Wortwelten

Freitag, 15. Juli 2005

Nur Fliegen sind schöner...

Die Toilette meiner Wohngemeinschaft verfügt über kein Fenster. Zumindest über kein "echtes", besitzt sie doch einen adäquaten Fensterersatz, bestehend aus einer Plexiglasscheibe in der Decke, von der zu Regenzeiten ein angenehmes, beruhigendes Tropfenklopfen [schönes Wort] zu hören ist, und aus einem einigermaßen wirksamen Stinkluftentsorger in Form eines an- und ausschaltbaren Luftabzugs.

Das jedoch half der Fliege wenig, die sich in den kleinen Toilettenraum verirrt hatte und diesen nun mit mir teilte, war das einzige, was sie brauchte, doch ein offenes Fenster, oder zumindest eine geöffnete Tür, die in einen Nachbarraum mit offenenem Fenster führte [oder zumindest in einen Nachbarraum mit offener Tür...].

Doch ich saß bereits auf dem Klo, hatte die Tür abgeschlossen, war eifrig dabei, Stoffwechselendprodukte von mir zu geben [Ich weiß, das hört sich wenig appetitlich an, aber im allgemeinen führt man auf der Toilette nichts sonderlich Appetitanregendes aus.]. Ich war entspannt, ruhig und gelassen. Nicht umsonst hat man auf der Kloschüssel sitzend oder unter der Dusche die besten Ideen: Man schaltet ab, entfernt sich für wenige Momente von der omnipräsenten Wirklichkeit.

Die Fliege flog herum. Es handelte sich um ein besonders dickes Exemplar; dementsprechend laut waren ihre Fluggeräusche.
Anfangs war ich genervt, wurde ich doch nicht nur durch den Lärm in meiner Ruhe gestört, sondern auch durch die hektik, die von dem kleinen summenden, brummenden Tier ausging, das panisch nach einem Ausgang suchte, immer wieder gegen die Plexiglasscheibe stieß, in Türnähe umherirrte, kreisförmige Bahnen in die Luft malte.

Doch eigentlich hatte ich nichts gegen Fliegen, erst recht nichts gegen ihr Brummen. Erst vor wenigen Tagen hatte mich eine von ihnen angenehm in den tag hineingeweckt. Und Fliegen waren schließlich auch keine Motten, deren Existenz mich zuweilen durchaus störte.

Also redete ihr der panisch herumkreisenden Fliege gut zu.
"Bleib ruhig. Gleich bist du draußen. Warte noch. Setz dich irgendwo hin. Von mir aus auch auf mein Bein. Sei locker. Ich bin gleich fertig..."

Die Fliege hörte nicht zu, schwirrte umher, als hinge ihr Leben davon ab.
'Was das für Energie kosten muß...', dachte ich.

Als ich fertig war, mir die Hände gewaschen und die Tür geöffnet hatte, fand die Fliege den Ausweg noch immer nicht.
"Hier lang, Süße.", forderte ich sie auf und machte es ihr vor. Endlich begriff sie und schwirrte überglücklich in die Küchen und durch das geöffnete Fenster in die Freiheit.
'Meine gute Tat für heute.', schmunzelte ich.

Soeben flog eine Fliege in mein Zimmer, drehte eine Runde, knallte zwei Mal gegen die Fensterscheibe udn fand dann den Ausgang.
'Na bitte.', dachte ich, 'Geht doch.'

Zwischen Hunden und Schlingpflanzen

Die im Süden Magdeburgs befindlichen Salbker Seen haben auch schon bessere Zeiten gesehen. Der Meinung war nicht nur die etwa 40jährige, durchaus angenehm proportionierte Dame in ihrem knappen Bikini, die offensichtlich nach diversen vergangenen Jahren erstmals wieder hier verweilte, sondern auch ich, obgleich ich erst vor geschätzten vier Jahren erstmals von der Existenz der beiden Seen erfuhr.

Nachdem ich im vorigen Jahr aufgrund Zeit- und Begleitpersonenmangel einzig und allein im griechischen Ausland meinen Adoniskörper in feuchtes, öffentliches Naß tauchte, vermochte ich mich in diesem Sommer nicht zurückzuhalten, wurde nahezu magisch angezogen von der angenehmen Vorstellung, mir in den Abendstunden, nach erfolgreich beendetem Tagwerk [falls existent], ein wenig Erfrischung zu gönnen.

