Das kitzelt
„Hihi!“, lache ich. „Das kitzelt!“
Das tut es nicht, doch liegt mir nichts ferner, als Kinderaugen mit Tränen zu füllen. Wenn also mein Neffe Ronald der Ansicht ist, mit recht ungeschickten Fingerbewegungen ein Kitzeln zu verursachen, indem er mich irgendwo am Körper berührt, nicht zart, feinfühlig, mit ausgewogenen, nur hauchenden Bewegungen, sondern grob, plump, fast unkontrolliert, während insgesamt drei Lagen Stoff meine Haut von der seinen trennen, dann werde ich mich nicht weigern, werde ich nicht mit ratgebendem Wort auf seine unausgereifte Motorik und die Vergeblich-, ja Sinnlosigkeit, seines Bemühens hinweisen, werde ihn nicht mit Unwohlsein und Unfreundlichkeit seinen Kitzelversuch, seine Sehnsucht nach eigenhändig erweckter Heiterkeit, nach einem Schmunzeln auf meinem sonst sorgenzerfurchten Antlitz, zerschmettern, auf seinen Krabbeleiimitaten herumtrampeln, als gelte es horrorfilmigigste Widerwärtigkeiten zu vernichten, nein, ich werde tun als ob, lüge fast, versuche mich an hochwertigster Schauspielerei, und lache, zaubere aus den Tiefen meiner Erinnerung das echteste falsche Lachen hervor, das hervorzuzaubern ich imstande bin, und erwarte, ersehne, meinerseits, dass selbiges ihn zum Lachen brächte, dass sein bemitleidenswerter Versuch, als Heiterkeitstriebfeder zu fungieren, trotz aller Künstlichkeit des bei mir erwirkten Ergebnisses wiederum der Fähigkeit frönte, echte Heiterkeit in demjenigen zu verursachen, der die Amüsanzkette begann, der also in diesem Augenblick mit seinen ungeschickten Hand-Enden meinen dick verpackten Leib knetet und somit mangels besseren Wissens und besseres Könnens eine Art Kitzeln nachahmt, das jedoch...
„Onkel Peter!“, werde ich in meinen Überlegungen unterbrochen. Mein Neffe hat das Kitzeln eingestellt und sieht zu mir auf. Nicht erheitert, nicht lachend, wie ich es angesichts meines Ausrufs, meiner Bereitwilligkeit zum Gekitzeltwordensein, erhoffte, nicht einmal mit dem Ansatz eines Schmunzelns benetzt, nein, mit vielleicht erstmalig zerfurchter Stirn, mit zu einem leicht vorstellbaren V manifestierten Augenbrauen, mit einem Funkeln in den Augen, das Ungutes erahnen lässt, und Mundwinkeln, denen Grimm innewohnt.
„Onkel Peter!“, ruft Roland, und tatsächlich ist es nicht Frohsinn, der da aus seiner Stimme spricht, sondern gebändigter Zorn, ein Grollen fast, das, würde sich sein Besitzer nicht beherrschen, leicht in Wutesschreie und Unflat auszuarten imstande wäre, das, gäbe es nicht...
„Onkel Peter! Ich kann deine Gedanken lesen!“, ruft Ronald aus, und in meinem Kopf explodiert die Flut aus Betrachtungen und Ersonnenem, aus ...
„Ist ja gut!“, rief Ronald. „Ich kann deine Gedanken lesen!“
Tränen schießen in Ronalds Gesicht, und alles, was mir bis zu diesem Zeitpunkt durch den Kopf wirbelte, weicht einer Leere, tropft fahl und jeder Existenz beraubt von den Wänden der Gedankengänge, verblasst zu Scham und Trauer, sucht irgendwo in den Winkeln meines Einfühlungsvermögens nach eigenen Tränen, die jene Rolands begleiten, die den plötzlich auftretenden Schmerz aus meinem Herzen, meinen Sinnen, spülen könnten, die mich meiner Schmach beraubten und sie vielleicht, möglicherweise, nur ein bisschen, ein winzigkleines bisschen korrigierten, in die richtige Richtung rückten, ihre Bosheit abzumildern imstande wären, und auf nahezu magische...
