuldigend lächelnd befestigte ich das kleine bedruckte papierstück nun auf meinem Sweatshirt, direkt neben einen zufrienden grinsenden Fred, so dass es aussah, als fordere er voller Vergnügen Kunst.

Und Kunst bekam er. Die Ausstellung begann mit einem klassischen Triptychon religiösen Ursprungs, vermutlich, um selbst den letzten Unwissenden in das Geheimnis dieses Griechenwortes einzuweihen. Dann folgte schecklicher Kitsch, eine moderne, mit goldener Farbe überzogene Verballhornung des kirchlichen Triptychons und somit zugleich Gegensatz und Entsprechung.

Es gab keine vorgegebene Lauf- und Schaurichtung, doch ich vermutete, dass es üblich war, sich rechts zu halten. Ich bog links ein und erblickte das Kunstwerk, das an diesem Nachmittag zu meinen Favoriten zählen würde - und das, obwohl es nicht einmal vollendet war. Es waren Skizzen zu Otto Dixs Werk "Der Krieg", in originaler, also beeindruckender Größe und mit ebensolchem Detailreichtum. Ich kannte das Original nicht, doch nun, nachdem ich Bilder davon sah, gefallen mir die Skizzen in ihrer Rohheit, in ihrer Farblosigkeit fast besser.

Ich werde jetzt nicht anfangen, die 58 ausgestellten Triptychen einzeln zu beschreiben, doch sei erwähnt, dass mir die klassischeren Werke eher zusagten als die modernen. Beispielsweise empfand ich die Materialkunst als weniger gelungen. Unguterweise habe ich den Namen meines zweiten Favoriten dieser Ausstellung vergessen, doch waren es "Der Krieg" und dieses Werk, die mich später noch einmal auf die erste Etage zum erneuten Beschauen lockten.

Als ich den Innenwürfel verließ, musste ich mich erst einmal orientieren. Ich wusste, dass sich die Stufen zur nächsten Etage links von mir hinter der Ecke befanden, doch was war rechts? Konnte man gar einmal um den Innenwürfel herumlaufen? Mein Erkundungsdrang wurde rasch gestoppt, als ich auf ein Treppenhaus stieß, das vermutlich vowiegend Notfällen galt und dementsprechend wahrscheinlich alarmgesichert war. Ich kehrte um.

Mit jeder neuen Etage verjüngten sie die augestellten Werke, je höher es ging, desto näher kam ich der Gegenwart. Die Definition des Triptychons, die in der ersten Etage noch klar erkennbar war, wurde hier immer mehr erweitert und abstrahiert. Sogar Fotoarbeiten und Videoinstallationen war zu sehen.

Max Beckmann gefiel mir nicht so sehr. Umso angenehmer empfand ich es zu erfahren, dass auch ein anderes Werk von otto Dix durchaus zusagte, vielleicht, weil er einen fast comichaften Stil besitzt. George Dyer war gewöhnungsbedürftig, Francis Bacon fand ich gut, obwohl ich mich jetzt nicht mehr daran erinnern kann, warum.

Woran ich mich jedoch erinnere, war der Stil des Kunstmuseums. Passend zur Architektur hatte man sich auf Schlichtheit besonnen. Es gab keine roten Samtkordeln, die verhindern sollten, dass man den Ausstellungsstücken zu nahe trat, sondern nur einfache weiße Linien auf dem Boden. Die Auszeichnungen der Werke befanden sich an den richtigen Stellen, waren simpel, aber ausreichend. Überall standen Bänke herum, in die der Ausstellungsführer auf raffinierte Weise eingelassen war. In wenigen Handgriffen konnte man sich so Zutritt zu zusätzlichen Informationen verschaffen, wenn man denn wollte.

Ich wollte nur selten, vermutlich auch, weil ich das Beschreiben und Deuten von Kunst stets als sehr anstrengend empfinde. Doch war ich auch nicht gekommen, um zu lernen, sondern, um mich visuell beeindrucken zu lassen. Und das schaffte die Ausstellung durchaus.

Als ich letztlich ins Erdgeschoss zurückkehrte, war ich gesättigt. Doch die "Sammlung", denn so wurde die Dauerausstellung bezeichnet, lag noch vor mir. Und diese widmet sich der modernen Kunst. Allerlei Werke fanden sich hier, und ich muss gestehen, dass ich nicht imstande war, mich ihnen in gebührendem Maße zu widmen. Daran war auch der Umfang Schuld, denn es existierte noch ein Kellergeschoss, das ebenfalls mit Kunstwerken aufwartete, die der Betrachtung harrten.

Beeindruckend waren vor allem zwei Filme. Einer zeigte die Geburt eines Kindes parallel zum Ableben eines alten Mannes im Sterbebett, ein zweiter einen Aktionskünstler in China, der sich als Statue verkleidet unter die Terracotta-Armee mischte und dementsprechend für Aufregung sorgte. Außerdem besuchte ich einen Raum, der komplett mit Bienenwachs verkleidet war und sehr angenehm duftete. Es gab zahlreiche Fotos zu betrachten, doch hatte ich dafür keine Nerven mehr.

Die Dauerausstellung ließ den erwähnten schlichten Stil der oberen Etagen ein wenig vermissen. Dennoch weigerte sich das Museum auch hier, einer klassischen Galerie zu gleichen, nicht nur durch erwähnte Filmdarbietungen, sondern auch beispielsweise durch ein monströses Rostkunstwerk, das in regelmäßigen Abständen mit Flammenwerfern bearbeitet wurde.

Besonders schön fand ich, auch hier unten auf Otto Dix zu treffen. Das Stuttgarter Kunstmuseum ist offensichtlich Heimat zahlreicher Dix-Kunstwerke, und ich bekam ausreichend Gelegenheit, den von mir gerade erst entdeckten Maler zu studieren und zu bewundern.

Als ich das Kunstmuseum war ich angefüllt mit Bildern, mit Ideen, mit dem Wunsch, selbst kreativ zu werden und erfreut, nicht nur eine sehenswerte Ausstellung, sondern auch ein Beispiel für erfreulich gute moderne Architektur besucht zu haben.

Montag, 11. Mai 2009

MiSt - Rosenau - Marc-Uwe Kling

Die Stuttgarter Rosenau vermochte mich schon zu begeistern, da wusste ich noch gar nicht, wo genau sie sich eigentlich befindet. Denn nicht nur war es mir möglich, problemlos und bequem über die Heimseite eine Karte für das Programm von Marc-Uwe Kling zu ordern, nein, es handelte sich auch noch um ein sogenanntes eTicket, also eine Eintrittskarte, die - ähnlich wie das OnlineTicket der Deutschen Bahn - zu Hause ausgedruckt werden konnte. Dass die Bezahlung dann auch noch per Paypal möglich war, setzte dem Ganzen hinsichtlich Zeitgemäßigkeit noch ein Krönchen auf.

Dabei war das, was die Rosenau von sich im Netz präsentierte, keineswegs der Moderne anheimgefallen, handelte es sich doch offensichtlich um eine gehobenere Lokaltität, in der man wohl gut zu speisen pflegt. Das angebotene Kulturprogramm erstreckte sich teilweise in Bereiche, die mit ergrauten Personen bevölkert sind. Doch war mir das geal: Ich hatte bereits bestellt, und mzudem ließ mich meine Neugierde herausfinden, dass die Rosenau anscheinend auch Heimat von Poetry Slams und Komikerauftritten war. Sehr schön.

Nach der Arbeit begab ich mich auf direktem Weg zur Bahn zur Haltestelle Schwabstraße. Bewegt man sich innerhalb Stuttgarts, so ist tatsächlich die Bahnerei, egal ob S oder U, empfehlenswert. Erstaunlicherweise liegt alles Besuchbare in der Nähe irgendeiner Haltestelle.

So auch die Rosenau. Und mit einer kleinen googleMaps-Recherche und einer daraus resultierenden Skizze in meinem Notizbuch dürfte der Findbarkeit nichts im Wege stehen. Dachte ich.

Will man jedoch einer der unterirdischen Haltestellen in Richtung Tageslicht entkommen, muss man feststellen, dass sich zumeist diverse Optionen bieten. Ich geriet also an eine Verzweigung, und weil ich nicht wusste, welcher Weg der richtige sei, wählte ich irgendeinen. Die Treppe hinter mir lassend befand ich mich nun an der Rotebühlstraße. So weit so gut, dachte ich und versuchte herauszufinden, in welche Richtung ich zu gehen hatte. Den Namen der nächsten Querstraße herauszufinden reduzierte die Auswahl immerhin auf zwei Alternativen. In Pfadfindermanier suchte ich die Sonne. Irgendwo hinter den Gebäuden musste sie sein. Dort, wo es am hellsten war. Ich lief in die entgegengesetzte Richtung.

Eine Eigenart von Haltestellen in Stuttgart scheint es zu sein, Umgebungspläne zu bieten. So ist zumeist noch die nächste Haltestelle eingezeichnet, zusammen mit einer angenehmen Anzahl von Straßennamen. Nachdem ich mich einmal entschieden hatte, wohin ich gehen wollte, war es daher dennoch schön, die Bestätigung durch eine passiert werdende Bsushaltestelle zu bekommen.

Während die fehlende Ästhetik im Ubahnbereich mich zu hochgezogenen Augenbrauen veranlasst hatte, gefiel mir das Viertel recht gut. Kannte ich schon jemanden, der hier wohnte? Ich wusste es nicht. Immerhin fand ich die Heilsarmee, die mich darüber grübeln ließ, ob das WOrt "Armee" jemals positiv behaftet sein kann. Dann stieß ich auf eine Galerie, die wohl in Begriff war, eine Vernissage zu veranstalten, und ich fühlte mich gleich heimisch.

