Wortwelten
Gern hätte ich auf dem fahrradisierten Heimweg einen halblangen, amüsanten Text über Nahrungsmittelveräußerungseinrichtungen ersonnen, in dem eben jenes Wort mindestens einmal präsent gewesen wäre, doch leider vergaß ich es unterwegs drei Mal und verbrachte mehr Zeit mit dem Erinnerungsversuch [und dem Radfahren] als mit dem Ausdenken des erwünschten Textes, dem es an ähnlich verkomplizierenden Worten sicherlich nicht gemangelt hätte.
Das Gestelz
"Gestelzte Sprache" nennt man das wohl - auch wenn ich unschlüssig darüber bin, wer "man" ist, da die wenigsten der mir bekannten Menschen das Partizip "gestelzt" zu ihrem aktiven Wortschatz zählen. Noch weniger werden allerdings die aktive Variante des Partizips, stelzend, beziehungsweise die dazugehörige Verbform, stelzen, nutzen - ich gehöre dazu. Natürlich kennt man die Stelzen, jene zwei Langstäbe mit Fußablagefläche, die Kindern und Clowns als umständliches Fortbewegungsmittel dienen, doch das zugehörige Verb scheint mir weniger gebräuchlich. Auch stellt sich die Frage, ob ein einzelner dieser Stäbe tatsächlich eine "Stelze" sei.
Gestelzte Sprache, ich behalte den Begriff einfach bei, gehört tatsächlich zu den von mir geliebten Dingen, insbesondere wenn ich selbst in das Vergnügen komme, sie zu nutzen. Unlängst wurde ich gebeten, für jemanden einen Satz zu formulieren, der jedoch sogleich abgelehnt wurde - weil er viel zu sehr nach meinem verwinkelten Schreib- und Redestil klang.
Dabei empfinde ich meinen Stil gar nicht als gestelzt - wasauchimmer dieses Wort genau heißen mag. Ich erfreue mich nur der Benutzung ansonsten weniger häufig verwendeter Worte. Anstelle von "golden" sage ich "gülden", anstelle von "neulich" "unlängst". Letzteres hat allerdings einen anderen Grund als den einer Synonymsuche. Denn jedesmal, wenn ich von einem Ereignis aus meinem Leben berichten wollte und mit "Neulich..." begann, ließ es sich G nicht nehmen, den Ärzteklassiker "
Fafafa" komplett durchzurappen, ohne daß es eine Möglichkeit gab, ihn daran zu hindern. Dementsprechend war mir nicht wenig daran gelegen, diesen Trigger durch ein Ähnliches aussagendes Wort zu ersetzen.
Viel lieber als "Nahrungsmittelveräußerungseinrichtung" hätte ich übrigens "Nahrungsmittelveräußerungs
anstalt" gesagt, doch lastete diesem Wort etwas Klinisches an, das mit den gemeinten Kaufhallen und Supermärkten kaum in Einklang zu bringen war. "Nahrungsmittelveräußerungsanstalt" ist zudem auch noch länger, wirkt dementsprechend umständlicher und somit gestelzter.
Allerdings beweist allein der eben genannte Fakt des "Nahrungsmittelveräußerungsanstalt"-Bevorzugens, daß es bei der von mir benutzten Sprache nicht vorrangig darum geht, normale Worter durch solche maximaler Länge zu ersetzen. Denn sicherlich ersönne ich innerhalb weniger Augenblicke ein anderes Kaufhallensynonym mit wesentlich größerem Buchstabenreichtum, wenn ich nur danach trachtete. Doch ich trachte nicht, denn obgleich der deutschen Sprache der Luxus innewohnt, eine Unzahl an Substantiven problemfrei aneinanderreihen zu können, vergehen doch Leselust und Hörvergnügen, sobald das Wort Dimensionen erreicht, die der menschliche Geist nicht mehr zu fassen imstande ist.
Ähnlich verhält es sich mit Schachtelsätzen, denen ich natürlich auch nicht selten fröne. Unlängst wurde mir beim Verlesen eines von mir verfaßten Satzungetüms bewußt, daß ich selbst den Durchblick verloren hatte, welcher Teil mit welchem zusammenhing. Dennoch bewundere ich Menschen wie Kleist und Kafka, die dem Schachtelsatz eine Kunstfertigkeit schenkten, die in der heutigen Literatur kaum noch geachtet wird.
Tatsächlich bevorzugt man nun bukowskische Sätze, deren Länge unter keinen Umständen eine komplette Zeile füllen sollte. Das behagt mir nicht, und ich verwehre mich dem allseits geforderten Kurzfassen. Selbstverständlich ist es dem Verständnis wissenschaftlicher Komplexwerke nicht zuträglich, sich zusätzlich zum Inhalt auch noch mit der Satzstruktur auseinandersetzen zu müssen. Dennoch sollte die schöngeistige Literatur sich nicht mit Steifheit auf brillierende Inhalte festlegen, sondern sprachliche Schnörkel weiterhin als hin und wieder begehrenswert erachten.
Ich begehre. Ich erfreue mich des Spiels mit Worten, der Erfindung neuer, der Verknüpfung ganzer Sentenzen zu Konstrukten, die mich in ihrer Umständlichkeit, in ihrem Gestelz, wohlig erschauern lassen.
Ich entsteige meinem Fahrrad und lächle. Soeben kamen mir die Lebensmittelveräußerungseinrichtungen wieder in den Sinn und mit ihnen die Frage, ob es in ihren Non-Food-Abteilungen jemals Stelzen zu kaufen geben wird.
Ich hätte nämlich gern eine.
morast - 19. Sep, 21:45 - Rubrik:
Wortwelten
Die blendende Laune, die in mir wohnt, ist nahezu schon krankhaft. Ich habe Angst vor mir.
Unlängst entdeckte ich mich auf einer Reihe in geselliger Rune geschossener Fotos - und auf allen lachte oder grinste ich. Der Anblick erschreckte mich, konnte ich mich doch gar nicht daran erinnern, mich derart gut amüsiert zu haben.
Ich begann, mich zu beobachten.
Obgleich ich durchaus hin und wieder dazu neige, mich in Gedanken zu suhlen und trübseliger Inexistenz hinzugeben, obgleich ich mich zuweilen empöre und alles Menschsein mit Verachtung zu bestücken bereit bin, obgleich ich wieder und wieder an der Intelligenz anderer, an mir selbst, zweifle, obgleich ich einer ständigen Angst vor dem Zukünftigen fröne und oft kleinste Schritte mir überirdische Mühen bereiten, obgleich ich mich manchmal in einer Spirale des emotionalen Unwohlseins ertrinken sehe, ohne einen Auswege zu finden oder gar suchen zu wollen, obgleich ich oft genug alles Äußere oder auch Innere abzuschalten bereit bin, obgleich ich über eine ausreichend große Zahl an Lebensmomenten gibt, die - ihrem Inhalt nach koloriert - nur dunkelste Grautöne ergeben würden, obgleich all dessen - geht es mir gut.
Auffallend oft freue ich mich, lächle nach außen oder in mich hinein, ganz leise, als könnte ich den Grund des Lächelns durch grobe Mundwinkelbewegungen zerbrechen. Ein jahrelang bester Freund meinte einst, daß er mich nur gutgelaunt kennen würde - eine Aussage, die ich zu diesem Zeitpunkt nicht begriff. Doch heute verstehe ich, denn ich liebe es, Welt und Leben wohlgesonnen gegenüberzustehen, Kleinstdinge aufzunehmen und mich an ihrem Klang, ihrem Aussehen, zu erfreuen.
Irgendwann, inmitten meiner Selbstbeobachtung, reifte in mir die Erkenntnis, daß ich selbst Grund meiner Freude bin. Es ist nicht nötig, daß ich während eines Konzertes die Gesten anderer nachhame, um Glück zu empfinden, wenn ich doch den blanken Moment schon als wonnebringend erkannte. Es ist nicht nötig, auf einer Feierlichtkeit, bei einem Treffen, mit jedem Anwesenden zu dialogisieren oder mich durch weise oder amüsante Gesprächsinhalte nach vorne zu stoßen, wenn ich sitzend und schweigend festelle, daß es ich mich genau jetzt wohlfühle. Es ist nicht nötig, daß stundenlang angeblich erheiternde Sendungen irgendwelcher Medien verfolge, um mein Gemüt zu erhellen, wenn die Erkenntnis, daß sich der Flußname "Elbe" durch "LB" abkürzen läßt, mich doch tagelang zu besonnen weiß.
Es ist leicht, mir Frohsinn zu bringen, stellte ich fest. Schon während meienr Schulzeiten, war ich oft der einzige, der über die Scherze des Klassenkaspers lachte - weil meine Heiterkeitshemmschwelle äußerst niedrig angesiedelt ist. Heute bedarf es nur netter Menschen [von denen glücklicherweise nicht wenige auf Erden wandeln], guter Musik [mit der ich mich oft genug umgebe], einer deliziösen Mahlzeit [Oft genug ist eine billige Fertigmahlzeit lecker genug, um mich zu erfreuen.], interessanter Worte [in Buchform aber auch einzeln], eines Erfolges [Schon eine nette Zeichnung, einen angenehmen Text, vollbracht zu haben, birgt das Gefühl, etwas geleistet zu haben.] oder anderer winziger oder weniger winziger Kleinigkeiten, um mich zu verzücken.