Gestern Abend war ich zum fünften Mal Besucher der beiden Seen, die tatsächlich im offiziellen Stadtplan mit römischen Zahlen durchnumeriert sind [wobei für mich unlogisch erscheint, daß der der Innenstadt zugewandte See die II trägt].

Besuch Nummer 1 erfolgte an See Nummer II, dort, wo ich schon in früheren Jahren zuweilen zu baden gepflegt hatte, relativ abgeschieden und Bäumen, deren Schattenwurf sonnenwanderungsbedingt durchaus unkonstant war. T, ein Freund und Kommilitone begleitete mich, nachdem ich ihn zum Baden überredet hatte. Das Wasser war nicht sauber - dergleichen zu erwarten wäre unpassend gewesen -, aber durchaus angenehm. Und nachdem die Jugendlichen nebenan ihren Platz aufgegeben und zu Sandmännchen und Mami heimgekehrt waren, konnten wir sogar das an einem Baum befestigte Tarzan-Seil ausprobieren.
Die wohl bedeutsamste Erfahrung des Tages war, daß gelbe, griechische Luftmatratzen eher Luft ein- als auslassen.

Besuch Nummer 2 verschlug uns, meine Mitbewohnerin A und mich, an See Nummer I, dort, wo ehemals ein Bezahl-Freibad existierte, das nun von einer relativ offiziellen Badestelle abgelöst wurde.
Auffällig hier waren fünf Dinge:
1. Wenn man ein großes Auto hat und plant, in den nächsten Tagen wieder baden zu gehen, braucht man die eigene Luftmatratze nicht ihres gasförmigen Inhalts zu berauben. Wenn man kein Auto sein eigen nennt, schon.
2. Luftmatratzen heißen in Jugendsprache selbstverständlich "Lumatras" [was mich gerade an eine der vier großen Sunda-Inseln erinnert und die Frage aufwirft, warum ich mir merke, daß Sumatra neben Java, Borneo und ... zu erwähnter Inselgruppe gehört.].
3. Das Wasser im Salbker See I ist derart trüb, daß man, wenn man den eigenen Arm unter Wasser ausstreckt, die Hand keinesfalls mehr zu erkennen vermag.
4. Scheinbar öffentliche Badeplätze sind Anlaufstellen für Prollvolk. Beispielhaft dafür waren die beiden Pärchen, von denen sich die "Männer" jeweils mit einem Bier auf mitgebrachten Campingstühlen plazierten, die "Frauen" dagegen mit einer Decke auf dem Boden vorlieb nehmen mußten.
4. Asiaten, die langsam am See entlanglaufen und sich in Gedanken versunken immer wieder kreisförmig den Bauch streicheln, wirken mysteriös und fördern die Eigenkreativität beim Erfinden von Gründen für dieses absonderliche Verhalten

Besuch Nummer 3 war ein besonders angenehmer, hatten doch Freundin J und ich uns spontan dazu entschieden, nachts um eins zum nächsten See, Salbker See II, zu radeln und dort immer eine Nachtbade-Aktion zu initiieren. Tatsächlich war es aber eher ein Nachtschwimmen und Nachterzählen, war es doch J aufgrund des nicht sonderlich warmen Wassers nicht genug, einfach nur herumzuplanschen, sondern schwammen wir doch mehrmals mehrere Meter in Richtung Seemitte und zurück.
Fröstelnd, in trockene Sachen schlüpfend, uns mit Decken und Handtüchern bedeckend, vor der Kälte schützend, erzählten wir stundenlang, tauschten angenehme und unangenehme Erinnerungen, als hätte die Dunkelheit den Schleier der Fremdheit für Augenblicke gelüftet.
Ich erkannte an diesem Abend/Morgen unter anderem Folgendes:
1. Mir fällt es schwer, ohne Brille Sterne oder gar Sternbilder auszumachen, die in diesem Zustand auf mich wie verschwommene Lichtflecken wirken.
2. Lange, bevor die Sonne aufgeht, ist es hell am Horizont.
3. Zecken mögen mich noch immer.