Am Eingang zur Rosenau wäre ich beinahe vorbeigelaufen. Und selbst als ich ihn nutzte, war es der falsche. Meine Frage wurde freundlich beantwortet. Ich ging wieder ins Freie, einen Eingang weiter in einen Innenhof hinein und war am Ziel. Mein eTicket wurde nicht wie erwartet gescannt, sondern nur mit einer ausgdruckten Liste verglichen und anschließend einbehalten. Ein echtes Ticket als Ersatz gab es nicht.

Der Raum war prall gefüllt mit Tischen, Stühlen und Menschen. Obwohl ich eigentlich recht pünktlich war - zumindest nach meiner Auffassung von Pünktlichkeit - schien es kaum möglich zu sein, noch einen Sitzplatz zu ergattern. Vor den bereits besetzten beziehungsweise durch Jacken und Hinweisende freigehaltenen Plätzen häuften sich nicht nur gefüllte Getränkebehälter, sondern auch durchaus lecker anzusehende Speisen. Anscheinend war es nicht unüblich, vor einer Veranstaltung ein wenig Nahrhaftes zu sich zu nehmen.

In der Mitte des Raumes entdeckte ich ein paar freie Stühle. Das kann doch nicht sein, dachte ich, und misstrauisch fragte ich nach. Besetzt, erfuhr ich, für die Presse. Dass die Presse die besten Plätze zugeteilt bekam, erschien mir logisch und ärgerte mich zugleich. Schließlich hatte _ich_ ja bezahlt...

In der hintersten Ecke des Raumes, links von der Bar, gewahrte ich noch ein paar freie Plätze. Nun ja, dachte ich, und fragte auch hier. Tasächlich: Insgesamt drei Plätze standen noch zur Verfügung, und als dann auch noch ein Pärchen eintraf und ebenso wie ich nachfragte, wählte ich den einzeln gelegenen Platz, der sich fast direkt in der Ecke des Raumes befand. Als ich jedoch dann saß, war ich erstaunt: Die Sicht war fantastisch. Derart besänftigt bestellte ich mir eine große Cola und zeichnete einen Fred-Comic, während ich auf den Beginn der Show wartete.

Die Gtränkepreise waren akzeptabel, das Publikum war sehr gemischt. Zwar entdeckte ich diverse Begraute und Gefärbte, aber in Anbretracht des Auftretenden natürlich auch eine Menge Jüngere. An der Wand hingen Poster für zukünftige Veranstaltungen, und ich war erfreut, sowohl Olaf Schubert als auch Rainald Grebe unter ihnen zu finden. Eine Wiederkehr meinerseits war also wahrscheinlich.

Links neben der Bühne hing ein riesiges Gemälde, das aussah wie eine Kinderkrakelei, rechts von ihr befanden sich die Toiletten, die nicht unbedingt umfangreich waren, aber ansonsten keiner Erwähnung bedürfen, egal ob postitiv oder negativ. Ebenso wie übrigens der Rest des Raumes, der zwar angenehm hell war, ansonsten nichts Spektakuläres an sich hatte.

Marc-Uwe Kling wurde angekündigt von demjenigen, der den Rosenau-Newsletter schrieb. Wobei er nicht wirklich angekündigt wurde; vielmehr gab es einen Ausblick auf Kommendes und das Drängen, doch bitte den erwähnten Newsletter zu abonnieren. Was ich natürlich nicht tun würde.

Dann kam Marc-Uwe und mit erschien ein vergnügtes Grinsen auf meinem Gesicht. Denn Marc-Uwe Kling vermag es irgendwie, Humor leise sein zu lassen, ohne leise zu bleiben, kritisch zu wirken, ohne mit Kritik zu nerven. Und das alles auf amüsanteste Art. Hilfreich dabei waren nicht nur die diversen auf Gitarre zusammengeschrammelten, auf dem Klavier dargebotenen Eigenkompositionen, sondern auch die Geschichten über das kommunistische Känguruh, seinen Beuteltiermitbewohner, das früher beim Vietcong gewesen war.

Wenn man von dem einen Mädel neben mir absah, das bei jedem einzelnen Witz Bestätigung suchend den Blick ihres Freundes suchte und mich dabei ebenso nervte wie der Typ, der offensichtlich Herrn Kling noch aus Schulzeiten kannte und schon vor der Veranstaltung Erstaunen darüber geäußert hatte, dass er gar nicht wusste, dass Herr Kling so kreativ sei... - wenn man also von den beiden absah, war das Publikum gut. Es lachte an den richtigen Stellen, machte mit, wo es sollte, war nicht weniger begeistert als ich.

Dementsprechend viel zu früh kam die Pause. Der Kellner kassierte meine Cola, und ich zeichnete den Comic zuende. Es war erstaunlich, wieviele Anwesende das Bedürfnis hatten, ihre Lungen zu befüllen.

Der zweite Teil und die obligatorischen Zugaben waren dem ersten mindestens ebenbürtig, und als alles sein Ende gefunden hatte, und ich mich zum Gehen erhob, stellte ich fest, dass es auch üblich zu sein schien, nach einer Veranstaltung noch ein wenig zu verweilen. Ich jedoch wollte heim, trug ein Amüsanz wie ein inneres Leuchten mit mir herum, vertraute mich den Bahnen an und beschloss, die Rosenau bald wieder zu beehren.

Mittwoch, 6. Mai 2009

MiSt - Wilhelma Stuttgart - Teil 2

Der erste Teil dieser Ausgabe von "MiSt - Morast in Stuttgart" befindet sich übrigens hier.

Liebevoll streichelte das Sonnenlicht die unzähligen Tulpen, die das nächste Gebäude umkränzten - und natürlich auch den Raben, der es sich anscheinend zur Aufgabe gemacht hatte, mich zu verfolgen. Vielleicht war es auch sein Kumpel, der da auf dem Terrariumsdach hockte und neugierig zu mir hinunterblickte. Ich widmete mich einem eher botanischen als zoologischen Gebäude, besuchte Kakteen und fleischfressende Pfanzen, bestaunte Blüten und hörte dem nervigen Geplapper eines Tukans zu. "Ist bestimmt eine Frau, soviel wie der redet.", meinte jemand - offensichtlich ohne weibliche Begleitung.

Eine der vielen herumstehenden Karten studierend stellte ich fest, dass mein Orientierungsvermögen schon wieder versagte: Ich hatte mich, schon wieder in Richtung Hauptein- und Ausgang bewegt, ohne auch nur ansatzweise Lust zu verspüren, die Wilhelma bereits zu verlassen.

Also suchte ich einen Weg zurück zu meiner "Route" - und fand ihn in einem parkähnlichen Gelände, ausgestattet mit Teichen und Springbrunnen, mit Sitzbänken und unzähligen Tulpenbäumen. Zumindest hatte ich diese Baumart bisher so bezeichnet, Schilder lehrten mich jedoch, dass die Bäume Magnoliengewächse seien. Aha, dachte ich fasziniert und bewunderte die weißen oder rosafarbenen Blüten, die wahrlich wunderschön anzusehen sind. Ich mag Kastanienbäume eigentlich sehr gerne und würde sie nicht zuletzt wegen ihrer Früchte als meine Lieblingsbaumart bezeichnen. Doch nun musste ich feststellen, mich längst in Tulpenbäume verliebt zu haben, ohne davon zu wissen.

Die Wilhelma ist besät mit antiquiert wirkenden Bauten, die dem 19. oder 18. Jahrhundert entsprungen sein können, die das Flair eines herzoglichen Lustgartens erwecken. Nichtsdestotrotz sieht man an Ecken Moderne. Nichts wirkt abgewrackt oder veraltet. Selbst das Innere des Raubtierhauses, in allen Zoos Quell der Unästhetik, war erstaunlich angenehm zu begehen.

Der Aufmerksamkeit erheischen wollende Ruf eines männlichen Pfaus drang an mein Ohr und forderte mich auf, die noch unbetrachteten Bereiche des Zoos zu begehen. Dem Pfau selbst konnte ich mich nicht nähern, hatte er sich es doch auf dem Dach eines Gebäudes gemütlich gemacht. vielleicht, um seinen storchigen Vetter nachzuahmen, der zusammen mit seiner Gemahlin ein Nest auf einem der höchsten Gebäude errichtet hatte und hin und wieder in sehenswerter Anmut über den Parkanlagen und Tierhäusern umhersegelte.

Umso näher kam ich den Affen. Dabei wollte ich das gar nicht. Im Affenhaus beispielweise war ich überrascht, kein sonderlich intensives Bedürfnis zu verspüren, die Affen zu betrachten - ja noch nicht einmal dem Tierpfleger dabei zuzuschauen, wie er mit einem Affenbaby, das zugegebenermaßen durchaus niedlich anzusehen war, spielte. Mir kam sogar der Gedanke in den Kopf, dass Menschen sich an Affen erfreuen, weil sie dadurch ohne schlechtes Gewissen über dumme "Menschen" lachen können.



Doch ebenso wie im Aquarium schaffte man es auch hier, mein Desinteresse zu mindern: Mitten im Affenhaus befand sich nicht nur eine Sammlung diverser Mäuse, sondern auch eine Brutstation, in der zwei frisch geschlüpfte Vogelkinder blind und ooohenswert umhertapsten. Lächelnd verleß ich das Gebäude, suche eine Karte, orientierte mich in Richtung der Bären und der Elefanten, ignorierte die restlichen Affen und lutschte vergnügt an meinem Lakritzbonbon.