Nicht selten visualisiere ich einen Gute-Laune-Balken vor meinem inneren Auge, dessen Pegel an unschönen Abenden stetig fällt. Ich bemühe mich stets, die Lokalität zu verlassen, bevor der Pegel den Nullwert berührt oder unterschreitet. Zu meinem letzten Geburtstag beispielsweise rang ich mich dazu durch, den Abend in einer von mir noch nie als gut empfundenen Diskothek ausklingen zu lassen. Ich visualisierte den rasch sinkenden Gute-Laune-Pegel und meisterte es, rechtzeitig vor dem Nullpunkt entflohen zu sein. Bis heute habe ich den Abend als angenehm in Erinnerung, obwohl ich mich deutlich einer Unzahl an Fluchtgründen entsinne.
Bemerkenswert an dem Gute-Laune-Balken ist, daß er, wenn ich irgendwo eintreffe, stets gefüllt zu sein scheint, daß ich also die gute Laune ständig mit mir herumtrage, auf daß sie abgebaut oder - die bessere Alternative: gesteigert werden möge.
Ich bin kein strahlender Sonnenschein. Ich laufe nicht mit einem glitzernden Lächeln durch die Gegend und beglücke andere mit meinem lebensfrohen Gemüt. Ich liebe eher das Schmunzeln, das unmerkbare Heben meines rechten Mundwinkels.
Entscheidend ist, was sich in meinem Kopf abspielt, welche Satzfetzen dort aufeinandertreffen, welche Bilder in meinem Schädel umherwirbeln.
Ich bin mir unschlüssig darüber, ob es leicht ist, mich zu verstimmen. Ich trage genug Ruhe in mir, um gegen spontane Anfeindungen gewappnet zu sein, genug ironisches Grinsen, um Dummes, Erzürnendes, als lächerlich abtun zu können, genug Optimismus, um mich stetig glauben zu lassen, alles werde sich zum Guten wenden.
Andererseits kann ein unbedacht geäußerter Satz ausreichen, mich zu fällen, Stundenlang sitze ich dann mit mir selbst irgendwo und sinne darüber nach, was gemeint sein könnte, ob das Gesagte stimmt, wie ich es, mich, ändern könnte, ob ich zur Veränderung bereit bin, ob ich dazu imstande wäre - oder ob ich gerade nur irgendwo herumsitze und Gedanken über Dinge nachhänge, die eigentlich unbedeutsam, nichtig, sind.
Wenn Dinge nicht den Verlauf nehmen, den ich mir für sie erdachte, verstimme ich zuweilen. Ich bemühe mich schon, nichts erwarten zu wollen, weil ich weiß, daß meine Fantasie blüht, sprießt und gedeiht, weil ich weiß, daß ich albernen Vorstellungen aufsitze, mich an ihnen ergötzen werde, wenn ich beginne, Dinge zu erwarten, das Kommende vorauszuzeichnen. Es fällt leicht zu hoffen, doch scher, im Anbetracht vergeblicher Hoffnungen nicht zu verzweifeln.
Worüber ich leicht in Rage gerate, ist offensichtliche Sinnlosigkeit, Logik, die ich nicht mit meiner zu schlagen imstande bin, Starrheit der Ansichten, fehlende Fairnis in Argumentation udn tat. Nicht selten sind es Maschinen und Programme, die so meinen Zorn auf sich ziehen. Doch ebenso rasch, wie er emporsteigt, fällt er wieder zurück und läßt mich zurück, mich über meine Unbeherrschtheit wundernd.
Nicht selten schweige ich in Diskussionen, wenn ich glaube, daß der Gesprächspartner meinen Punkt zu verstehen nicht ebreit ist oder erahne, daß jeder Disput überflüssig ist, weil kein Ergebnis lieferbar sein wird. Ich lausche den Argumenten des anderen und denke mir meinen Widerspruch. Später werde ich das Gesagte resümieren und meine Ansicht variieren - oder beibehalten. Es liegt mir jedoch nicht viel daran, bei Gesprächen mich in Unlaunen zu stürzen, einzig, weil Meinungen aufeinandertreffen. Notfalls ziehe ich mich zurück und fröne der Betrachtung meines Gute-Laune-Pegels.
Das Zurückziehen ist ohnehin ein beliebtes Treiben meiner selbst. In trüben Momenten suche ich nicht selten das Schweigen, verfolge die Umgebung mit nur mäßigem Interesse, verweile irgendwo in mir und harre der Dinge, die wiederum meiner harren. Oder ich erfreue mich der Erinnerung irgendwelcher Tagesbegebenheiten, irgendwelcher Gedanken, die ich hatte, und beginne wieder nach innen zu schmunzeln.
Wenn ich schweige, bedeutet das weder Abwesenheit noch Trübsal. Oft genug schweige ich, um aufzusaugen, um zu erfahren, zu hören. Prall bepackt ist die Welt mit Dingen, von denen ich zu wenig oder gar nichts weiß. Ich bin neugierig, freue mich über neues Wissen, bewahre es nicht selten wie kostbare Perlen in meinen Gedanken auf, hole es bei Gelegenheit hervor und erfreue mich seines Glanzes.
Und dann gibt es noch die Menschen. Menschen vermögen immer wieder, mich zu verzücken, mich lachen zu machen, mich in Erstaunen zu versetzen. Nicht alle, doch glücklicherweise kenne ich genug, deren bezaubernde Eigenschaften ich suche und genieße. Ich liebe Kreativität, liebe es, wenn Menschen sich spontanen Geistesblitzen hingeben können, wenn sie Ideen in ihre Umwelt schießen, angenehm wie frischer Zahnputzatem. Oder wenn sie sich in die Unerreichbarkeit ihrer Kunst zurückziehen, darbeiten, wozu sie imstande sind, Neid in mir entfachen, der mich glücklich macht. Ich begreife, nicht zu Gleichem instande zu sein, doch muß es auch nicht, weil ich hier und jetzt die Schönheit der Kunst aufsammeln und mich an ihr laben kann.
Es gibt keine normalen Menschen, weiß ich seit langem. Doch Menschen, die verrückter sind als andere, die faszinierenden Unsinnigkeiten frönen können, begeistern mich. Ich liebe es herumzualbern, mich geborgen zu fühlen in einer Wolke fast absurder Ungewöhnlichkeiten, die allesamt auf ihrem Art liebenswürdig sind, liebe es, selber inspiriert zu werden und das Unmögliche zu ersinnen.
Menschen wissen Geschichten zu erzählen, und nicht selten verbirgt sich darin Spannenderes als in den vielen Büchern, in die ich bereits versank. Und selbst wenn niemanden kenne, nur sehe, beobachte, erachte ich Menschen als faszinierend. Sie bilden Spiegel, Spiegel meiner selbst, aber auch Spiegel der mich umgebenden Wirklichkeit.
ich liebe es, Menschen um mich herum zu wissen, benötige zuweilen gar für das Alleinsein das Vorhandensein anderer. Wer wollte nicht in frohe Stimmung geraten, wenn in einem Café das städtische Leben zelebriert wird, wenn sich in unmittelbarer Nähe bekannte und Unbekannte treffen und begrüßen, wenn sie über Nichtigkeiten und Wichtigkeiten reden, innehalten bei einem Getränk, hinauseilen zum nächsten wichtigen Termin, während man selbst in Ruhe verbleibt und auf den wachsenden Berg interessanter Wortaneinanderreihungen blickt, der vor der eigenen Nase gedeiht.
Ich liebe es, den Fahrradfahrtwind in meinem Gesicht zu spüren, liebe es zu eilen, den Schweiß der unnötigen Anstrenungung in meinen Kleidern zu spüren, liebe es auch zu ruhen, mich gemächtlichen Schrittes dem nächsten Ziel zuzuwenden. Die Welt ist voller kleinigkeiten, die mich lächeln lassen können.
Irgendwann streift mich das Lächeln einer schönen Frau, gesellt sich zu meiner ohnehin wogenden Freude, läßt mich ängstlich nach unten blicken, als könnte ich schon abgehoben zu sein, irgendwo über allen Dingen schweben. Ich stehe noch, doch spüre die Fröhlichkeit in mir, wie sie mich drängt, mich fast platzen läßt, mir Hopserläufe und ein dümmliches Grinsen aufdrängt. Es hilft nicht, daß die Passierenden zurücklächeln, als gelte meine Freude ihnen [Warum auch nicht?]; es hilft nicht, daß ich mich zwinge zu sitzen und darüber zu sinnieren, warum es mir gutgeht; es hilft nicht zu begreifen, daß die Welt voll Dinge ist, über die zu freuen sich lohnt; es hilft nicht zu erkennen, daß ich gerne glücklich bin...
morast - 19. Sep, 15:40 - Rubrik:
Wortwelten
Ich entsinne mich meiner selbst als lieben und zurückhaltenden Jungen, als jemand, der gute Noten heimbrachte, ohne sich um diese bemühen zu müssen, einer, der mit nicht minder netten Menschen befreundet war, kein Interesse an den berauschenden Torheiten hatte, die konsumiert zu haben Jugendliche sich gerne brüsten. Ich entsinne mich meiner selbst als jemanden, der sich ständig für zu jung hielt, der der körperlichen und freigeistigen Entwicklung seiner Mitschüler und Freunde hinterherhing und dies zuweilen bedauerte - und sich noch heute fragt, ob es gut war, erst mit 18 Jahren, mit dem Ende meiner ersten großen Liebe, inmitten meiner Zivildienstzeit, das Gefühl zu erfahren, was es heißt, einen eigenen Weg gehen zu wollen.