„Ich kann deine Gedanken lesen.“, wiederholt Ronald. „Doch ich tu‘s nicht. Denn niemand, niemand auf der ganzen Welt, kann diesen umständlichen, gestelzten Kram ertragen, den du die ganze Zeit von dir gibst!“
Das tut es nicht, doch liegt mir nichts ferner, als Kinderaugen mit Tränen zu füllen. Wenn also mein Neffe Ronald der Ansicht ist, mit recht ungeschickten Fingerbewegungen ein Kitzeln zu verursachen, indem er mich irgendwo am Körper berührt, nicht zart, feinfühlig, mit ausgewogenen, nur hauchenden Bewegungen, sondern grob, plump, fast unkontrolliert, während insgesamt drei Lagen Stoff meine Haut von der seinen trennen, dann werde ich mich nicht weigern, werde ich nicht mit ratgebendem Wort auf seine unausgereifte Motorik und die Vergeblich-, ja Sinnlosigkeit, seines Bemühens hinweisen, werde ihn nicht mit Unwohlsein und Unfreundlichkeit seinen Kitzelversuch, seine Sehnsucht nach eigenhändig erweckter Heiterkeit, nach einem Schmunzeln auf meinem sonst sorgenzerfurchten Antlitz, zerschmettern, auf seinen Krabbeleiimitaten herumtrampeln, als gelte es horrorfilmigigste Widerwärtigkeiten zu vernichten, nein, ich werde tun als ob, lüge fast, versuche mich an hochwertigster Schauspielerei, und lache, zaubere aus den Tiefen meiner Erinnerung das echteste falsche Lachen hervor, das hervorzuzaubern ich imstande bin, und erwarte, ersehne, meinerseits, dass selbiges ihn zum Lachen brächte, dass sein bemitleidenswerter Versuch, als Heiterkeitstriebfeder zu fungieren, trotz aller Künstlichkeit des bei mir erwirkten Ergebnisses wiederum der Fähigkeit frönte, echte Heiterkeit in demjenigen zu verursachen, der die Amüsanzkette begann, der also in diesem Augenblick mit seinen ungeschickten Hand-Enden meinen dick verpackten Leib knetet und somit mangels besseren Wissens und besseres Könnens eine Art Kitzeln nachahmt, das jedoch...
„Onkel Peter!“, werde ich in meinen Überlegungen unterbrochen. Mein Neffe hat das Kitzeln eingestellt und sieht zu mir auf. Nicht erheitert, nicht lachend, wie ich es angesichts meines Ausrufs, meiner Bereitwilligkeit zum Gekitzeltwordensein, erhoffte, nicht einmal mit dem Ansatz eines Schmunzelns benetzt, nein, mit vielleicht erstmalig zerfurchter Stirn, mit zu einem leicht vorstellbaren V manifestierten Augenbrauen, mit einem Funkeln in den Augen, das Ungutes erahnen lässt, und Mundwinkeln, denen Grimm innewohnt.
„Onkel Peter!“, ruft Roland, und tatsächlich ist es nicht Frohsinn, der da aus seiner Stimme spricht, sondern gebändigter Zorn, ein Grollen fast, das, würde sich sein Besitzer nicht beherrschen, leicht in Wutesschreie und Unflat auszuarten imstande wäre, das, gäbe es nicht...
„Onkel Peter! Ich kann deine Gedanken lesen!“, ruft Ronald aus, und in meinem Kopf explodiert die Flut aus Betrachtungen und Ersonnenem, aus ...
„Ist ja gut!“, rief Ronald. „Ich kann deine Gedanken lesen!“
Tränen schießen in Ronalds Gesicht, und alles, was mir bis zu diesem Zeitpunkt durch den Kopf wirbelte, weicht einer Leere, tropft fahl und jeder Existenz beraubt von den Wänden der Gedankengänge, verblasst zu Scham und Trauer, sucht irgendwo in den Winkeln meines Einfühlungsvermögens nach eigenen Tränen, die jene Rolands begleiten, die den plötzlich auftretenden Schmerz aus meinem Herzen, meinen Sinnen, spülen könnten, die mich meiner Schmach beraubten und sie vielleicht, möglicherweise, nur ein bisschen, ein winzigkleines bisschen korrigierten, in die richtige Richtung rückten, ihre Bosheit abzumildern imstande wären, und auf nahezu magische...
„Ich kann deine Gedanken lesen.“, wiederholt Ronald. „Doch ich tu‘s nicht. Denn niemand, niemand auf der ganzen Welt, kann diesen umständlichen, gestelzten Kram ertragen, den du die ganze Zeit von dir gibst!“
morast - 31. Jan, 17:40 - Rubrik: Wortwelten
0 Kommentare - Kommentar verfassen - 0 Trackbacks