Es ging bergauf. Sogar ziemlich steil. Das Panzernashorn wurde gerade gefüttert. Elefanten fetzen sowieso. Ein Leopard tigerte herum. Das Raubtierhaus sah von außen erstaunlich groß aus und roch
von innen nicht nicht, aber doch wenig genug. Zudem befand sich dort eine Toilette, deren Existenz mir Erleichterung verschaffte.

Dann ging es zu den Bären. Vor allem die Eisbären wurden von begeisterten Betrachtenden umzingelt, und es war für mich nicht schwer, den berühmten Wilbär ausfindig zu machen. Er schlief und wirkte, obwohl ich versuchte, mich der allgemeinen Verniedlichung von Eisbären zu verweigern, äußerst niedlich. Ich verzichtete jedoch auf ein "Oh, süß!", schmunzelte nur ein bisschen und ging dann weiter. Bei den Zebras hörte ich die altbekannte Frage, ob diese denn nun weiß-mit-schwarzen-Streifen oder schwarz-mit-weißen-Streifen seien und zwischendurch begegnete ich mal wieder meinem Freund, dem Raben.

Ich gelangte an ein weiteres Gewächshaus, wo unter anderem eine riesige Blume namens Titanenwurz darauf wartete, ihren immensen Blütenstand zu entfalten und die Umgebung mit nasenbetäubendem Aasgestank zu beglücken. Mein Interesse an zoologischen und botanischen Gärten war mittlerweile rapide gesunken, doch fand ich plötzlich inmitten des Gewächshauses einen Raum, der mich alle Mattigkeit vergessen ließ: Das Nachttierhaus.

Der Zugang lag in komplettem Dunkel, und vorsichtig schritt ich voran. Dann verbreiterte sich der Gang zu einem Raum, noch immer dunkel, doch mit Schwarzlicht beleuchtet, so dass es nicht nur möglich war, sich ohne blindes Tasten voranzubewegen, sondern auch Tiere zu sehen, die offensichtlich in Dunkelheit bleiben sollten.

Das erste Wesen, das ich sah, sah ich nicht. Die reduzierte Beleuchtung brachte den Nachteil mit sich, dass es den eigentlich der Beschauung dienenden Zoobewohnern leichter fiel, sich zu verstecken - insbesondere wenn aus der Beschriftung nicht hervorging, wonach eigentlich zu suchen war.

Umso leichter war es, Fledermäuse zu finden. Inmitten eines riesigen schwarzlichtdunklen Raumes befanden sich so viele dieser Flatterttiere, dass ich mich von vorneherein weigerte, sie zu zählen. Ich war begeistert.
Sie hingen überall. Von Seilen, von Ästen, ja sogar direkt an der Glasscheibe, die sie von uns Gaffenden trennte. Unterschiedlichste Arten waren zu sehen, umgeben von allerlei Obst, von dem einige umherfliegende Exemplare immer wieder im Flug abbissen.

Auf dem Boden kroch ein besonders interessantes Exemplar herum. Es hatte anscheinend keine Lust zu fliegen und bewegte sich fort, indem es Flügel und Füße als Kriechwerkzeuge benutzte. Fasziniert beobachtete, wie es sich erstaunlich schnell in Richtung Wand bewegte, dort erst einen Ast, dann ein Seil hochkletterte und sich schließlich zufrieden hängen ließ. Lange blieb ich, um die Flederwesen zu beschauen, die mir bekanntlich ein wenig ans Herz gewachsen sind.



Dann war es Zeit zu gehen. Auf dem Weg zum Ausgang erlebte ich versehentlich noch eine Seelöwenfütterung und den Streit mehrerer Pelikane. Auch war der Rabe [Ich hatte, weil es mir besser gefiel, beschlossen, dass es sich nur um ein einziges Exemplar handelte.] extra gekommen, um mich zu verabschieden. Ich winkte ihm zu und ging dann zur U-Bahn-Haltestelle.

Aufgrund eines Polizeieinsatzes am Hauptbahnhof musste ich in Stadtmitte umsteigen und auch dort zunächst eine Viertelstunde auf meine Bahn warten. Doch ein Apfel, ein gutes Buch und die Freude über einen wirklich schönen Nachmittag in der Wilhelma versüßten mir die Zeit.

Dienstag, 5. Mai 2009

MiSt - Wilhelma Stuttgart - Teil 1

Prinzipiell gilt: Wenn eine Haltestelle den Namen der Lokation trägt, die ich besuchen möchte, gehe ich von einer guten Findbarkeit aus. Und so war es auch: Als die U14 die Haltestelle Wilhelma erreichte, schnappte ich mir meinen Rucksack und stieg aus - blaustem Himmel, fröhlichstem Sonnenschein und gutesten Temperaturen entgegen. Ein Innehalten zauberte meine Sonnenbrille hervor und das Jacket hinfort und gab mir zugleich Gelegenheit, mich heimlich umzusehen. Wohin floss der kinderreiche Menschenstrom? Wo befand sich des Zoos Eingang?

Denn dorthin war ich unterwegs: zum Zoo. Doch der Zoo in Stuttgart ist keineswegs ein einfacher Zoo, oder, wenn man es etwas umständlicher mag, ein zoologischer Garten, sondern beinhaltet auch diverse Botanität, die dem ganzen Objekt einen derart umständlichen Titel verliehen hätten, dass "Wilhelma" doch eine angenehme Verkürzung darstellt.

Den zahlreichen Menschen folgend stellte es dann auch kein Problem dar, den Haupteingang zu finden und 12 Euro gegen eine Eintrittskarte zu tauschen. Offensichtlich wurde der Eingangsbereich gerade einem Umbau unterzogen. Denn nicht nur verkündete ein noch leerstehender Glasbau, alsbald die Souveniritäten beinhalten zu wollen, die Eintrittskarte selbst war Beweis genug. Sie war offensichtlich dafür ausgelegt, in eine automatische Schranke gestopft zu werden, doch wurde im Augenblick noch von echten Menschen bearbeitet. Sie rissen einfach eine Ecke ab.

Planlos entdeckte ich erst Kinderhorden und dann Pinguine. Und inmitten der Pinguine einen Reiher, unberührt die gaffenden Augenpaare ignorierend. Sein Freund wartete drei Meter höher auf der Mauer, von den meisten Besuchern unbemerkt.

Vöglig ging es weiter, als ich mich in die Voliere begab. Der Fotoapparat war längst meinem Rucksack entflohen, und ich versuchte, die herumstolzierenden, herumfliegenden und herumsitzenden Flattertiere zu interessanten Posen zu überreden - oder zumindest dazu, ein wenig näher zu kommen. Doch die Federwesen blieben störrisch, und irgendwas in mir hieß dies gut.

Auch hier wurde gebaut, und ein unbefestigter Pfad führte an Pinguinjungen vorbei ins Freie. Ich beschaute die Voliere noch einmal von außen und entdeckte noch ein paar schöne Vögel, die leider ein Ästhetik minderndes Gitter von meinem Objektiv trennte.

Apropos: Obgleich meine wunderfeine DSLR-Kamera eindeutig nicht zu den Knipskisten zu zählen ist, fühlte ich mich als verlierender Teilnehmer eines nicht gewollten Schwanzvergleichs: Erstaunlich viele Zoobesucher nutzten offensichtlich das sonnenlichtige Wetter, um mit monströsen Objektiven und Stativen nach besten Motiven jagend den Zoo zu durchkämmen. Ich hingegen suchte nur ein paar schöne Bilder, mit denen der vermutlich unkurz werdende Text buntisiert werden konnte.

Nach den Vögeln sah ich mir den Eisstand an. Und die Merchandise-Produkte. Ein Eisbär namens Wilbär besaß nicht nur einen ähnlich grauenhaften Namen, sondern offensichtlich auch den Wunsch, es dem berühmtesten aller Knuts gleichzutun. Plüschtiere und Kalender warend as wenigste, was man von diesem ebenfalls 2007, allerdings nach Knut, geborenen knuffeligen Raubtier erwerben konnte.

Als nächstes beschaute ich mir Insekten. Dabei wurde deutlich, dass ich eindeutig die falsche Laufrichtung gewählt hatte. Ich musste am gesamten Gebäude vorbeigehen, um den Eingang betreten zu können, durch das Insektarium zu stolpern und anschließend wieder, auf dem Weg zur nächsten Sehenswürdigkeit, daran vorbeizugehen.

Außerdem war offensichtlich, dass man sich Mühe gegeben hatte, die Tier- und Pflanzenbetrachtung auch für die Besucher mit Dächern zu versehen, um auch bei unguterem Wetter nicht auf Schaulustige verzichten zu müssen. Im Gegenzug gab es abseits des Rundgangs zwischen viel Platz für Wiesen und Bäume, die teilweise sogar Waldgefühle aufkommen ließen. Tatsächlich besaß die Wilhelma einen sehr angenehm-parkigen Charakter. Und hin und wieder geriet man an riesige Grünflächen, die als Vogelwiese deklariert worden waren und nicht betreten werden wollten.

Das Insektarium, von dem ich nicht wusste, ob es so hieß, gefiel mir. Spinnen und Heuschrecken und Skorpione und Schaben und dergleichen mehr bildeten nicht nur hinreichende Unterhaltung für Zugleich-Angewiderte-und-Faszinierte und für Wo-ist-Walter?-Suchfreunde, sondern auch leicht verdaubare und beschauliche Wissenbrocken für die völlebedingten Wartemomente. Übergroße Insektenkopfvergleiche waren nicht weniger interessant als Tausendfüßerbeinzahlen und Ameisenbauarchitektur.