Zuweilen vernehme ich Erinnerungen andere, Diskobesuche zu Schulzeiten betreffend, Alkoholräusche und Zigarettenzüge im Kindesalter erwähnend, sie zuweilen verherrlichend, als wäre allein das Auflehnen gegen elterlich-staatliche Bestimmungen Grund genug, nachträglichen Glanz auf eigentlich magenverstimmende Ereignisse zu legen. Und dann frage ich mich, warum ich nicht anders war, warum ich nie einen Bedarf sah, meinen sich entwickelnden Geist zu berauschen, zu "erweitern", mich mit Qualm zu umwölken, warum ich nicht "sündigen" wollte, ja noch nicht einmal daran dachte - und warum ich mir dieser Frage erst bewußt wurde, als die übliche Zeit des Probierens längst ungenutzt hinter mir lag.
Ich entsinne mich meiner als braven Jungen, als brillentragender Streber, obgleich es mir fern lag, tatsächlich strebsam zu sein, als spangenverunzierter Hänfling, der sich hinter Büchern verkroch und einst nächtelang Albträume bekam, weil mich ein älterer Junge dabei erwischt hatte, als ich sinnloserweise billigste Vanillezuckertütchen aus der Kaufhalle entwendet und deren eigentlich gar nicht so schmackhaften Inhalt verzehrt hatte.
Natürlich hatte ich Geheimnisse vor meinen Eltern, doch beschränkten diese sich auf Bravo-Magazinen hinter meinem Bett [Ich wußte nicht, ob meine Eltern akzeptieren würden, daß ich zuweilen derartiges las, und sah mich lieber vor - bis zu dem Tag, an dem mich mein Vater liebevoll diesbezüglich ansprach und ich plötzlich keinen Bedarf mehr darin sah, diese alberne Zeitschrift zu erwerben, auch wenn mir so ein Teil der Mitsprache am Pausengespräch verweigert wurde...], auf Schokoladentafeln im Schrank [Irgendwie gab es bei uns immer viel zu wenig Süßigkeiten...], tagebuchartige Schreibversuche und ein oder zwei talentlose Zeichnungen unbekleideter Damen.
Irgendwann besaß ich sogar mal ein Butterfly-Messer, das mein bester Freund stets "Buttermesser" nannte. Sein eigenes war verhältnismäßig groß und chromglänzend; meines dagegen war eher kleiner, dafür jedoch schwarz [frühe Tendenzen?] - inklusive der Klinge. Wir waren zu jung dafür - eine Waffe mit stehender Klinge durfte man erst ab 18 besitzen - und das bildete den Großteil des Reizes, dieses Messer sein Eigen nennen zu dürfen und vor den Eltern verstecken zu müssen. Nicht minder bedeutsam war jedoch die richtige Technik des Auf- und Einklappens, die mich mehrere Tage begeisterter Übung kostete.
Doch alsbald wurde ich des Messers überdrüssig, als mir bewußt wurde, daß ich niemals, selbst wenn ich überfallen werden würde, willens wäre, die Klinge in den Leib eines anderen zu rammen. Ich verkaufte es, ohne mich des Verlusts meiner Wagemutigkeit zu grämen.
Mit Freunden suchte ich gerne nach sogenannten "Buden". Das konnten dichte Büsche sein, in deren Inneren wir uns trafen und quatschten oder Süßigkeiten vertilgten, aber auch leerstehende Altbauten, von denen es in unserer Nähe einige gab. Ich entsinne mich einer Bude, in die wir irgendwoher Sessel und Stühle schleppten, um Tage später festzustellen, daß auch andere dieses leerstehende Gebäude - inklusive "unserer" Möbel - benutzten. Diese anderen, wir dachten, es wären Zigeuner, hinterließen unzählige Zigarettenkippen - und Zimmer voller Kot und Pisse.
Wir zogen um, in eine Baracke auf dem Hof einer leerstehenden Scheune. Ich weiß kaum noch, was wir dort taten, doch erinnere mich daran, daß hin und wieder auch ein paar Mädchen dabei waren, die Poster von Jonathan Brandis und Chesney Hawks aufhängten.
Irgendwann zogen wir dann in die Scheune. Zu dritt bauten wir im Dachgeschoß einen Grill und rösteten Brotscheiben. Als ich am nächsten Tag meinem Bruder unsere neue Behausung zeigen wollte, war der Holzfußboden durchgeschmort, und drei Meter tiefer lag das, was unser Grill gewesen war. Wir versuchten die schwelende Glut der staubigen Holzbalken mit der restlichen Limonade vom Vorabend zu löschen; dabei brach ich ein und hing plötzlich in dem Loch, unter mir mehrere Meter Luft und dann die wenig weichen Steine unseres improvisierten Grills. Nach einem langen Moment der Angst half mir mein Bruder hinaus, und wir eilten zum nahegelegenen Teich, um die Limonadenflaschen mit Wasser zu befüllen und die restliche Glut zu löschen.
Wir zogen erneut um, in einen Raum mit steinernem Boden. Auch hier entzündeten wir ein kleines Feuer, luden wieder Mädchen ein. Der Raum war voller Stahlwolle, die noch Wochen später in unseren Klamotten juckte. Als der neugefundene Raum inklusive des Dachs der restlichen Scheune ohne unser Zutun [Wir waren vorsichtig geworden.] abbrannte, suchten wir nur noch halbherzig nach einem Ersatz. Ein Speicher wurde inspiziert, aber dieser war der Schule viel zu nah - und außerdem über und über mit Taubenmist bestückt.
Feuer jedoch spielte auch in einem anderen Bereich meiner Jugend eine Rolle: auf dem Schulhof. Irgendwann nämlich erlernten wir die coolste Art, ein Streichholz zu entzünden. Dazu mußte man dieses nur im rechten Winkel an die Reibfläche halten und es anschließend wegschnipsen. Zur gleichen Zeit fanden wir Gefallen daran, Taschentücher zu entzünden. Wir brannten sie an, warfen sie auf den Boden und ergötzten uns am Ausufern und Vergehen der Flammen.
Einmal entzündete ich ein Taschentuch auf dem Nachhauseweg. In der Ferne sah ich eine Omi sich nähern und schämte mich plötzlich dieser albernen Tat. Kurzentschlossen warf ich das Taschentuch in den nächsten Mülleimer, nicht bedenkend, daß sich der Taschentuchbrand auf das Mülleimerinnere ausweiten würde. Doch es war zu spät; der Müllbehälter, glücklicherweise aus Metall bestehend, rauchte bereits, und als ich wenige Stunden später wieder vorbeiging, war er längst ausgebrannt. Noch heute bedaure ich dieses gedankenlose Tun, unabhängig davon, daß nichts und niemand zu schaden kam.
Was ich ebenso bedaure, ist die wohl unangenehmste Eigenschaft meiner Pubertät: Jähzorn.
Ich kannte einen Jungen aus meiner Schule, der die Klasse 6b besuchte, eine Klasse, die von uns, 9a, ohnehin nicht sehr geschätzt wurde, weil sie unseren Hofplatz einschränkte, weil ihre Mädchen nervten usw. Der fragliche Junge hieß Ken und hatte rotes Haar im längst aus der Mode geratenen VoKuHiLa*-Stil. Ich weiß nicht, was genau mich an dem Jungen störte, daß ich ihn ärgerte, aber ich tat es. Wir teilten eine Halle im Sportunterricht, und einmal stellte ich ihm ein Bein.
Eine Tages befanden sich mein bester Freund und ich auf dem Heimweg. Etwa zweihundert Meter entfernt von uns lief Ken zusammen mit seinem Freund. Höhnisch rief ich "Hallo!", eine Begrüßung, die mir später als "Arschloch!" ausgelegt wurde. Als Antwort erhielt ich ein forderndes "Komm doch her, wenn du dich traust!", was meinen Jähzorn aufwallen ließ. Der blöde Kerl war mindestens zwei Jahre jünger als ich und wagte es, sich derart mir gegenüber zu äußern!
Ich rannte los, mit meinem Rucksack auf dem Rücken, holte Ken ein, ließ den Rucksack fallen und begann zu treten. Ken trat zurück, wir trafen einander kaum. Irgendwann traf ich doch - mitten in seinen Genitalbereich. Er stürzte. Ich hatte nicht realisiert, was geschehen war, sah nur, daß Ken auf dem Boden lag. Bis heute bin ich froh, daß ich nicht so blöd war, weiterhin zuzutreten. Ich schnappte meine Sachen und ging nach Hause.
Abends unterhielt ich mich mit meinem Bruder, gestand, was für einen Mist ich gemacht hatte, teilte ihm meine Absicht mit, mich am nächsten Morgen bei Ken zu entschuldigen und ihn fortan in Ruhe zu lassen. Doch der nächste Tag brachte Unheil. In der ersten Stunde, Latein, stand die stellvertretende Direktorin in der Tür, zeigte mit dem Finger auf mich und sagte nur: "Du! Du warst das!"
Ken hatte die Geschichte des Vortages zu seinen Gunsten etwas geschönt und seiner Mutter erzählt, die wiederum in die Schule gekommen war, um sich zu beschweren und den Schuldigen, mich, zu stellen. So saß ich im Zimmer der stellvertretenden Direktorin und bekam keine Gelegenheit zu verteidigenden Worten. Was sollte ein gerade 14-Jähriger, der sich zudem durchaus schuldig fühlte, gegen eine Mutter und eine stellvertretende Direktorin auch ausrichten?
Bis heute ärgere ich mich darüber, daß die Schmerzen Kens als extrem schlimm beschrieben wurden - aber Ken noch nicht beim Arzt gewesen war.
Ich wurde angezeigt, mußte bei der Polizei das Geschehene wiedergeben. Kens Mutter war schon dagewesen, und unzählige Male wurde bei Stellen nachgefragt, die sich von ihrer Version unterschieden. Doch ich sagte die Wahrheit, war viel zu verschüchtert, um irgendetwas anderes ersinnen zu wollen. Immerhin: Der Schuh zählte als Waffe, so daß ich nicht nur der Körperverletzung, sondern der schweren Körperverletzung angeklagt war. Auf mich warteten im schlimmsten Fall fünf Jahre Jugendknast!