Besuch Nummer 4 war geprägt von geplanter Spontaneität, hatten doch meine Mitbewohnerin A und ich "geschäftlich" in Seenähe zu tun und uns bereits mental und kleidungstechnisch darauf vorbereitet, kurz in den Salbker See II zu springen, um der bulligen Hitze entgegenzuwirken. Natürlich führten wir das Vorhaben aus, diesmal ohne Lumatras.
Jedoch hatten wir mehrere unschöne Dinge einzusehen:
1. Der Salbker See II ist tatsächlich inoffizieller Nacktbadestrand, weswegen es uns nicht leicht fiel, ein Plätzchen zu finden, an dem wir vor primären und sekundären Geschlechtsorganen blickdicht abgegrenzt waren.
2. Jeder andere See in Magdeburg wird sauberer sein als diese stinkende Plörre, die an jenem Tag unsere Leiber aufnahm. Tatsächlich war es äußerst unangenehm zu baden, fanden wir doch nicht nur immer wieder müllartige Schwimmkörper auf Gesichtshöhe, sondern waren auch dem ekelhaften Geruch des Sees ausgeliefert, der mir vorher nie in dieser Intensität aufgefallen war. Fluchtartig verließen wir das Wasser, doch der Geruch folgte uns bis nach draußen.
3. Wenn man als überzeugter Nichtraucher davon amüsiert ist, daß kindliche Jugendliche Zigaretten zu erbetteln versuchen, erfährt man Beleidigungen, die aber erst im Weggehen ausgesprochen werden, um die direkte Konfrontation zu umgehen.
4. Autos, die in der Sonne parken, heizen sich auf.

Nach den unappetitlichen Erfahrungen an Salbker See II [Ich vermeide bewußt, die Abkürzung "SS" zu nutzen.], entschied ich, als ich gestern C gegenüber nachgab, mit ihr baden zu gehen, lieber Salbker See I in Benutzung zu ziehen.
Und tatsächlich kannte sie ein lauschiges Plätzchen, das zwar keine Ungestörtheit lieferte, aber zumindest noch mit den Resten der Abendsonne beglückt wurde. Wir ließen uns nieder und gingen langsam ins Wasser. Dieses war erstaunlich warm, aber nicht sauberer als zuvor. Zumindest stank es nicht, wenngleich die Wasserpflanzen am Einstieg etwas unangenehm waren.
Wir schwammen, bis C nicht mehr konnte [Dabei wäre es ein leichtes gewesne, den See zu durchqueren und wieder zurückzuschwimmen.] und gingen dann aus dem Wasser.
Mit uns badeten ein Ruderboot, drei ältere Herrschaften [Mann, Frau, Vater von Mann] und hin und wieder in paar Hunde.
Ein besonders schönes, kampfhundartiges Exemplar erwartete uns, als wir das Wasser verließen. Ein Angler war in Begriff, sich hier niederzulassen und hatte sein Haustier mitgebracht. Allerdings war dieser [der Hund] wenig gefährlich, schien er doch alt und träge, vor allem aber schlafbedürftig und an Menschen uninteressiert.
Mit Interesse beobachtete ich den Angler, wie er sein Utensiliar auspackte und zusammenbaute. Ein bequemer Campingstuhl entstand, ein Halter für zwei High-Tech-Angeln, die mit einem piependen Gerät ausgestattet waren, das über jegliche Regung am Köder informierte. Ich war erstaunt, mit welchem Aufwand Angeln verbunden war.

C und ich unterhielten uns. Über heute. Über die Zukunft, die eigenen Pläne. Hin und wieder quakte ein Frosch. Ich liebe dieses Geräusch.
"Hier ist letztes Jahr ein Chinese ertrunken.", meinte C.
"Warum denn das?"
"Na, die lernen wohl dort nicht, wie man schwimmt."
Die Vorstellung von 1,3 Milliarden um Hilfe schreienden Nichtschwimmern fand ich befremdlich.

Dann kam die 40jährige. Ein Radfahrer starrte ihr hinterher. Sie beschaute sich diverse Badestellen, wog offensichtlich ab, gesellte sich dann zu uns.
"Sind hier viele Schlingpflanzen?", fragte sie unsicher.
SCHLINGpflanzen? Wohl kaum.
Ich antwortete beruhigend, teilte ihr mit, daß es eine Art Schneise gebe, in denen es kaum Pflanzen gäbe und daß es im tieferen Wasser weitgehend pflanzen- und müllfrei sei.
"Daß das hier alles so verkommen ist.", sagt sie kopfschüttelnd, entkleidet sich, ignoriert den schlafenden Hund und geht vorsichtig ins Wasser.