Eine Glastür führte zum Schmetterlingshaus, und obgleich ich außer dem des eindrucksvollen Bananenfalters keinerlei Namen behielt, war es doch ungeheuer faszinierend und zugleich wunderschön anzusehen, wie die grazilen Flügeltiere zwischen Blättern und Blüten hin und her flatterten, hin und wieder landeten, um sich an der durch die Glaswände hereinfallenden Sonne zu wärmen und dann vergnügt weiterzufliegen.

Nicht minder vergnügt war ich, der geduldig vor einer Blume hockend darauf wartete, dass sich einer der Schmetterlinge ausgerechnet hierhin, zu mir gesellen würde. Weniger grazil, aber nicht weniger spannend waren die Schmetterlingsraupen, die sich affengleich an blättrige Stengel klammerten und mit bezaubernder Trägheit bewegten.

Ein für Schmetterlinge geltendes Schild "Wir müssen drinnen bleiben" klebte auf der Glastür, die zum nächsten Raum führte, wo ich unter anderem lernen durfte, dass Bienen nur vier bis fünf Wochen lang leben und je nach Alter unterschiedliche Berufe ausführen. Außerdem sehen sie bis zu 300 Einzelbilder pro Sekunde.

Der nächste Glasbau war das Amazonienhaus. Abgesehen davon, dass hier gerade Scheiben gereinigt wurden und sich zahlreiche Kinder und Erwachsene vor den unberührt herumliegenden Kaimanen drängelten, fand ich nichts wirklich Fesselndes. Aber ich gelangte zu der Erkenntnis, dass die eigentlich lobenswerte Erfindung des Brillentrockners im Amazonienhaus-Eingangsbereich für Kontaktlinsenträger ihre Bedeutung verliert. Im Gebäude wurde dann deutlich, dass es bei der Wilhema tatsächlich nicht nur um einen zoologischen, sondern auch um einen botanischen Garten handelte - zahlreiche tropische Gewächse säumten, mit Erklärschildern bewachsen, den Schaupfad.

Mein nächstes Ziel war das Aquarium, doch bewunderte ich zuvor den Spielplatz auf dem unter anderem ein riesiges Holznilpferd dazu verleitete, in seinem sperrangelweit geöffneten Mund herumzuturnen. Außerdem beobachtete ich einen Raben, der des Waschbärs Abwesenheit nutzte, um in dessen Gehege an einem Knochen zu nagen

Das Aquarium war ein schier endloser Bau, angefüllt mit veringerter Helligkeit und den Kinderlärmechos. Und natürlich mit Fischen. Unzähligen.
Leider ließ nach Hechten und Forellen, nach im Sand verbuddelten Butts [Bütte? [Danke!]] und einem Zitteraal mit Entladungsanzeige mein Flossentierinteresse rapide nach, und selbst quirlig-bunte Exoten vermochten nicht mehr, als meine im Vorbeigehen verteilten Blicke zu erhaschen. Doch hatten die Zoobesucher offensichtlich mit meinem unbeeindruckten Vorbeischreiten gerechnet und zwischen den fischigen Aquarien immer wieder welche gepflanzt, die meine Aufmerksamkeit weckten, mein Tempo verlangsamten und meine Begeisterung schürten: Seeigel, Seerosen, SeeSterne, mit Schwarzlicht beleuchtete Quallen, ein versteckter Krake und Krabben und vieles mehr, die dieses Gebäude durchaus aufwerteten.

Gleich hintenan erstreckte sich das Terrarium, zahlreiche Schlangen beherbergend, deren Giftigkeit oder Größe stets Begeisterungsrufe aus Kindermündern erwirkten. Ich war stolz, das Chamäleon zu entdecken, das sich aber zugebenermaßen auch keine große Mühe beim Tarnen gegeben hatte, und trat ins Freie.

Montag, 27. April 2009

MiSt - Das Prag

Ich bin mir dessen bewusst, dass sich die wundergute Serie "MiSt - Morast in Stuttgart" in letzter Zeit vorrangig mit nachtlebigen Lokalitäten befasste, doch verspreche ich, dass alsbald auch tagsüber besuchbare Sehenswürdigkeiten der schönsten aller baden-württembergischen Landeshauptsädte textliche Erwähnung finden werden. Und so.

Das Prag sei nur kurz beschrieben, denn schließlich beschloss es, nachdem ich es einmal besucht hatte, zu sterben. Ich fühle mich ein wenig schuldig. Immerhin gibt es bereits einen Nachfolger, das Lehmann, irgendwo in der Stadtmitte angesiedelt, das ich mir aber aus verständlichen Gründen noch nicht zu besuchen traute.

Das Prag befand sich am Pragsattel, mit diversen U-Bahnen umstandslos erreichbar. Nur das Wegkommen war erschwert, zumindest, wenn man nicht wusste, dass man den Nachtbus zu nehmen hatet bzw dessen Abfahrtszeiten nicht kannte und dementsprechend bei winterlichen Temperaturen mit der Frage haderte, ob es sich lohnte, Geld in eines der wartenden Taxis zu investieren.
Doch glücklicherweise hatte ich als gerade Zugezogener irgendwen gefragt und wusste zumindest um die Existenz von Nachtbussen und um ihre Abfahrtszeiten am Schlossplatz. Ich brauchte also nur die Pragsattel-Schlossplatz zu schätzen, ein wenig Wartepuffer zu addieren und - weil ich keine Ahnung von den Dimensionen der Busstrecke oder Stuttgarts hatte - 15 Minuten zu früh an der Haltestelle zu stehen. Immerhin funktionierte das anschließende Umsteigen problemlos, und alsbald war ich heimgekehrt in dem Wissen, dass sowohl der Nachtverkehr benutzbar als auch das Prag besuchbar ist.

Doch ich fange am besten am Anfang an.
Ich war gerade nach Stuttgart gezogen; mein heimisches Internet erfreute sich noch umfangreicher Nichtexistenz und schickte mich in regelmäßigen Abständen in innenstädtische Internetcafés, um nicht nur dort meine Comics aktualisieren, sondern auch die kulturellen Möglichkeiten meiner neuen Heimat zu erfragen.

Das Prag lockte mit einer Metallnacht, und allein seine gute Erreichbarkeit war es, die mich überzeugte, kurz vor Mitternacht in eine U-Bahn zu steigen und anschließend zwei unhell gekleideten, weiblichen Wesen dorthin zu folgen, wo rauchende Eingangsmarkierer ihr abendliches Werk vollbrachten. Es ging nach unten, in den Keller, in mangelhafte aber ausreichende Beleuchtung, in nichtrauchende Menschenmengen und Getöns aus hardcorigem Metal.

Ich fand die Bar, ich fand die Toilette, ich fand lederne Sitzmöglichkeiten, ich fand eine zweite Bar, alles im selben Raum, nur durch Pseudowände getrennt, ich fand - natürlich - die Tanzfläche, die zwar eine unfreundliche Säule in der Mitte besaß, aber gut besucht war.

Ich fand heraus, dass die heftige, aber nicht sehr finstere Musik von zahlreichen ebensowenig finster Gekleideten genossen wurde, entdeckte aber genug true Metaller, um nicht beunruhigt zu sein. Schließlich hatte sogar ich einen Kapuzenpullover mit Fred-Motiv an, war also keineswegs ein eviles Vorbild.

Was ich nicht fand, war die Garderobe. Ich irrte umher und befragte schließlich gegen den Erwerb einer großen Cola die äußerst freundliche Barfrau, die in eine düstere Ecke verwies. Dort existierten tatsächlich Kleiderständer, aber keine Bewacher, die mir im Austausch gegen Kleingeld Papierfetzen schenkten. Ungut, dachte ich, befanden sich an mir doch nicht nur der erwähnte, warme Fred-Pullover, sondern auch noch eine dicke Winterjacke und ein mit Einkäufen befüllter Rucksack, ganz abgesehen von Telefon, Geld und Schlüsseln.

Ungeachtet meiner unlängst gemachten Winterjackenverlusterfahrung in Magdeburg legte ich es drauf an, klaubte nur das Wichtigste aus den Taschen und positionierte mein Gut an einem unauffälligen Haken, das Beste hoffend und später immer mal kontrollierend.

Die Lokation an sich besaß eine gemütliche Größe und wirkte ein wenig heruntergekommen. Die Toiletten waren nur dem Notfall vorbehalten, und Gespräche waren nur außerhalb des Gebäudes möglich. Dennoch fühlte ich mich wohl und staunte, wieviele Songs von ein- und derselben hardcoremetallischen Musikrichtung hier hintereinander gespielt wurden.

Ich stand eine Weile herum, hielt mich am Glas fest, platzierte mich dann auf den Ledermöbeln, lauschte den Klängen, auf bessere hoffend. Mir gegenüber sprangen bei jedem zweiten Lied zwei Gestalten auf, besser: Nur eine sprang auf, und die andere, offensichtlich ein Mitläufer, lief hinterher. Neben mir schafften es zwei feminine Wesen mit tätowierten Armen, den Krach zu übertönen und sich zu unterhalten.

Und plötzlich ertönten Känge, die ich kannte: Sepultura! Zwar fand ich Sepultura nie sonderlich begeisterungswürdig, doch sowohl ihren Klassiker "Roots" als auch die Kooperation mit KoRn "Ratamahatta" kann ich durchaus gutheißen. Doch ich sprang nicht auf, schüttelte nicht mein Haupthaar, wagte noch immer an eine musikalische Annäherung an meinen Geschmack zu glauben. Und tatsächlich: Wenige Lieder später lärmte es erneut bekanntermaßen durch den Raum: Otep! Diesmal hielt mich nichts und niemand. Ich stürmte zur Tanzfläche, ignorierend, dass ich der einzige Nutzer selbiger war, riss mir die Brille vom Gesicht und ließ mein Haupthaar wirbeln, begleitet von dem keineswegs weiblichen Gegrunze der Otep-Sängerin.