Doch die Sache ging gut aus. Unter der Voraussetzung, daß dies eine einmalige Sache gewesen war, ließ mich die Staatsanwaltschaft straffrei. Noch nicht einmal das polizeiliche Führungszeugnis wurde behelligt.
Danach wurde ich ruhiger. Jahre später teilte mir mein Bruder mit, daß er Leute kenne, die Ken liebend gerne verprügeln würde, sollte ich das Bedürfnis verspüren. Ken war ein Arschloch, doch es interessierte mich nicht länger.
Rückblickend erstaunt es mich, daß ich heimliches Fernsehen noch immer als jugendliche Verfehlung betrachte. Denn in unserer Familie war es nicht üblich, viel fernzusehen. Der samstägliche "Disneyclub war" ein Ereignis für uns, ebenso wie das sonntägliche "Siebenstein". Strafen für schlechte Noten oder Unartigkeiten äußerten sich zumeist in Taschengeldkürzungen - oder Fernsehverbot. Dementsprechend versessen war ich, als ich zum Jugendlichen heranreifte, das Verbot zu brechen und nachmittags heimlich fernzusehen. Ohne mir die Mühe zu machen, die Schuhe auszuziehen, ging ich oft direkt ins Wohnzimmer und erfreute mich an "California Clan" [das zu schauen ich abbrach, als eine über mehrere Folgen angekündigte Überraschung sich als reichlich uninteressant erwies] und ähnlich Niveaulosem. Wenn ich meinen Vater an der Tür hörte, beeilte ich mich, in mein Zimmer zu stürmen und so zu tun, als wäre ich dort die ganze Zeit über fleißig gewesen.
Natürlich wußte mein Vater davon; hin und wieder ertappte er mich, und der Schmach der Erkenntnis, meine Zeit mit Sinnlosem verplempert zu haben, war groß genug, um mir eine Bestrafung zu ersparen.
Ich wurde ohnehin selten bestraft. Meine Verfehlungen bestanden zumeist darin, mit unsauberen Klamotten heimzukommen, weil ich wieder durch den Südpark gestrolcht oder in Kellern Abwasserleitungen gefolgt war. Oder ich erhielt Ermahnungen, weil ich nach der Schlafenszeit noch mit meinem Bruder quatschte oder weil ich heimlich, ohne Licht oder mit Taschenlampe, las.
Den größten Ärger erhielt ich vermutlich in der zweiten Klasse, als aufgedeckt wurde, daß ich in einer Musikkurzkontrolle betrogen hatte und unter die daraus resultierende 5 [Damals gab es noch keine 6.] die Unterschrift meiner Mutter gekrakelt hatte. Die Fälschung war gut - aber mit Filzstift geschrieben. Sie, und nicht der Betrugsversuch, war übrigens auch der Hauptgrund für den elterlichen Ärger.
Die Kindheit verlassend nahmen meine sowieso nicht sehr zahlreichen Verfehlungen erstaunlicherweise immer mehr ab. Ich bemühte mich, pünktlich heimzukehren, und wenn ich fünf Minuten zu spät kam, so war das akzeptabel. Ich probierte Alkohol, doch ohne großes Interesse, ohne Begeisterung finden zu können, überraschte meine Eltern nicht mit der Bekenntnis zu rauchen, weil ich diesbezüglich niemals meinem Vater folgen wollte, feierte keine orgiastischen Partys an Tagen elterlichen Abwesenheit, weil ich überhaupt nicht auf den Gedanken kam, derartiges zu tun. Ich kannte keine zwielichtigen Gestalten [bzw kannte welche, ohne sie erst nehmen zu können. Es fällt schwer jemandem, den man seit der ersten Klasse kennt und als albernes Kind in Erinnerung hat, abzunehmen, daß er mit Drogen handelt und auf den Chaostagen in Hannover verhaftet wurde.], und selbst meine erste Freundin, im Alter von 17, bildete keinen Nährboden für Konflikte.
Es liegt mir wenig daran, die wenigen
Jugendsünden, die ich beging, zu glorifizieren, gibt es doch an diesen Aspekte, die mir bis heute unangenehm sind und an die zu denken ich mir häufig verweigere. Anderes habe ich längst in einer Geistesschublade verstaut, die ich nur hin und wieder aufziehe, um über meine damalige Unwissenheit zu schmunzeln - ebenso, wie ich in wenigen Jahren gewiß über meine heutige Unwissenheit schmunzeln werde...
[*] Vorne kurz, hinten lang
morast - 17. Sep, 19:17 - Rubrik:
Wortwelten
Nachdem ich Saturn innerhalb einer einzigen Scorpions-Ballade durchforstet und kauflos verlassen hatte, trug es mich über einen Max-Goldt-Buchkauf-Umweg direkt zum Altmarkt-McDonalds, wo ich mich der Nahrungsmittelimitatsaufnahme hinzugeben beabsichtigte. Zuvor jedoch besichtigte ich die Toilette, ein teures Nicht-Vergnügen, da dort ein mit Kittelschürze bekleideter und dadurch einigermaßen professionell wirkender Türke saß und nichts Besseres mit sich anzufangen wußte, als jeden, der in die verliesartigen Tiefen der Toilettenetage hinabstieg, mit einem flüchtigen Gruß an die Bezahlunsgpflicht zu erinnern und jedes Geldstück, das auf seinen Teller gelegt wurde, sofort in der Kitteltasche verschwinden zu lassen, sobald es das Porzellan klangvoll berührt hatte.
50 Cent verlangte der sicherlich irgendwann putzende, doch im Augenblick untätige Mann für das Verrichten der Notdurft. 50 Cent war auch der Wert der Münze, die stets einsam auf seinem Münzsammelteller zurückblieb und einen offensiven Hinweis an alle Klonutzenden darstellte. Vielleicht, und ich hielt dies nicht für sonderlich unwahrscheinlich, war sie festgeklebt.
Die Lokalität, die sich selbst befremdlicherweise als "Restaurant" bezeichnet, war laut und voll. Nach meiner Bestellung fanden das Tablett uund ich einen freien Platz und nahmen diesen zugleich einem Vater-Tochter-Gespann weg, das selbigen auserkoren hatte. Bereitwillig bot ich an, mich umzusetzen, was aber abgelehnt wurde. Die beiden ließen sich mir gegenüber nieder, so daß ich gezwungen war, in den durchaus ansehnlichen Ausschnitt der Tochter zu blicken, sobald ich mal von meinem Max-Goldt-Buch aufsah. Selbiges geschah jedoch nicht sehr oft, das das McD-Futter glücklicherweise verspeist werden konnte, ohne daß man es betrachten mußte - was vermutlich ohnehin ratsam war.
Im Hintergrund liefen 80er- und Beginn-90er- Liebesliedklassiker wie "Nothing Compares", das ich bekanntermaßen durchaus mag und mich zur Überprüfung der Behauptung, das Video sei ohne einen einzigen Schnitt entstanden [Ist es nicht. Aber es wäre durchaus vorstellbar, daß Nahaufnahmen des Gesichts der Sinead O'Connor ohne Unterbrechung erfolgte.] veranlaßte; wie das wenig begeisternswerte "Eternal Flame" von den Bangles, "Total Eclipse Of The Heart" von Bonnie Tyler, "Voyage Voyage" von irgendwem und andere Lieder, die ich durchaus kannte und zuweilen sogar mochte, obgleich sie dem Gedudel der typischen "Das Beste der 80er! Das Beste der 90er! Und das Beste von Heute!"-Radiosender entsprachen.
[Als ich Terence Trent D'Arby mit "Sign your name" vernahm, fragte ich mich, woher ich den Namen des Interpreten kannte.]
Neben mir saßen zwei Mädels, deren Alter ich nicht zu schätzen vermochte, die jedoch wie ich die Hintergrundmusikmischung mit Interesse verfolgten, obgleich sie nicht lange bei diesem Thema verweilten und zu Gesprächen über youtube.com und dortige geile Videos wanderten, um letztlich wieder bei Musik anzugelangen, genauer: bei Nirvana und ihrem von allen gutgefundenem Klassiker "Smells Like Teen Spirit", einem Lied, das ja so geil sei. Mit so geil wurde dann auch das dazugehörige Album "Nevermind" klassifiziert, das die eine der beiden am heutigen Tag bereits einmal, die andere sogar schon fünf Mal in ihrem Musikabspielgerät rotieren lassen hatte. So geil war dann auch noch anderes, das ich provokativ überhörte.
[Ich weiß, daß das Attribut "provokatov" an dieser Stelle wenig Sinn ergibt, doch klang es gut genug, um es stehenlassen zu wollen.]
So geil war zusätzlich auch noch ein Gitarrenpart in einem Nirvanalied, den die beiden Mädels mit albernen "Dsch-dsch"-Geräuschen imitierten. Ich schmunzelte, weil es so aussah, als hielten sie Nivana für heftig [so geil], ja "evil", während sich in meinem Rucksack eine Schwarzmetallscheibe befand, die vermutlich tatsächlich "evil" war.
Als dann "Wind Of Change"zu hören war, dachte ich: 'Oh no! Das ist überhaupt nicht geil! Schon wieder Scorpions! Sollte ich vielleicht gehen?' und blieb sitzen. Denn anstatt das "Restaurant" zu verlassen, entschied ich mich dafür, mein neues Notizbuch einzuweihen, das endlich wieder als "Kleines Schwarzes Buch" bezeichnet werden durfte, ohne daß ich deswegen mißtrauische Blicke ob des offensichtlich grünen Notizbuch-Äußeren zu ernten befürchten mußte.
