Mittwoch, 11. Mai 2005

Zentrum

Wenn ich ein Ziel habe, ein bedeutsames, beobachte ich jene, die in die gleiche Richtung eilen, frage mich, wohin sie gehen, stelle Vermutungen an, wie wahrscheinlich es ist, daß auch sie zu meinem Ziel wollen, zu der gleichen Feier, zu dem gleichen Konzert. Es spielt keine Rolle, wie weit das Ziel noch entfernt ist, wieviele Kilometer mich, uns, noch von ihm trennen, wieviele Abzweigungen noch dazwischen lauern, die anderen zu verschlingen und in andere Richtungen zu locken. Jeder ist verdächtig, wird gemustert, mit Fragen behaftet. Könnte es sein, daß...?
Ich sortiere aus, im Geiste, beobachte diejenigen, die übrig bleiben, schaue ihnen hinterher, wenn sie von meinem Weg abweichen, stelle fest, mich wieder geirrt zu haben - und freue mich darüber, letztendlich doch der einzige zu sein, der meinen Weg mit mir teilt.

Wenn ich Musik höre, wenn Kopfhörer mich von den Geräuschen der Außenwelt abschneiden, dann löse ich mich auf, versinke in den Klängen in meinem Ohr, gehe mit ihnen mit, kann mich nur mühevoll zurüclhalten, nicht mitzusingen, mich nicht zu bewegen, zu grinsen ob der guten Klänge.
Und ich gelange zu der Ansicht, daß nicht nur meine Außenwelt, nein, daß die gesamte existierende Welt verstummte, daß keinerlei Geräusche mehr vernehmbar sind, daß gesprochene Laute, Motorenlärm und Panflötengedudel nicht länger die Luft befüllen, sondern einzig und allein jene stumme Leere, die ich selbst noch von der Außenwelt vernehmen kann.
Und ich denke, daß alle anderen, alle Menschen um mich herum, die Musik in meinem Kopf hören, hören müssen, daß sie meine Stimmung, mein Hochgefühl, meine Trauer vernehmen, daß sie sich ebenso wie ich zurückhalten müssen, um nicht zu tanzen, zu springen, im treibenden Takt mit dem Kopf zu nicken. Und ich denke, daß alle anderen spüren, was ich spüre, daß wir eins sind inmitten der Geräusche in meinem Ohr, daß ich begriffen werde, während ich mich den Klängen hingebe.
Wenn ich die Augen öffne, die Sinne, erkenne ich die vorüberziehenden Menschen, die taub sind, nicht hören, nicht zu spüren scheinen, was ich empfinde, die woanders verweilen, andere Lieder hören, andere Töne, fern von mir, in ihrer Eigenwelt versunken.

'Jeder ist das Zentrum seiner Welt.', denke ich.

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Zero-Tonin - 11. Mai, 18:23

Jeder ist das Zentrum seiner Welt

Wie wahr, wie wahr und dazu fällt mir ein, dass wir die Wirklichkeit subjektiv "erfinden" (konstruieren) und nicht (...) objektiv "entdecken. und dass die Welt, wie er sie beobachtet, Resultat seiner Beobachtungsweise ist.
(Quelle: Wikipedia)

morast - 11. Mai, 19:10

Radikaler Konstruktivismus

Was für ein interessantes Stichwort. Nachdem ich den wikipedia-Artikel las, beschloß ich soeben, daß ich mich vielleicht mal tiefergehend mit dieser Thematik auseinandersetzen könnte.
Auch die Erwähnung von Paul Watzlawick unterstützte diesen Wunsch...
Danke dafür.
assoziativspeicherin - 12. Mai, 08:18

..ich mag es, wenn große Philosophen das, was ich mir eh schon immer gedacht habe, in gewichtige Worte kleiden. ich fühl mich dann immer so schön wichtig und hab ja so gerne Recht ;-)

In meiner Welt seid ihr zwei nicht real. Da seid ihr nur Texte hinter denen ich mir Personen so vorstelle, wie ich das will. Und wenn ich schlafe, dann seid ihr nicht da, so schauts aus.
morast - 12. Mai, 08:29

Hehe... Ich hab auch überlegt, ob ich derartiges formulieren sollte. Aber ich ließ es.
Amüsant ist, daß du zwar auch derartige Gedanken mit dir herumträgst, aber als Teil meiner Welt kann das schonmal passieren...

P.S.: Ich finde es auch nett, wenn ich entdecke, daß andere das, was ich dachte, bereits in komplizierte Wörter stopften...

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