Danach plumpste ich innerlich grinsend in die Polster und wartete darauf, dass das nächste Schönklang mich erreichen würde. Ich wartete. Und wartete. Und wartete. Als mein Gutelauneakku sich bedrohlich dem Negativbereich näherte, entdeckte ich eine sympathisch aussehende, allein herumstehende Dame, die ich spontan mit mir belästigte.

"Kommt hier immer dieselbe Musik?", fragte ich, auf ein Nein hoffend, noch immer, ungeachtet aller Realitäten, an mögliche Abwechslung glaubend.
Sie sah mich fragend an. "Wieso? Was hättest du denn gern?"
"Naja irgendwas, das nicht so ... hardcorig ist."
Sie überlegte kurz.
"Ich war vorhin drüben, aber da lief auch nur Black Metal..."
"Moment.", warf ich ein. "Es gibt ein Drüben?"
Sie nickte, zeigte mir den Weg: An der Toilette vorbei, durch eine kleine Tür.

Ich stand vor einem Dilemma: Wollte ich die Lokation ändern, in der Hoffnung, an anderem Ort bessere Musik zu vernehmen, dort vielleicht in erhöhter Frequenz auf die Tanzfläche gelockt zu werden? Oder wollte ich hier bleiben, mit ihr reden, die ich nicht kannte, die jedoch interessant genug wirkte, um mit ihr reden zu wollen? Wollte ich verweilen, inmitten von Ungutlärm, über den Krach hinweg Kommunikation versuchen, mich krampfhaft bemühen, ein unverfängliches und doch amüsantes Gesprächsthema zu finden, mich nicht aufdrängen, aber doch zugleich bemerkbar machen?

Ja! Ich will bleiben!, rief alles in mir, doch ich war schon "drüben", den einfacheren Weg begehend, der Hoffnung auf bessere Musik folgend. Vergeblich.

Sicherlich, hier hausten "echte" Metaller, so wie ich sie kannte, bangten zu schwarzmetallischem Rauschklang bei viel zu viel Licht auf kleiner Tanzfläche. Sicherlich, es lief kein Lied, das mich abschreckte oder genervt seufzen ließ. Aber es kam auch nichts, was ich kannte, nichts, was mich dazu bewegen konnte, mich zu bewegen, nichts, was ich irgendwie als Bleibgrund erachtet hätte.

Ich ging zurück, einen Gesprächsanknüpfpunkt ersinnend. Doch sie war nicht mehr da.
Natürlich, dachte ich enttäuscht, holte meine glücklicherweise noch immer existente Garderobe ab ung verließ das Prag in Richtung Haltestelle.

Was dann geschah, schrieb ich bereits. Oben.

Sonntag, 26. April 2009

MiSt - Rockfabrik Ludwigsburg - Schon wieder

Für Spontanes bin ich immer zu haben. Wenn mich also Kollege T gegen Mittag fragt, ob ich am Abend auf das Konzert einer mir völlig unbekannten Band gehen möchte, ist meine Grundtendenz zunächst ein Ja. T selbst hatte die Musikformation am Vortag entdeckt, war daher kaum wissender als ich. Immerhin kannte er einen Namen: Delain. Angeblich "symphonic metal", was auch immer das bedeutet. Dem myspace-Profiläußeren folgend würde ich behaupten: Metallisch-Gothische Klänge mit viel Keyboardmelodie und Frauenstimme. Within Temptation lässt grüßen. Oder After Forever. Oder Epica. Oder Xandria. Oder Leaves Eyes. Oder ...
Ich sagte zu.

Es war lange nach 19 Uhr, als wir uns endlich von Arbeitgefilden befreien und in Ts Auto setzen konnten - auf nach Ludwigsburg in die Rockfabrik. Den Eingang zu sehen, fiel diesmal leichter; schließlich herrschte Tageslicht: Doch einen Parkplatz zu finden, war nicht leichter als bei meinem letzten Besuch. Glücklicherweise auch nicht schwerer.
Umso komplizierter hingegen wurde uns der Zugang zum Gebäude gemacht. Auf einem an die Tür geklebten Zettel stand in großen Lettern "Eingang" und darunter in kleiner Schrift, dass sich ebenjener oben befinde. Also liefen wir die Parkdeckauffahrt hoch, folgen anderen Hochläufern und fanden rasch den Eingang zum Floor 2 der Rockfabrik, zum kleineren Raum, in den, so wurde mir vom Türsteher erzählt, bis zu 300 Leute passen. Heute seien es wohl etwa 200, meinte ebenjener Türsteher, kein Vergleich zu den 1200, die auf dem unterne Floor Platz finden.
Dennoch war es voll, eigentlich sogar voll genug. Denn obwohl sich die Menge nach hinten hin geringfügig lichtete, war der Raum doch bis an den Rand gefüllt. Die übliche Cola wurde heute im Plastikbecher geliefert, und zum ersten Mal bemerkte ich die schmalen, eckigen Säulen, die den Blick nach vorn, zur Bühne ein wenig beschränkten.

Auf der Bühne standen beim letzten Mal noch Tische und Stühle; nun bot sie Platz für eine Formation namens LastDayHere aus Slowenien, die mich beim myspacigen Reinhören zwar sehr an Nickelback erinnert hatte, aber nun ordentlich rockten. Und vor allen Dingen taten sie, was eine Vorband tun sollte: Sie wärmten das Publikum auf. Tatsächlich verging keine Minute, ohne dass der Sänger seinen Song um diverse Mitmachaufforderungen erweiterte und es tatsächlich schaffte, die Meute zu bewegen. Die Musik war ein wenig eintönig, aber gut; an der klanglichen Qaulität der Lokation hatte ich nichts auszusetzen. Konzerte in der Rockfabrik sind offensichtlich besuchbar, dachte ich.

In der Umbaupause tat T das, was sich als Raucher gehört. Er markierte den Rockfabrikeingang mit Asche und von Papier ummanteltem Schaumstoff. Zunächst sprach uns ein LastDayHere-Groupie an, ob wir denn große Delain-Fans sein, was wir grinsend verneinten. Vor 24 Stunden hatte keiner von uns jemals von dieser Band gehört. Und von LastDayHere erst recht nicht. Der Türsteher kam hinzu und erzählte Geschichten. Interessante. Von einem anderen Hinzugeseller erfuhren wir, dass es 21.05 Uhr losgehen und 22.20 Uhr enden würde. Theoretisch jedenfalls.

Plötzlich klapperte eine Eisentür, und die gesamte Delain-Band stand vor uns, hochgeführt von einem hiesigen Auskenner, bereit, die Bühne zu erstürmen. Wir waren auch bereit, drängten uns an dem Hauptakt des Tages vorbei Richtung Eingang. Der Gitarrist sprach mich an, aber da ich nicht wusste, ob das nun Niederländisch, Englisch oder Deutsch war, verstand ich nichts, zuckte mit den Schultern und ging rein. Denn nun sollte es losgehen. Und es ging.

Die Musik war gut. Nicht überragend, nicht überwältigend, aber gut genug, um jubeln und sich dem Schlagzeugtakt anvertrauen zu können. Gut genug, um die Band zu mögen. Gut genug, um sogar eine ungefähr 70-Jährige angelockt zu haben. T meinte später, dass die Sängerin zuweilen nicht ausreichend Stimme besessen hätte, und ich ergänzte, dass das Schema der Songs sich bemerkbar glich. Doch das war egal, denn die Band wusste zu gefallen. Das lag nicht nur an klanglicher Eingängigkeit, nicht nur daran, dass die metallischen Passagen sehr dazu verleiteten, das eigene Haupthaar durch die Gegend wirbeln zu lassen, nicht nur daran, dass wieder und wieder [aber nicht übertrieben häufig] das Publikum zum Hey-Schreien, zum Klatschen oder gar zum Headbangen aufgefordert wurde, sondern auch an der Sängerin.

T meinte, dass kleine Clubs wie dieser den Vorteil besaßen, dass sich die Bands nicht hinter Effekten verstecken konnten. Doch diese Band brauchte auch nichts dergleichen; es gab ja die Sängerin.

Ich mag, wie ich vermutlich schon häufiger erwähnte, Frauen, die headbangen können, finde sie schon aus Prinzip ästhetisch. Die Delain-Sängerin war zusätzlich auch bei Stillstand mindestens ansehnlich und schaffte es, auf unglaublich sympathische Weise zu lächeln, zu reden und zu gestikulieren. Kurz gesagt: Wow.
Ich verzichtete freiwillig darauf, meinen Kopf zu schütteln, nur um ihr dabei zusehen zu können.

Wenige Minuten nach Zehn gab es dann die erste Zugabe. Der erwähnte Plan wurde befolgt. Zwei Lieder, die sich ähnelten, doch trotzdem gefielen. Und dann war es vorbei. Artig bedankte man sich, und ich fragte mich, ob die Sängerin nach jedem Konzert derart begeistert vom Publikum war, oder ob das heutige besondere Leistungen vollbracht hatte.

Die Antwort kam rasch, denn nachdem die begeisterte Meute immer wieder lautstark Zugabe skandiert hatte, gab es eine kurve Verwirrung auf der Bühne - und einen weiteren Song, der mit einem verdutzten "Das war gar nicht geplant." eingeleitet wurde.

Dann jedoch war es vorbei, und während mich T freundlicherweise nach Hause chauffierte, freute ich mich, zu einem spontanen Ja fähig gewesen zu sein und die Rockfabrik auch als gutfindbare Konzertlokation kennengelernt zu haben.