"Would I lie to you?" fragten Charles & Eddie nach einer Weile [Wieso kannte ich auch hier den Namen des Interpreten?], und ich stellte fest, daß dies einer der vielen richtigen Augenblicke war, die Lokalität zu verlassen.
[Rednex mit "Wish You Were Here" bestätigten mich in meinem Entschluß.]
[Als ich aufstand, löste ich sich der einstmals nur notdürftig befestige Träger meines Rucksacks, den aufzuheben ich gerade in Begriff war. Aufmerksamkeit erheischend plauzte er auf den Boden und entlockte mir einen gelassenen "MUß ich das schon wieder reparieren?"-Seufzer.]
morast - 17. Sep, 15:45 - Rubrik:
Wortwelten
Unlängst war mir einen Probepackung Aronal/Elmex verabreicht worden, die mir gestern Abend, als ich feststellte, daß meine normalerweise benutzte Zahncreme seine Existenz in meinem Bad nur noch auf eine leere Plastikpackung beschränkte, wirklich gute Dienste erwies, indem sie aushalf, wo sie gebraucht wurde.
"Morgens: Aronal. Abends: Elmex" entsann ich mich und putzte fleißig mit der roten Tube. Auch heute morgen folgte ich der Regel und nahm Aronal, die blaue Tube, zur Hand.
Als ich jedoch soeben das Bedürfnis verspürte, meine Zähne erneut zu bürsten, stand ich ratlos vor einem Problem.
Morgens: Aronal. Abends: Elmex. Doch was genau soll ich zur Mittagsstunde nutzen? Bin ich der erste, der sich mit dieser wahrlich schwerwiegenden Problematik auseinandersetzen muß. Ist denn noch niemand auf die Idee gekommen, eine dritte Marke einzuführen, die besonders den in der Mittagszeit aufkommenden Putzansprüchen genügt? Was soll ich nur tun...?
Kompromißbereit entschied ich mich für eine Aronal-Elmex-Mischung.
P.S: Was hat Zahnpasta eigentlich mit Pasta zu tun?
morast - 15. Sep, 14:02 - Rubrik:
Wortwelten
Ich bin mir dessen durchaus bewußt, daß ich eine ziemlich profane, undurchdachte und vielleicht gar unsinnige Behauptung von mir gebe, wenn ich bekunde, von Gott, besser: von seinen Vertretern auf Erden, von seinen Anhängern - und auch Gegnern, genervt zu sein.
Es vergeht kein Tag ohne Nachrichten mit Gottbezug, sei es der seit Jahrzehnten währende Israelkrieg, sei es die Frage nach Trennung von Staat und Kirche in der US-amerikanischen Regierung, sei es die Überlegung Kreationismus vs. Evolution, sei die ewige Schuld der Deutschen gegenüber den Juden, sei es der Terrorismus und die mit ihm aufkommende Islamfurcht, sei es der uralte Gedanke, im Namen einer überirdischen Macht Ziele zu verfolgen, sei es die Frage nach der Anzahl der Lügen in der Bibel, sei es die Rede eines Papstes und der daraus entstehende Tumult, seien es dänische Karikaturen und der Diskurs, was Karikaturen denn überhaupt dürfen, sei es die Kritik an der Verfilmung der letzten Tage Jesu, seien es von der Kirche auferlegte Regeln und das absichtlich-provokative Brechen dieser, seien es weltweit entdeckte Toastbrotmarias und weinende Madonnas, sei es das sonntägliche 10-Uhr-Gebimmel unweit meiner Wohnung erbauter Glaubensgebäude, das mich zu kritischen Lärmbelästigungsbemerkungen veranlaßt.
Ich, der sich als Heide bezeichnen würde, weil er nicht keinem Glauben frönt, weil er nicht dem Glauben an sich abzusagen gedenkt, sondern eher pantheistische Ansätze in sich erahnt und Göttliches in allem, auch in sich selbst, sucht, ich, der als Kind nur einem einzigen Krippenspiel beiwohnte, der seiner Erinnerung nach noch nie an einem Sonntagsgottesdienst teilnahm, ich, der Kirchen als kunsthistorisch bedeutsame Objekte aber nicht als Gotteshäuser betrachtet, ich, der all jene Nachrichten aufnimmt, bin genervt.
Mich berühren Gott und Glauben nicht; es erscheint mir absurd, jahrhundertlang Diskussionen über die Echtheit eines Stückes Stoff zu führen, auf dem angeblich das Antlitz Jesu zu sehen sei, absurd, einer Idee folgend unzählige andere als falschgläubig zu bezeichnen und in den Tod [oder auch "nur" in die Verdammnis] schicken zu wollen, absurd, einer kruden Unsichtbarkeit Tempel zu erbauen, Schriften zu widmen, um welche sich Kriege und Dispute entflammen.
Ich begreife Gottesglaube nicht, kann mich ihm nicht nähern. Und doch ist die Welt getränkt davon, übersättigt von etwas, das ich mit meiner nüchternen Theologie-Unkenntnis nur als "Wahn" bezeichnen kann.
Ich bin mir dessen bewußt, daß die Mehrheit der auf diesem Planeten Lebenden an höhere Mächte glauben, denen sie ihr Leben anzuvertrauen bereit sind, daß ich kein Recht habe, mich gegen all diese zu stellen und zu behaupten, daß sie falsch liegen, einem Irrsinn aufgesessen sind, der vermutlich unheilbar ist. Und ich möchte mich auch nicht gegen sie stellen, denn tatsächlich ist es eine Art Toleranz, die ich begehre. Ich begreife Gott nicht, den Glauben daran - und daher fühle ich mich außerstande, jene, die Götter suchen und finden, mit herbster Kritik bedecken zu wollen.
Dennoch kann ich mich dem Wunsch nicht entziehen, daß ich allen Gläubigen für einen Moment die Augen öffnen, ihnen für einen Augenblick meine nüchterne Betrachtungsweise ins Herz pflanzen könnte.
Normalerweise ist es ein Leichtes für mich, die Mehrheit zu tolerieren, mich geduldig zu zeigen, selbst wenn das Andersdenkende, Andersglaubende mich Kopfschütteln macht. Ich weiß zu wenig, begreife zu wenig, um mir anmaßen zu können, die totale Richtigkeit gefunden zu haben.
Dennoch gärt es in mir, und jedesmal, wenn Medienvertreter eine neue Konfliktsituation aufdecken, künstlich erweitern, die einem Gottesdisput, einer unbedachten Äußerung, einer unbegabten Zeichnung, entspringt, jedesmal wenn Nachrichten die Folgen dessen zeigen, was angeblich Glaube sein soll, möchte ich aufstehen, die bornierten Schädel gegen Mauern schlagen, auf daß die in ihrer Lächerlichkeit traurigen Gedanken, die albernen Wahnvorstellungen aus ihnen herauspurzeln und im Staub der Nichtigkeit verlorengehen mögen.
Ich begreife, daß Götter eine bedeutende Rolle spielen, doch sind sie nicht Teil meines Denkens. Dementsprechend erachte ich es für durchaus gerecht, mich hin und wieder von allem, was Kirche und Glauben, was Jihad und Religion ist, zurückziehen zu wollen, mein Denken, Wissen, Sehen von all jenem zu befreien, das ich für absurd halte.
["absurd" ist nichts Abwertendes, sondern nur ein Ausdruck meines Nichtbegreifens, nahezu gleichbedeutend mit "abstrakt".]
Doch dergleichen gelingt nicht; die Welt ist voll von Gott und aus Ihm Resultierendem.
"Schweigt!", möchte ich rufen, "Gott nervt mich!"
Was jedoch wäre eine Welt ohne Gott, ohne den Glauben an Ihn? Unbeachtet dessen, daß ich der festen Überzeugung bin, daß der Mensch den Glauben braucht, daß er diverser Dinge bedarf, um sein Herz, seinen Geist, sein Streben daran orientieren, daran aufhängen zu können, abgesehen davon, daß eine Welt ohne Glauben sicherlich eine trübe wäre: Wäre die Welt ohne Gott ärmer an Konflikten, ärmer an aussichtlosen, ergebnisfernen Disputen, ärmer an Terror, ärmer an Wahn?
Das Traurige ist: Ich bezweifle es. Gott kann mich noch so sehr nerven; sein Fehlen bedeutete nicht, daß die Welt zu einer besseren werden würde. Denn nicht Gott ist es, der Konflikte schafft, Kriege führt, sondern der Mensch, nur er allein in seinem oft blinden Eifer, das vermeintlich einzig Richtige zu tun.
Die Erkenntnis ist nicht neu, war es vermutlich noch nie, doch läßt erahnen, daß eine Welt ohne den mir absurd anmutenden Gotteswahn automatisch einen Ersatz, eine Alternativlegitimation, schaffen würde, um sich weiterhin gesprochenen, geschriebenen oder tatsächlichen Gefechten hinzugeben.
Die vorangegangenen Zeilen klingen in meinen Ohren sehr stark nach Misswahl-Weltfriedenswünschen, nach einer "Seid-Wieder-Llieb-Zueinander"-Mission, nach leider lächerlichem Gutmenschwünschen. Dabei lag mir nichts ferner als ein Traktat zur Weltverbesserung.
Mein Wunsch war es einzig und allein, Ruhe zu haben, Ruhe vor Gott und allem, was mit Ihm zusammenhängt, Ruhe vor einer unsichtbaren Macht, die ich nicht bereifen kann, aber auch nicht begreifen will, Ruhe vor etwas, das in der Form, in der es Religionen weltweit predigen, meiner Ansicht nach unter keinen Umständen existiert, Ruhe vor etwas, das nicht mit meinen Gedanken, mit meinen Überlegungen, mit meinem Weltbild einhergeht - und dennoch omnipräsent jeden Tag meines Daseins bevölkert.