Freitag, 24. April 2009

MiSt: Die Röhre

Es sei erwähnt, dass die Beiträge der Reihe "MiSt - Morast in Stuttgart" keineswegs einer chronologischen Ordnung unterliegen. Es ist also durchaus möglich, dass ein Text von frühlingshaften Temperaturen erzählt und der nächste Winterbekleidung beinhaltet.

Die Maklerin, die mir vor etwa zwei Monaten meine Wohnung vermittelte, hatte behauptet, dass es in Stuttgart kaum regnen würde. Seitdem erlebte ich jeden der durchaus zahlreichen Regentage mit besonderer Intensität, immer ihre Worte im Hinterkopf hörend.

Zum Glück mag ich Regen, und daher störte es mich auch nicht, dass Nieselregen den Tag befüllte, an dem ich mit kollegialer Begleitung die Stuttgarter Loaktion namens "Röhre" suchte. Unweit des Hauptbahnhof sollte sie sein, also mitten im Zentrum gelegen, perfekt erreichbar mit allerlei Arten öffentlichen Personennahverkehrs. Doch obwohl Kollege T ihre genaue Position zu kennen glaubte und ich in weiser Voraussicht googlige Karten befragt hatte, verirrten wir uns.

Immerhin war eins klar: Die Röhre ist ein kleiner Club, der in eine Brücke eingelassen ist, dementsprechend auch röhrenförmigen Charakter besitzt. Allein dieses Wissen schränkte das Suchfeld ein, und alsbald stießen wir auf ein paar Schwarzgewandete, die offensichtlich zum gleichen Konzert wollten wie wir, jedoch ungeachtet des Wetters kurzbeinlig und -ärmlig bekleidet waren.

Wir folgten unauffällig, und als wir einen schmalen, aber betonierten Pfad durch einen kleinen, wild wuchernden Park begangen hatten, trafen wir auch schon auf die überall zu findenden Raucher, die den Eingang zum Club mit Zigarettenstummeln markierten.

Letzte Instanz sollte auftreten, eine Band also, die durchaus gemischtes Publikum lockt, dementsprechend meine Studien zur Existenz einer Schwarzen Szene in Stuttgart nicht unbedingt vorantreiben würde. Der Eingang führte in einen Vorraum, in dem sich gleich rechts der Merchandisebereich befand. Noch vor diesem konnte ich mittels Türsteherbefragung die Garderobe ausmachen und freute mich, meine winterliche Oberbekleidung und den Rucksack in bewachende Obhut geben zu können. Die Kleidungsstücke wurden sämtlich auf Bügeln abgelegt, die wiederum stilecht und platzsparend an stählernen Ketten hingen.

Vom nicht sehr großen Vorraum gingen links und rechts die Toiletten ab, die, wie ein späterer Besuch zeigen sollte, keineswegs zu Stuttgarts Sehens- und Riechenswürdigkeiten zählten.

Eine Treppe führte in den Hauptraum, der zunächst mit dem Barbereich begann. Ich erinnere mich nicht daran, was ich für meine Cola bezahlte, doch weiß, dass die Plastikbecher Pfandgut waren und dass die Barleute, selbst als irgendetwas am Boden zerschellte, ungewohnt gute Laune hatten.

Während sich also links der Getränkeausschank befand, existierte rechts die umzäunte Klang- und Lichtsteuerei. Vor dieser begann dann der eigentlich Rumsteh- beziehungsweise Rumhüpfbereich, und tatsächlich standen bereits zahlreiche Konzertbesucher wartend herum. Niemand hüpfte.

Die Röhre wirkt klein, und ich bin kein guter Publikumsmassenschätzer, doch reicht sie für mainstreamferne Bands durchaus aus. Gut gefüllt ergeben sich Menschenmengen, die imstande sind, angenehmste Konzertstimmung zu erbringen. Auch die Bühne war nicht sehr groß, schien gerade ausreichend zu sein für die immerhin sieben Instanzler zu sein, die nachher selbst mich Konzertrumsteher und "Die-neuen-Sachen-mag-ich-nicht-so"-Sager zur begeisterten Körpermovation treiben würden.

Zunächst jedoch lärmte die Vorband herum, eine zweiköpfige Formation, deren Namen ich nicht verstand und mich in Anbetracht ihrer Darbietung auch nicht sehr interessierte. Es war unangenehm, was da von der Bühne tönte, und damit meine ich nicht nur die 0815-Keyboard-Samples und den schiefen Gesang. Ich hatte bei jedem Liedimitat das Gefühl zu wissen, wohin der Song eigentlich gehen sollte - ohne dass dieses Ziel auch nur ansatzweise in Sichtweite gewesen wäre.

Ich nutzte die Zeit zur Lokationsbeschauung. Die Röhrenförmigkeit und die Brückeninnerei waren offensichtlich und sorgten für ein abgewrackt-bauhausig-fabrikiäres Flair, das mir durchaus behagte, war es mir doch aus zahlreichen anderen Clubs bereits bekannt. Ich konnte mir gut vorstellen, hier Abende mit Schneeschnieberei und Kopfschüttelei zu füllen, auch wenn das Programm der Röhre anscheinend eher Technoorientierung zeigte.

Letzte Instanz fetzten. Ich hatte von den letzten drei Alben so gut wie nichts mitbekommen, doch konnte mich nicht der Begeisterung verwehren, die diese Band auslöste. Der Klang war anfangs ungut, wurde aber nachgebessert, so dass auch die eher zarte Sängerstimme mit dem krachigem Instrumentarium konkurrieren konnte. Und natürlich wurde nicht auf Klassiker wie "Rapunzel" verzichtet. Und natürlich wurde das Publikum einbezogen, durch Wörter und Taten. Und natürlich war es unmöglich, still stehen zu bleiben.

Das anschließende Abholen meiner Garderobe dauerte ein wenig zu lang, und der Prasselregen, der uns am Ausgang empfing, war unfreundlich kalt. Doch mein zum Bersten gefüllter Gutelauneakku blendete all das aus, ließ mich innerlich glühen - und sorgte dafür, dass ich nicht nur die Letzte Instanz, sondern auch die Stuttgarter Röhre in positivster Erinnerung behalten würde.

Donnerstag, 23. April 2009

MiSt: Rockfabrik Ludwigsburg

Obwohl der Routenplaner sich als guter Wegweiser erwiesen hatte und ein Neonschriftzug grell leuchtend darauf hinwies, schaffte ich es, an der Ludwigsburger Rockfabrik vorbeizufahren. Der Rückwährtsgang half nur bedingt, brachte er mich doch auf einen akkurat befüllten Parkplatz, der sich weigerte, auch nur eine einzige autogroße Lücke zu präsentieren. 'Ganz schön groß.', dachte ich, die vielen Fahrzeuge um mich herum betrachtend.

Ich wendete, angefüllt mit Optimismus. Industriegebiete neigen schließlich vor allem nachts dazu, diverse Freiplätze zu bieten. Ich hatte Recht, parkte, stellte nachträglich fest, dass sogar ein Parkdeck existierte, und lief in Richtung Neonschrift. Ich kannte nichts und niemanden und war aus irgendeinem Grund nervös. Nach außen jedoch versuchte ich mich als Wissender zu geben, lief ohne Zögern an den üblichen Vor-dem-Eingang-Rauchern vorbei, betrat das Gebäude, sichtete die Kasse, passierte angenehm überrascht aber mit regloser Miene zahlreiche abschließbare Schränke, zahlte 4 Euro Eintritt, ließ mich von den Türstehern unsichtbar bestempeln [Woher wissen die, wann die Stempelfarbe alle ist?] und war drin.

Die Erstblickgröße der Lokalität wollte mich innehalten lassen, doch ich wandte mich nach rechts, alle anderen Optionen kurz aber eindringlich musternd: Dort sah es nach Toilette aus, da nach Treppe, vermutlich zum zweiten Floor führend. Direkt neben mir befand sich eine Art Rundbar mit polstrigen Sitzmöbeln, gut genug vom Lärm abgeschottet, um in einigermaßen normaler Lautstärke miteinander reden zu können. Ich war erfreut und lief weiter, Richtung Musik.

Gitarren tönten, kein Metal, wie gehofft, sondern Hardrock, irgendwo in den 80ern angesiedelt. Der Name Whitesnake fiel mir ein, doch bezweifelte, dass er seine Richtigkeit hatte. Immerhin war die klangliche Befüllung angenehm, nicht völlig meinem Geschmack entsprechend, aber dennoch gut genug, um bleiben zu wollen.

Die Wände waren bedeckt mit düsteren, aber qualitativ hochwertigen Gemälden, denen es weder an Tötenköpfen noch an weiblichen Brüsten mangelte. Zudem war es hell, unnötig hell für mich, der es gewohnt war, sich in bewusst schlecht beleuchteten Clubs der Musikalbewegung hinzugeben. Dennoch fühlte ich mich wohl.

Die Tanzfläche war groß und für ihre Ausmaße überraschend dicht bevölkert. Um sie herum befand sich eine Art Geländer, an das sich allerlei wartende, schauende und im Takt wippende Gestalten lehnten und das an diversen Stellen für Tanzflächenzugänge unterbrochen war. Hinter dem Geländer gab sich eine Art Sitzbank, der Tanzfläche zu, natürlich ebenfalls in Blickrichtung des Tanzgeschehens, an das sich wieder eine Art Geländer anschloss.

Beide erwähnten Geländer beinhalteten etwas, das ich spontan Balkonkästen nannte und dazu diente, abgestellte Trinkgefäße, egal ob befüllt oder nicht, zu beherbergen und somit deren Umfallrisiko zu schmälern. Zunächst glaubte ich, dass die Balkonkästen auch eine Abflussvorrichtung enthielten, doch erfuhr recht rasch, nachdem ich ein wildfremdes Desperados, das unsachgemäß positioniert worden war, versehentlich in den B-Kasten stieß, dass der Kasten nicht zuletzt aus Löchern bestand, die jede Vergussflüssigkeit gen Erdboden laufen ließen.

Hinter dem Geländer begann der Gang und hinter diesem befanden sich, zumindest auf der einen Seite der Halle [denn ein Raum war dies gewiss nicht] weitere Sitzmöglichkeiten.

Der DJ residierte an erhöhter Position hinter Glas und bestand aus mehreren Personen, die scheinbar immer wieder ausgetauscht wurden. Es sah nicht so aus, als wären Musikwünsche sonderlich willkommen. Immerhin, und das entdeckte ich erst relativ spät, gab es zwei Schwarz-Weiß-Monitore, auf denen das Cover des derzeit vernehmbaren Musikstücks zu sehen war. Ein guter Gedanke, doch ungut umgesetzt. Das multipersonale DJ hatte offensichtlich eigenhändig dafür zu sorgen, dass die CD-Hüllen vor der Kameralinse landeten und platzierte sie zumeist mit unzureichender Präzision und unnötiger Verzögerung. Letztlich lief es auf eines hinaus: Wenn man das CD-Cover kannte, also mit Musikgruppe und deren Werk vertraut war, konnte man es auf den Bildschirmen erkennen - obwohl man es dann nicht mehr zu erkennen brauchte.

Ich ging einmal um die Tanzfläche herum, verwundert ob der ungewohnten Buntheit der Kleidung, besuchte - vorwiegend aus Neugierde - die erstaunlich saubere Toilette und erklomm dann, anderen folgend, die Stufen, die mich vermutlich zur zweiten Ebene führen würden, jene Ebene, die auf der rockfabrikigen Heimseite für den heutigen Tag als "Gothic-Metal" beziffert worden war und mich dementsprechend froher Hoffnung sein ließ.

Zunächst jedoch betrat ich eine Raucherlounge. Im Hintergrund lief leise Musik, es gab einen Billardtisch, Sitzmöglichkeiten und eine Bar - ein angenehmer Ort, um sich vom Diskolärm in ein Gespräch zurückzuziehen - wenn man den ersten Wortteil von "Raucherlounge" ignorierte.
Eine weitere Tür, weitere Stufen, weitere interessante Wandgemälde, und plötzlich Rumsbums.

"Rumsbums" ist meine favorisierte Bezeichnung für unhelle elektrische Musik, die ich in bewusster Unkenntnis komplett mit diesem Label versehe, wenn mir danach ist. Selbst Nicht-Rumsbums-Musik kann mir zu rumsbumsig sein, extremer Rumsbums hingegen wirkt schon wieder auf unerklärliche Weise attraktiv.

Floor 2 war eine Enttäuschung. Es gab mehr Platz als erwartet, mehr Sitzmöglichkeiten, sogar eine kleine Bühne und eine Bar, aber auch mehr Licht als gewünscht - und natürlich mehr Rumsbums als für Gothic-Metal gesund war.

Hier oben entsprach das Äußere der Anwesenden schon eher meinen Erwartungen, und ich begrüßte das Zurückweichen von Farblichem. Zwar tummelten sich auf der doch recht kleinen Tanzfläche auch ein paar alkoholisierte oder verwzeifelte Normalmenschen, die wohl von unten hineingeschwemmt waren, doch bin ich der letzte, der ihnen Freude verweigern will. Zudem waren die "Grufties" eher uninteressant, undscheinbar und gering an Zahl. Immerhin gab es ein paar angenehm schillernde Ausnahmen, die mich hoffen ließen, dass Stuttgart und Umgebung tatsächlich so etwas wie eine Schwarze Szene besaßen. Die Zahl der Gestalten, die ich den Metallfreunden zugerodnet hätte, konnte ich an einer Hand abzählen - mich eingeschlossen und nach einem Besuch im Sägewerk.

Die Musik war okay, mehr nicht, und ich gesellte mich zusammen mit einem pfandfreien 0,5er-Bierglas voller Cola an den Raumrand auf eine Sitzbank, wo ich interessierte Blicke auf die Tanzfläche warf, um die wenigen Sichselbstbeweger mit kritischem Blick zu mustern. Sie bestanden die Prüfung - gerade so.

Ich erhob mich, ging nach unten. Die Drück- und Ziehrichtungen der insgesamt drei Zwischenebenentüren zu erraten, sollte ein Vergnügen war, dessen ich am gesamten Abend nicht überdrüssig wurde.
Unten lief Judas Priest. Leider in den letzten Takten. Ich nickte vergnügt mit dem Kopf und hoffte auf das nächste Lied. Später auf das übernächste. Beziehungsweise auf das danach.

Die Musik war nie schlecht, eigentlich sogar meistens gut, doch mir nur selten bekannt. Marilyn Manson vernahm ich irgendwann, leider mit einem Lied, das ich nicht mochte. Und zu Metallica bange ich nur in Ausnahmefällen. Ich setzte mich auf eines der Geländer, hielt mich an meinem Bierglas fest [Dass ich das mal über mich schreiben würde] und beobachtete. Menschen. Und wunderte mich.

Natürlich waren mir längst nicht nur die unschwarzen Kleidungsstücke aufgefallen, die die Diskothekenbesucher mehr oder weniger erfolgreich bedeckten, sondern ich hatte auch bemerkt, dass ich keineswegs - wie befürchtet - ins Ludwigsburger Embryoschubsen geraten war, sondern vielmehr selber zu denen gehörte, die am unteren Ende der Altersskala angesiedelt waren. Doch erst jetzt wurde mir es wirklich bewusst, dass ich in einem schlechten Film gelandet war:

Eine Diskothek mitten in den 80ern, irgendwo in Süddeutschland. Einer sonderbar aussehenden, anscheinend angetrunkenen Gestalt wird der Zutritt verwehrt. Sie bettelt und fleht, geht auf weißen Linien, um ihre Nüchternheit unter Beweis zu stellen, fasst sich an die Nase, springt auf einem Bein, rezitiert Schillers Glocke, lockt fast das ganze Diskothekenpublikum vor die Tür, doch findet keinen Einlass. Die Türsteher bleiben hart, und die Anwesenden lachen sich kaputt.

Da stößt die Gestalt ihre Arme in den Himmel und ruft laut: "Ich verfluche euch, o Südländer! Fortan sollt ihr jeden Samstag hier verweilen, auf ewig die gleichen Lieder hören, zu den geichen Klängen tanzen, die gleichen Menschen sehen! Ihr sollt Runzeln bekommen und Haare verlieren, doch hier, in dieser Tanzlokalität, seid ihr dazu verdammt, euch aufzuführen, als wäret ihr jung für immer! Hardrockklassiker werden euer Leben sein - jeden Samstag für alle Zeit!"

Die Anwesenden lachen, verhöhnen die Gestalt noch mehr, langweilen sich jedoch bald und kehren dann in ihre Diskothek zurück. So wie fortan jeden Samstag Abend.

Hin und wieder gelingt es einem neuen Lied, einem neuen Besucher, sich einzuschleichen und das verfluchte Fabrikgebäude mit neuem Leben zu bereichern; neue Technik hält Einzug, neue Musikmedien, farblose Stempel und Raucherzonen - doch im Grunde bleibt alles gleich: Samstag für Samstag finden sich die Alternden zusammen und zelebrieren die Rockmusik der 80er und ihre erloschene Jugend mit einer Fröhlichkeit, der ein bitterer Beigeschmack von Verzweiflung mitschwingt...


So könnte es gewesen sein, dachte ich schmunzelnd, und zugleich freute ich mich für die Anwesenden, die die rockigen Klänge mit ganzem Leib genossen, die - obwohl es oft albern, oft unpassend, oft sehr bemüht, fast tragisch, aussah - Spaß an "ihrer" Musik hatten, an Musik, die mich zum Teil wünschen ließ, ein paar Lieder besser zu kennen, um mich ebenso auf der Tanzfläche vergnügen zu können.

Hin und wieder wanderte ich nach oben. Dort änderte sich nicht viel. Ich besuchte das dortige WC, das erstaunlich klein, aber für Diskothekenverhältnisse nahezu reinlich war, setzte mich irgendwohin, noch immer meine schwindende Cola umklammernd, und wartete auf gute Musik. Als sie kam, seufzte ich innerlich. War ja klar, dass ich ausgerechnet zum Mainstreamigsten tanzen würde.
Obgleich ich mich Depeche Modes "Enjoy The Silence" beispielsweise verweigere, mag ich doch "Never Let Me Down Again" sehr und bewegte - endlich - meinen Leib. Kurze Zeit später geschah es ein zweites Mal, dass ich aufhorchte: Nine Inch Nails' "Closer". Grund genug, erfreut zu sein.

Wenn ich abends weggehe, fühle ich mich stets, als trüge ich einen Gutelauneakku mit mir herum. Mein Ziel ist es, mich von der Lokalität entfernt zu haben, bevor er den Nullpunkt oder gar den Minusbereich erreicht. Und zwei Gutlieder reichten aus, um den Akku komplett zu befüllen. Ich hoffte noch immer auf Besseres, doch war zunächst zufrieden.

Es kam nichts Besseres. Der Oben-DJ hatte irgendwann ein Einsehen mit mir und erlaubte sogar Gitarristisches, also Musik, die ich entfernt unter Gothic-Rock einordnen würde, die ich auch einigermaßen leiden konnte, doch zu der ich mich nicht bewegen wollte. Nach drei Liedern war es dann auch wieder vorbei, und ich bewegte mich doch - zu Ebene 1.