Der Wunsch ist absurd; dessen bin ich mir bewußt. Dennoch wollte ich ihn einmal geäußert haben.
[Im Hintergrund: Dementi - "Zweigefühl"]
morast - 15. Sep, 13:38 - Rubrik:
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Unlängst wurde mir mit Verzücken bewußt, daß es leicht fiele zu begründen, warum Deutschland jenseits seiner Grenzen stets nicht nur mit Tüchtig-, Gründlich- und Humorlosigkeit sondern auch mit Automobilen assoziiert wird.
Leider begegnete mir noch niemand, der nach einer Begründung für den Zusammenhang zwischen meinem Heimatland und Autos suchte und diese unter passierenden Einheimischen zu erfragen wünschte. Dennoch will ich meine Erkenntnis verkünden, sie nicht zurückhalten, sondern hinausschreien in eine Welt, die vermutlich nicht darauf gewartet hat, doch hätte darauf warten sollen, und sei es nur, um den in ihr Wohnenden die Möglichkeit zu schenken, bei der nächsten Party eine attraktiven Person anderen oder gleichen Geschlechts mittels eines bedeutungslosen aber geringfügig interessanten und amüsanten Wortspiels zu einem Schmunzeln anzuregen - vorausgesetzt, sie oder er weiß Sprache und in ihr befindliche Kostbarkeiten zu schätzen.
Nicht selten geschieht es schließlich, daß man zu einer Erkenntnis gelangt oder ob eines abstrusen Gedankens ein Lächeln im eigenen Gesicht wiederfindet, doch bei allen anwesenden Gegenübern nur desinteressiertes Gähnen erntet, versucht man, seine Umwelt mit dem soeben im eigenen Kopf Entdeckten zu unterhalten. Derlei Situationen sollten - auch in meinem Umfeld - vermieden bleiben, weswegen die Ungutheit, meinen simplen, aber dennoch beeindruckenden Gedankengang einer anonymen Öffentlichkeit statt einer mir mittelnah stehenden Menschengruppe darlegen zu müssen, vielleicht gar keine ist.
Warum also ist es eindeutig, daß Deutsche und Autos zusammengehören wie der linke und der rechte Teil eines Paars schwerer, schwarzer Schnürstiefel [Den Vergleich fügte ich nur ein, um mich der darin befindlichen Alliteration zu erfreuen.]?
Die Antwort erweist sich als beeindruckend einfach und bedürfte überhaupt nicht der vielen, bereits von mir verwendeten Zeilen der Vorrede:
Die deutschen Worte "Gefährt" und "Gefährte" liegen sprachlich derart nah beieinander, daß sie fast eine Einheit bilden, ja selbst Gefährten untereinander darstellen, untrennbar miteinander verbunden sind. In keiner anderen mir bekannten Sprache [Ich gebe zu, allzu viele sind mir nicht bekannt.] ist ein Synonym für Automobil derart nah an ein Synonym für Freund angelehnt.
Das Gefährt ist also ein Gefährte, das Auto ist ein Freund, nicht nur ein mechanisches Ungetüm, sondern ein Begleiter. Allerdings gilt das nur im deutschen Sprachwortschatz, ausschlließlich bei Deutschen.
Es fällt also leicht zu erklären, warum wir Deutsche in den Augen der Bewohner fremder Länder als autoliebend gelten.
Ein kritisierender Sprachmöger wird einwenden, daß das Wort "Gefährt" nicht nur auf Automobile anzuwenden ist, sondern auch auf Kutschen, Fahrräder, Roller, Rollstühle, vielleicht sogar auf Rhönräder, welche übrigens von mir nicht unbedingt als ästhetischste aller Turngeräte erachtet werden. Dem entgegne ich, daß wir Deutsche über ein derart immenses Potential an Liebe zu verfügen scheinen, daß nicht nur Kraftfahrzeuge, sondern sämtliche berädertes Utensilien damit bestückt werden können. Wir finden eben Gefährten in sämtlichen Gefährten, erlaube ich mir zu kalauern.
Mit dem vorangegangenen Satz jedoch lüge ich, während ich die Wahrheit spreche: Denn mir legt nicht viel an Autos. Würde jemand mich, während ich nichts Böses ahnend auf der Straße schlendere [In den seltensten Fällen ahnt man gleichzeitig Böses, während man schlendert, sich als gemütlich und nahezu ziellos fortbewegt.], spontan mit der Frage überfallen, welches denn mein favorisiertes Auto sei, hätte ich abgesehen von einem vermutlich nicht geltenden "Äh..." keinerlei Antwort parat. Ich erachte Autos für unbedeutend genug, um mir keine Gedanken über diesbezügliche Vorlieben machen zu wollen.
Besäße ich ein Auto, so fiele es mir schwer, eine persönliche Beziehung zu ihm aufzubauen, weil es zum einen vor allem zu funktionieren und nicht sympathisch zu sein hat und zum anderen über die mir mißfallende Eigenschaft verfügt, Unsummen mühsam erworbenen Geldes zu fressen, allein, um seinen Status Quo zu erhalten und es nutzen zu können.
Ein Automobil wäre mir wahrlich kein Gefährte.
Dennoch bin ich nicht frei von Gefährtenliebe [Es darf geraten werden, ob ich soeben nun den Freund oder das Vehikel meinte.]. Denn unlängst erwarb ich ein Gebrauchtfahrrad, das jedoch von fachkundigen Händen bis zur Funktionstüchtigkeit, ja sogar zu straßentauglicher Verkehrssicherheit, aufpoliert worden war und mich seitdem durch die Gassen der von mir besuchten Städte trägt. In seinem regenaufsaugenden Ledersattel sitze ich königlich, und selbst wenn ich mit Tempo-30-Zonen-Radarfallen auslösender Geschwindigkeit durch die Botanik [wie mein Großvater sich auszudrücken pflegt] düse, verliere ich nicht das behagliche Gefühl einer gemütlichen Kleinstreise.
Als vormaliger Mountainbikebesitzer lobe ich hin und wieder den zuweilen dringend benötigten Gepäckträger mit süßesten Worten, die denen in Rilkes Liebesgedichten in nichts nachstehen oder erfreue mich der silbern glänzenden Werkzeugtasche, deren Inhalt erstaunlicherweise noch immer nicht ersatzlos entführt wurde.
Das Rad ist älteren Baujahres und weiß mich dennoch mit Würde und Komfort zu tragen.
Unlängst ertappte ich mich dabei, nach einer Innenstadtrundreise im Vorbeigehen den Sattel mit den Fingerspitzen sanft zu berühren und ein gelächeltes Danke zu flüstern, als wäre dieses Gefährt tatsächlich mein Gefährte.
Im übrigen frage ich mich, warum die Worte "anschließen" und "abschließen", auf Fahrradschlösser bezogen, dasselbe bedeuten können, selbst wenn ich mit letzterem eigentlich das Entfernen des Schlosses und nicht das Anbringen desselben meine, und ob es Alternativbegriffe gibt, welche imstande sind, die Uneindeutigkeit dieser beiden zu ersetzen.
Außerdem frage ich mich, ob die Parallelität [Ich brauchte übrigens dank rechtschreibschwacher Mathematiklehrer eine geraume Weile, bis ich mir erarbeitet hatte, daß das Wort "parallel" zunächst mit zwei und dann erst mit einem "L" - und nicht andersherum - geschrieben wird.] zwischen "Gefährt" und "Gefährte" wirklich eine holde Dame im Laufe eines Partydialogs zum Schmunzeln anzuregen vermag und woran es liegen könnte, daß beide Worte einander derart ähnlich sind.
Abschließend fällt mir ein, daß "Sputnik" im Russischen einen Weggefährten bezeichnet - und zugleich der Name einer Serie russischer Satelliten war. Bezeichnete man einen Satelliten als Gefährt, so bestünden Parallelen zum Deutschen. Ich jedoch behalte mir vor, einen Satelliten nicht als Gefährt definieren zu wollen - genausowenig wie ich mir einen Satelliten als Gefährten wünsche.
morast - 11. Sep, 17:14 - Rubrik:
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Es erwies sich als äußerst unbequem, auf einer mit Geld gefüllten Hosentasche zu sitzen. Nach einem Bäckerbesuch hatte ich das Wechselgeld, ein Fünf-Euro-Schein und diverse Münzen, unbedacht einfach in den üblicherweise als "Arschtasche" bezeichneten Teil meiner Hose gestopft und saß nun drachengleich auf meinem Miniaturschatz. Jedoch schon nach kurzer Zeit befreite ich mich von dem unförmigen Metall- und Papierhaufen und saß - immerhin noch fürstlich - im Chefsessel, während der Drachenschatz auf meinem Schreibtisch liegend eines neuen Drachen harrte.
18.34 Uhr realisierte ich, über noch exakt 26 Minuten Zeit zu verfügen, um zur Hauptpost zu gelangen und dort einen bedeutsamen Briefumschlag in Obhut zu geben. Ich klaubte Schlüssel und Musikabspielgerät vom Regal, stopfte den Umschlag in meinen Rucksack, eilte die Treppen hinunter, schwang mich auf mein Rad und radelte mit hoher Geschwindigkeit, mich den üppigen Windböen widersetzend, zur Post. Beim Absteigen entdeckte ich ein bekanntes aber nicht gemochtes Gesicht, dessen Besitzer ebenfalls in Begriff war, von seinem Rad zu steigen, und machte mir einen Spaß daraus, das "Vom-Rad-Absteigen-Es-Gegen-Den-Bauzaun-Lehnen-Und-Ordnungsgemäß-Abschließen"-Wettrennen zu gewinnen.