Dort saß ich ein wenig herum und spürte, wie mein Akku sich leerte. Die Musik fühlte sich an, als müsste jeden Moment ein gutes Lied beginnen, doch nichts dergleichen geschah. Irgendwann zeigte der DJ, in diesem Augenblick eine Frau, auf mich und redete mit einer neben ihr Stehenden DJ-Personifizierung. Vielleicht zeite sie auch nur in meine Richtung, doch ich hoffte, sie meinte mich. Beziehungsweise mein Bandshirt. Danzig war schließlich eine Musikformation, die musikalisch sogar ins Konzept gepasst hätte. Und außerdem hatte ich soeben festgestellt, dass ich zwar schon zahlreichen Menschen beim Zappeln zugeschaut hatte, dass ich sogar ein paar Unter-Zwanziger gefunden hatte, die zum Teil headbangen konnten, sich aber jeden Fall zu - aus ihrer Perspektive - uralter Musik vergnügten - dass ich aber selbst die untige Tanzfläche noch nicht betreten hatte.

Die DJ-Tante schaute schon wieder, und ich fühlte mich unwohl. Zum Glück begann ein Lied, das ich kannte: Iced Earth "The Hunter". Gelassen legte ich mein Jacket ab, ging auf die Tanzfläche, suchte mir ein Stück Freiraum und begann, mein Haupthaar zu schütteln.

Die Cola war längst geleert, die Musik oben vermochte mich nicht länger zu locken, und auch die alternden Verfluchten vermochten nicht länger, spannend zu sein. Und so kam ich, dass ich ein paar Minuten lang mitging, die Musik lebte, Haare schüttelte, mich freute, mich amüsierte - und dann heimkehrte.

Mittwoch, 22. April 2009

MiSt: Der Fernsehturm

Die Serie "MiSt - Morast in Stuttgart", die ich mit diesem Artikel kreiiere, zu der ich aber spontan auch ältere, passende hinzufügen werde, soll die Sehenswürdigkeiten Stuttgarts beleuchten - natürlich aus Morastscher Perspektive, also mit ausreichend Gesülze und anstrengender Faktenarmut. Es ist zu erwarten, dass noch weitere Texte folgen werden, die unter anderem Stuttgarts Nachtleben ... äh ... beleuchten.
Und so.


Gegen Mittag riss mich das schlechte Gewissen aus dem Bett, eigentlich Stuttgart und seine Sehenswürdigkeiten besuchen und nicht den sonnenwetterwarmen Tag mit Unnötigkeiten vergammeln zu wollen. Doch als ich um vier noch immer zu Hause verweilte, zwar mit gefülltem Bauch, gesäubertem Geschirr und Körper, aber dennoch zu Hause, erdachte ich spontan das heutige Ausflugsziel: Der Stuttgarter Fernsehturm.

Nicht viel mehr als eine halbe Stunde, behaupteten die öffentlichen Verkehrsmittel, würden sie brauchen, um mich zum 1956 eröffneten ersten Fernsehturm der Welt zu bringen. Ich glaubte ihnen, packte Fotoapparat und Geld, Zeichenutensiliar und einen Apfel ein, und vertraute mich zunächst einer S-, später einer U-Bahn an. Der Unterschied war offensichtlich: Die S-Bahn fuhr ausschließlich unterirdisch, die U-Bahn hingegen zumeist an der Erdoberfläche.

Es irrten absonderlichste Gestalten durch die Gegend: Eine hagere Frau mit Bartschatten, die vermutlich nicht feminin geboren war; ein Mann mit Picknickkorb, der an jeder Haltstelle ein Stück durch die S-Bahn schlurfte und dann irgendwo plötzlich, kurz bevor sich die Türen schlossen, träge ausstieg; ein Türke mit blond gefärbtem Haar und einem angefangenen Becher Ayran in der Hand, den er jedoch während der gesamten Fahrt ignorierte; verdreckte Mountainbiker, die offensichtlich diverse Strecken befahren hatten, aber nicht bereit waren, zwei oder drei Haltestellenentfernungen innerhalb der Stadt zurückzulegen - und natürlich ich.

Als Ortsfremder, der kein solcher sein möchte, legte ich mir die Angewohnheit zu, stets zielbewusst aufzutreten, selbst wenn ich ahnungslos mit meiner Orientierungsfähigkeit hadere. Demzufolge versuche ich Richtungs- und andere Entscheidungen zumeist schon zu treffen, bevor es an der Zeit wäre, dies zu tun. Eine Taktik, die sich bewährte, denn als ich an der Haltestelle Ruhbank Fernsehturm ausstieg, wandte ich mich entschlossen nach links, also irgendwohin, mit der Gewissheit, dass ein Fernsehturm sich freundlicherweise leicht entdecken lässt.

Und tatsächlich: Da war er, betonhellgrau aus Bäumen hervorragend, wenig imposant, wenig ästhetisch, aber immerhin vorhanden und schwerlich verfehlbar. Der Turm war umkränzt von Wald, und offensichtlich führten mehrere Wege durch ihn hindurch zur dem Bauwerk, das heute trotz seinem Namen nur noch Radiosignale versendet. Obwohl der Architekt angeblich dergleichen geplant hatte, käme niemand ersntlich auf den Gedanken, in dem Turm eine Art Betonbaum zu sehen, dem umgebenen Grün entwachsen.

Der Turm enttäuschte mich bereits, bevor ich ihn überhaupt betreten hatte. Da er sich auf dem Hohen Bopser, also einem Bergchen befindet, hatte ich erwartet, ein paar Kilometer gen Himmel wandern zu müssen, doch die Strecke zwischen Haltestelle und Eingang war nicht nur kurz, sondern auch frei von Steigungen. Und obwohl es einen jährlichen Treppenlauf gibt, war mir der Zugang zu den 762 Stufen verwehrt. Statt dessen hatte ich fünf Euro Eintritt zu zahlen, um einen Aufzug zu benutzen, der erstaunlicherweise zwei Jahre vor Turmöffnung erbaut worden war und seichte Popmusik an mein Ohr dringen ließ.

Drei Personalitäten kümmerten sich um alles Aufzugige. Nach der Begegnung mit dem Kartenverkäufer lief man drei Viertel eines Kreises um den Aufzug herum, um an einer Tür zu landen, die - natürlich - verschlossen war und erst durch eine Türöffnerin zum rechten Zeitpunkt freigegeben werden würde.

Ich war nicht der einzige Wartende. Ein weißbärtiger Vater erklärte seinem geistig behinderten Sohn geduldig und mit sympathischen Lachfalten um die Augen, was sie gerade zu tun beabsichtigten, während der Sohn immer wieder von Äpfeln berichtete. Liebevolle Eltern begeistern mich stets, und so kam es, dass meine Enttäuschung, die ohnehin nie immens gewesen war, sich verflüchtigte.

Im Fahrstuhl war es dann Person 3, die uns nach oben geleitete. Angeblich brauchte das Gefährt 36 Sekunden, um 150 Meter zu überwinden, doch anstatt dies verifizieren zu wollen, erfreute ich mich an der Digitalanzeige, die mir meine derzeitige Höhe mitteilte.

Trotz aller Erwartbarkeit hatte ich nicht damit gerechnet: Auf der Aussichtsplattform war es windig und dementsprechend kühl. Ich dankte meiner Jacke, obgleich sie unzureichend war, und starrte auf Stuttgart hinab.

Die Sonne schien, und ich freute mich darüber, ausgerechnet den heutigen Tag ausgewählt zu haben. Meine Kenntnis über Stuttgart liegt zwar in Nullnähe, und so war ich nicht fähig, irgendein Gebäude zu erkennen, doch das störte mich nicht. Denn gerade als ich über den Sonnenstand die Himmelrichtungen sortiert hatte, entdeckte ich auf der zweiten, der oberen Aussichtsplattform Erläuterungen zuhauf. Denn die Plattform wurde nicht nur von Geländer, sondern auch vorn einem kupfernen Kunstwerk umkränzt, das sowohl Nah- als auch auch Fernziele und Himmelsrichtung entsprechend der jeweiligen Blickrichtung bezifferte.

Und so hatte ich natürlich auch keine Probleme, meinen Wohn- und Arbeitsort zu entdecken - zunächst nur auf der kupfernen Karte, später doch glaubte ich auch in der Ferne bekannte Gebäude zu erkennen und beschloss einfach, dass meine Vermutungen wahr seien.

Nach einer Weile erschöpfte sich mein Interesse an Aussicht, und ich schlüpfte rasch in den gerade abfahren wollenden Fahrstuhl. Person 3, Popmusik, ignorierter Souvenirladen, Auf Wiedersehen.

Im Wald fand ich ein balzendes Vogelpärchen, das sich immer wieder meinem Fotoapparat entzog. Derart aufgeheitert begab ich mich zurück zur Haltestelle und beschloss, die zeitaufwändigere Fahrt mit der U15 der U7 vorzuziehen. Ich schaffte es nicht nur, gleichzeitig zu lesen, aus dem Fenster schauen und Stuttgart zu betrachten, sondern auch noch eine Straße wiederzuerkennen, in der ich mich bei meinem zweiten Besuch der baden-württembergischen Landeshauptstadt mehrfach verfahren hatte.

Schmunzelnd stieg ich am Schlossplatz aus, betrachtete eine zerrupft aussehende Taube, kaufte mir ein Schokoeis und genoss ein paar Sonnenstrahlen, bevor ich endgültig heimfuhr.

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