Ich reihte mich in die Schlange der am Postschalter Wartenden und freute mich über die acht Minuten, die mir noch bis zur Filialschließung verblieben waren. Plötzlich fiel es mir ein: Das Geld! Es lag noch immer auf dem Schreibtisch! Und mein Portemonaie war ansonsten nahezu leer!
"Scheiße!", murmelte ich, reihte mich wieder aus, untersuchte den Inhalt meiner Geldbörse, doch fand nur ein paar 5-Cent-Stücke. Da die Post keine EC-Karten zu akzeptieren pflegte, mußte ich mich zwischen den zwei mir bekannten, in relativer Nähe liegenden Sparkassengeldautomaten zu entscheiden. Als die Wahl zugunsten des links von mir, im Allee-Center befindlichen ausgefallen war, hatte ich bereits das Rad vom Schloß befreit und saß im Sattel.
Ich hatte keine Uhr um, und mein Handy herauszukramen, hätte zuviel Zeit in Anspruch genommen. Also konnte ich nur hoffen, daß mir eine ausreichend große Minutenanzahl geblieben war, um rechtzeitig zurückkehren zu können. Ich sprintete, spürte den Schweiß auf meinem Rücken, sprang vom Rad und schloß es an. Nicht richtig, nur so, daß es den Anschein erweckte, angeschlossen zu sein. Die Sekunden, die mir für das Aufschließen erspart sein würden, würde ich bestimmt gebrauchen können.
Ich stürmte ins Allee-Center, durch die Menschenmassen, wich den Einkaufenden aus, nutzte jede Kleinstlücke, um schneller voranzukommen, stand plötzlich vor dem Automaten, stopfte die EC-Karte hinein, hämmerte meine Geheimnummer in die Tasten.
Normalerweise hebe ich immer 30 Euro ein, ein Betrag, den ich gesondert einzutippen habe. Heute wollte ich eine Ausnahme machen, gleich 50 Euro wählen und so wertvolle Zeit sparen.
Ich drückte daneben, erwischte den 200 Euro-Knopf, ärgerte mich kurz, daß es bei derart hohen Beträgen keine gesonderte Abfrage gab, zuckte mit den Schultern, verstaute Geld und Karte, rannte durch das Allee-Center zurück, darauf achtend, auf dem glänzenden Boden nicht auszurutschen, riß das Schloß vom Fahrrad, sprintete zur Post zurück, sprang ab und warf das Schloß ins Radgestänge. Die wenigen Stufen zur Eingangstür nahm ich mit einmal. Atemlos kam ich an, wartete ungeduldig darauf, daß der Lichtschrankensensor mich bemerkte, mir die Tür öffnete.
Doch nichts geschah. Ich trat einen Schritt zurück, wieder vor. Nichts geschah. Ich winkte dem Sensor zu. Nichts. Ich blickte durch die Glastür und erkannte geschäftig wirkende Postfrauen, die bereits ihre Schalter verlassen hatten und sich anderen Arbeiten als der Kundenabfertigung widmeten. Ich war zu spät.
Das konnte nicht sein! Alle Uhren, die ich auf dem Weg zur Post gesehen hatte, waren der Meinung gewesen, daß mir noch zwei Minuten zur Verfügung gestanden hatten. Und selbst jetzt, als ich keuchend vor der unbeweglichen Tür stand, meinte mein Handy, daß ich noch eine Minute Zeit hätte, bis die Filiale ihre Pforten schlösse.
Ich hatte nicht einmal mehr genügend Luft, um zu fluchen, geschweige denn, um mich lautstark zu empören, stand nur herum, unwissend, was nun mit mir anzufangen sei. Allmählich sammelte ich mich, ging nach draußen.
Der Briefmarkenautomat! Mit ihm könnte ich den bedeutsamen Brief zwar nicht per Einschreiben versenden, aber immerhin wäre es mir durch ihn möglich, überhaupt etwas zu versenden. Heute noch. Schließlich zeigten die herumhängenden Briefkästen an, daß die "Nachtleerung" gegen 20.30 Uhr erfolgen würde. Mit etwas Glück würde der Brief vielleicht doch schon am morgigen Tag ankommen.
Ich schöpfte wieder Hoffnung. Mich beruhigend holte ich das Portemonaie hervor. Natürlich besaß ich kein Münzgeld, nur Scheine, die der Automat nicht akzeptierte. Mist.
Außerdem hatte ich keine Ahnung, was mein Brief denn kosten würde.
Ich betätigte den Knopf "Porto-Info" am Briefmarkenautomaten; dort würde ich zumindest dieses Problem lösen können.
Zunächst mußte ich das Briefformat wählen; immerhin kannte ich ungefähr die Maße eines C4-Umschlags und war imstande, das richtige auszuwählen. Doch schon die nächste Frage ließ mich rätseln: Wie dick war mein Brief? Weniger als ein Zentimeter? Vielleicht. Wenn man ihn zusammendrückte. Ich war mir nicht sicher. 1 bis 2 Zentimeter? Könnte sein... Ich entschied mich dafür.
Als nächstes begehrte der Automat zu erfahren, wieviel mein Brief denn wog. Ich spürte erneut die Wut in mir aufkochen. Ich stand nur vor diesem dämlichen Automaten, weil die Post nicht bis zur letzten Minute aufgeblieben war und hatte bestimmt nicht die Zeit gehabt, den Brief auf der Küchenwaage auszumessen! Ganz abgesehen davon, daß ich überhaupt keine Küchenwaage besitze! Und Grammwerte zu schätzen, bin ich keineswegs imstande.
Ich entschied mich für "unter 500 Gramm", sollte 1,45 Euro zahlen, drückte "zurück", wählte "500 bis 1000[?] Gramm", sollte nun 2,20 Euro zahlen. Na gut, seufzte ich und überlegte.
Lohnte es sich, zu einer naheliegenden Kneipe zu radeln, dort einen Geldschein wechseln zu lassen, zurückzufahren und dem Markenautomat das fällige Porto zu entlocken, wenn ich doch dabei auf das eigentlich gewünschte Einschreiben verzichten mußte und noch nicht einmal genau wußte, welche Briefmarke den Umschlag zieren mußte und auch nicht geklärt war, ob die vermeintliche Nachtleerung ein Ankommen des Briefes am morgigen Tag ermöglichen würde?
Oder erklärte ich alle Hetzerei für vergebens, ergab mich meinem Schicksal und kam am folgenden Tag - rechtzeitig, diesmal - zurück?
In der nächstgelegenen Kneipe wurde ich verdächtigt, das gewechselte Geld für Zigaretten zu benötigen. 'Haha!', dachte ich und erklärte, daß der Briefmarkenautomat keine Geldscheine akzeptieren würde. Und nicht nur das: Kaum war ich zurück am Automaten, entdeckte ich in der rechten oberen Bildschirmecke eine kleine Meldung, daß der Automat sich jeder Art von Bargeld verweigerte. Einzig die Geldkarte sei als Bezahlungsmittel zulässig. Selbst wenn meine EC-Karte einen solchen überflüssigen Geldkartenchip besessen hätte, wäre ich vermutlich nicht zurück zur Sparkasse geradelt, um diesen aufzuladen.
Glücklicherweise existierte im Postfoyer ein zweiter Briefmarkenautomat, einer, der sogar mein mühsam erworbenes Kleingeld zu akzeptieren bereit war, inklusive der 5-Cent-Stücke, die noch in meinem Portemonaie verweilten. Ich konnte die vermutlich erforderlichen 2,20 Euro tatsächlich passend zahlen und brauchte mich nicht über eine 80-Cent-Briefmarke als Wechselgeld ärgern.
Ich ging wieder ins Freie, begab mich zum Briefkasten, holte den Umschlag aus dem Rucksack und beklebte ihn mit meiner neuen Briefmarke. Stolz betrachtete ich mein Werk und schickte mich an, den Brief in den dafür vorgesehenen Schlitz zu werfen.
Doch dieser war zu klein! Mein Umschlag, mein Maxi-Brief [so lautete die Porto-Info-Bezeichnung des Markenautomaten], war zu groß, zu breit, für den schmalen Einfwurfschacht!
Bei dem Briefkasten handelte es sich um ein historisches Exemplar, das zwar gelb war, sich aber ansonsten äußerlich von "normalen" Briefkästen komplett unterschied. Denn damals, als man ihn erbaute, hatte man darauf Wert gelegt, das Äußere des gelben Kastens an den gotischen Bau der Post anzupassen. Damals, so schien es, war es nicht üblich gewesen, Briefe größerer Ausmaße zu befördern, so daß der Briefkasten keines, für C4-Umschläge geeigneten Einwurfschachtes bedurfte.
Ich seufzte und sah mich um. Nur wenige Meter entfernt entdeckte ich einen modernen Briefkasten, auf den ich zusteuerte, den Brief wie eine drohende Waffe vor mich haltend. Der Briefkasten ergab sich: Sein Schlitz war breit genug, um meinen Umschlag zu fassen.
Lächelnd blickte ich in das Dunkel des Kastens, in dem soeben mein bedeutsamer Brief verschwunden war, und atmete auf.
'Mission erfüllt.', dachte ich erleichtert und radelte gemächlich nach Hause.
[Im Hintergrund: Blind Guardian - "A Twist In The Myth" --- Ich bin begeistert!]
morast - 4. Sep, 21:42 - Rubrik:
Wortwelten
Abendliche Innenstadtausschweifungen mit Freunden und Bekannten, mit Musik und Getränken, beendend wähle ich nicht selten den Fußweg in Richtung heimatlicher Gefilde. Öffentliche Nahverkehrsmittel zu nutzen würde mich nichts kosten, doch fühlte ich mich auf diese Weise nicht flexibel genug, zu sehr abhängig von halbstündigen Abfahrtszeiten, vom Umstieg am Bus- und Bahnsammelpunkt. Hinzu kommt, daß ich dennoch ungefähr sieben Minuten Fußweg zurückzulegen hätte - und trotzdem nicht zeitiger heimgekehrt wäre, als würde ich gleich laufen.
Der Trick ist der Glacis, ein schmales Parkstück inmitten Magdeburgs, dem nachgesagt wird, daß sich in ihm ein Treffpunkt für schnellen Sex suchende Schwule befindet. Zu den üblichen Hinweisen
"Fahr lieber mit der Bahn. Im Park ist es so dunkel..."
gesellt sich also zuweilen ein besorgtes
"Nicht, daß dich die Schwulen wegschnappen..., nicht bedenkend, daß an Sex interessierte Schwule vermutlich nicht automatisch dazu neigen werden, maskuline Passanten vom Wege wegzureißen, in die Büsche zu zerren, um sich dort an ihnen auszuleben.
Ich ignoriere alle Warnungen und laufe dennoch durch den Park. Abgesehen von einer Bahngleisunterführung ist der Park beleuchtet. Obgleich auf dem Magdeburger Ring nachts die Laternen zu Strom- und Geldsparzwecken abgeschaltet werden, leistet es sich die Stadt, diesen winzigen Flecken Grün mit ausreichend Licht zu bestücken, um im Dunkel stets aufwallende Gefährlichkeitsgedanken zu reduzieren.
Ich liebe die Bahngleisunterführung. Wenn ich hier mit meinem Fahrrad durchradle und ausnahmsweise auf eigenes Licht verzichte, klingle ich stets wie wild, um - das Gebaren südländischer Autofahrer nachahmend - durch meinen Lärm ankommenden Gegenverkehr zu warnen. Das mag lächerlich klingen, doch es geschah bereits, daß ich mich im Dunkel befand und ankommende Radfahrer erst bemerkte, als ich ihren Lufthauch in bedrohlicher Nähe an mir vorbeigleiten spürte. Fast hätte es einen Unfall gegeben, und die Vorbeirauschenden hatten mich überhaupt nicht bemerkt.
Ich gebe zu, daß ein Grund, durch diesen Park zu laufen, dessen Ruhe, dessen Abgeschiedenheit ist. Nachdem ich mich ausreichend Innenstadtfreuden gebadet habe, ist es mir ein Wohlgefallen abzuschalten, in meinen Gedanken versunken durch den Park zu schlendern, durch das Halbdunkel, das - befreit von aufdringlichen Menschen und deren Gelärm - für wohlige Ruhe in mir sorgt.
Ich rekapituliere Gesagtes, Gehörtes, finde plötzlich die richtigen Antworten, die mir vorhin noch versagt gewesen waren, interpretiere Zeichen und Symbole des vergangenen Abends, stelle mir Fragen und versuche, deren Lösung zu erheischen. Hin und wieder bleibe ich stehen, um einer Schnecke zuzusehen, wie sie langsam über den Asphalt kriecht und eine glitzernde Spur hinterläßt. Ich hebe sie an, vorsichtig, und setze sie auf der anderen Seite des Weges wieder ab, ins Gras, dorthin, wo sie, hätte sie ihre Richtung beibehalten, ohnehin angekommen wäre.
In diesem Park finde ich mein kleines Lächeln, jenes, dessen Präsentation nach außen hin sich auf ein Minimum beschränkt, das vielleicht einen Mundwinkel hebt oder meine Augen vergnügt aufblitzen läßt. Jenes Lächeln liebe ich; es reicht nach innen, erwärmt sich an Kleinstem, an Wortfetzen, Gedankenskizzen, an raschelnden Blättern und Schneckenspuren auf dunklem Asphalt.
Hin und wieder steigere ich das Maß der Abgeschiedenheit, indem ich mir Musik in die Ohren stöpsle, sie einen weiteren Sinn blockieren, mich von ihren Emotionen mitreißen lasse. In der halbdunklen Stille des Parks erklingen meine unförmigen Mitsingversuche, nicht selten mit eigenen spontan ersonnenen Texten, die ich im selben Moment vergessen habe, da sie meinen Mund verließen.
Überholt mich ein Fahrradfahrer, so grinse ich kurz verlegen oder tue so, als hätte ich ihn nicht bemerkt, singe weiter, als wäre ich für mich allein, ungestört von der fremden Kurzpräsenz.
Unlängst schlenderte ich heimwärts, als zwei Jugendliche versuchten, gemeinsam auf einem Fahrrad zu sitzen und dennoch voranzukommen. Ihre fehlende Übung in solchen Dingen zeigte sich deutlich und ließ sie immer wieder innehalten und absteigen. Ich überlegte, ob ich stehenbleiben sollte, denn ich wollte meine Abgeschiedenheit nicht mit ihren Anwesenheiten vergällen und zugleich nicht unfreiwilliger Zuschauer sein bei ihrem Mißlingen. Ich lief nun langsamer, doch den beiden war ein stetes Vorankommen noch immer untersagt. Die Bahngleisunterführung trug nun Schuld, mußte doch wegen ihr ein Anstieg überwunden werden, der die beiden straucheln ließ.
Letztlich gelang es. Auf Gepäckträger und Sattel sitzend nahmen sie Geschwindigkeit auf und entradelten langsam meiner Welt. Auf einer Parkbank saß ein alter Mann, der die beiden Vorbeifahrenden vergnügt beobachtete. Als ich ihn erreichte, begann er zu lachen. Ich erschrak, denn was ich vernahm, hätte auch die teuflische Lache eines Horrorfilmdämonen sein können - ein Gedanke, der im parkischen Halbdunkel unangebracht ist, weil mit einem Male plötzlich hinter jedem Baum, in jedem Schatten, Geister und Schreckgestalten hausen.
Der Mann lachte noch, als ich an ihm vorbeigegangen war, und für einen Moment fragte ich mich, ob er vielleicht mich meinen könnte, wissend, daß ich mich auf meinem weiteren Weg durch den Park in gräßliches Unheil stürzen würde. Ich lächelte scheu und versuchte, den albernen Gedanken zu verscheuchen, lauschte der Musik in meinen Ohren, welche die Worte in meinem Kopf, die Bilder, zu dämpfen vermochte.
Mir passierte nichts. Weder Unholde noch Schwule vergingen sich an mir. Nur die Batterie des Musikabspielgerätes verweigerte den weiteren Dienst, so daß ich den letzten Teil des Weges in Stille verbringen mußte. Natürlich herrscht inmitten einer Stadt niemals Stille, und auch hier, in unmittelbarer Nähe des unbeleuchteten Magdeburger Rings, wird die Illusion parkeigener Idylle - himmlische Ruhe durchsetzt mit vereinzeltem Grillenzirpen und Nachtvogelgesang - umgehend zerstört.
Doch was ich suche, ist nicht Stille. Es ist Schweigen. Abgeschiedenheit. Nur einen Moment lang, um zur Ruhe zu kommen, nach dem Trubel mich selbst wiederzufinden, mich der inneren Sehnsucht hinzugeben oder bereits mit dem Träumen zu beginnen.
Auf der Wiese sehe ich eine Silhouette. Zu oft narrt mich das Halbdunkel, läßt in meinen Gedanken aus den Formen gehäufter Blätter winzige Wesen entstehen, denen ich mich neugierig nähere, um dann über meinen Irrtum zu lächeln.
Doch diese Silhouette ist echt: Ein Igel läuft durch das Gras, vermutlich Nahrung suchend, jagend. Ich bleibe nicht stehen, will ihn nicht stören, nicht bei seinen nächtlichen Streifzügen, nicht mit meiner freudig erregten Anwesenheit.
Lächelnd verlasse ich den Park.
[Im Hintergrund:Opeth - "Blackwater Park"]
morast - 2. Sep, 12:30 - Rubrik:
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Hin und wieder neige ich dazu, alltägliche Dinge anhand ihres Design auszuwählen und zu erwerben.
Würde es sich dabei um Möbel oder Gläser, um Kleidungsstücke oder Kerzenständer handeln, wäre diese Angewohnheit nicht weiter erwähnenswert.
Doch der designorientierte Kauf macht sich vor allem bei Normalem bemerkbar. So brauche ich beispielsweise stundenlang, ehe ich die richtige Zahnbürste gefunden habe, weil ich zunächst die Form, dann die Farbe und schließlich - aus rein praktischen Erwägungen - die Borstenstärke auszuwählen habe. Davon, daß mir letztlich der Preis mißfallen könnte, fange ich gar nicht erst an.
Ich bin durchaus bereit, Schokolade nur deswegen liegenzulassen, weil mir das Verpackungsdesign mißfällt - auch wenn ich weiß, daß mir der Inhalt zusagt. Mich von schickem Design zu höreren Preiszahlungen verführen zu lassen, gelingt jedoch nicht. Dafür sind Brot, Mineralwasser und Cornflakes zu gewöhnlich.
Heute aber überlegte ich, ob ich mir Bio-Bananen kaufen sollte. Sie sahen fast genauso aus wie andere Bananen; das "Design" führte mich also nicht in Versuchung.
Aber die Alliteration: Bio-Bananen - allein das war es doch wert, sie zu kaufen!
'Du hast doch ne Macke.', dachte ich und schob den Korb an den Bananen vorbei.
morast - 29. Aug, 17:07 - Rubrik:
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