C und ich gehen auch. Allerdings zum Auto. Vorbei an einem Schild, das uns vorher gar nicht aufgefallen war:
"Baden verboten."

Donnerstag, 14. Juli 2005

"Make-up" - Eine Kurzgeschichte

Ein trostloses Halbdunkel präsentierte sich meinen müden Blicken. Der Wind wehte mir kalten Nieselregen ins Gesicht. Ich lief weiter, langsam, in Gedanken versunken.
"Lust?", fragte eine weiche Stimme von rechts. Ihr kurzes, blondgefärbtes Haar leuchtete verlockend im trüben Laternenschein. Meine Blicke glitten zurückhaltend über ihren zierlichen, jungen Körper, den durchscheinende Gewänder unzureichend verhüllten , versanken in ihren blitzend-grünen Augen.
'Natürlich habe ich Lust.', dachte ich, doch schüttelte träge mit dem Kopf.
Ich ging weiter, keine zehn Schritte, als sie sich mir in den Weg stellte.
"Hartz IV?", fragte sie. Ich nickte unsicher.
"Für dich: 60 Euro."
Ich sah auf.
Ihre massigen Brüste quollen beinahe aus dem pinkfarbenen BH. Ich bemerkte die Falten in ihrem Gesicht, nur mangelhaft mit Make-up kaschiert, nickte erneut.
Sie ging voran, mit einstudiert-wogenden Gang, der ihr breites, einladendes Becken betonte. Meine Blicke klebten zwischen ihren Schenkeln, dort, wo der knappe Rock endete.
Nach wenigen Metern öffnete sie eine hellgraue Tür.
Ein riesiges, rundes Bett dominierte das Zimmer. Nachtschrank, Stuhl, Spiegel. Alles in Pink.
Sie setzte sich ans Fußende, schlug die Beine übereinander, zündete sich teilnahmslos eine Zigarette an.
"Zieh dich aus."
Als ich meinen Gürtel öffnete, bemerkte ich den harten Gegenstand in meiner Hosentasche.
'Das Foto.', erinnerte ich mich, holte die Kamera hervor. Verstohlen betrachtete ich sie durch das Objektiv.
"Jedes Foto - 50 Euro.", teilte sie mir desinteressiert mit.
Zigarettenqualm stieg von ihrer Hand zur Decke. Sie lächelte nicht.
Ich drückte ab. Einmal. Das mußte reichen.
Ich fischte den zerknitterten Geldschein aus der Hose.
"50 Euro. Mehr habe ich nicht."
Sie steckte ihn ein, ohne aufzusehen. Ihre Finger zitterten.
'Ich muß hier raus.'
Zwei Schritte zur Tür. Ein Blick zurück.
Auf der Bettkante saß ein Wrack.
Im Licht der grellen Straßenlampen betrachtete ich das Foto.
'Sie ist alt geworden.', stellte ich ohne Bedauern fest.
Ihren Englischunterricht hatte ich nie gemocht.

Allerdings nicht in Seattle...

Es wird bereits hell. Nachts um drei erwache ich, durstig, mit Wörtern überflutet. Eine Geschichte läßt mich nicht los, will geschrieben werden.

Ich stehe auf, schalte den Rechner an, gehe zum Kühlschrank. Das blaue Licht des Bildschirm erhellt den gesamten Flur. Das kalte Mineralwasser erfrischt, belebt meine Sinne. Ich bin bereit.

Eine Stunde lang schreibe, tippe, ich. Dreihundert Wörter, die nur aneinandergereiht zu werden brauchen. Die Bilder sind fest in meinem Kopf verankert. Nur das Ende wackelt noch. Doch ich weiß, was ich will.

Kaum liege ich wieder im Bett, fällt mir der richtige Ttel für die Geschichte ein.

Erneut stehe ich auf, erganze die fehlende Überschrift, trinke noch einen Schluck Wasser und hoffe, daß ich nun endlich Schlaf finden werde.

[4:21 Uhr]

Mittwoch, 13. Juli 2005

Drei Buchwühlgedanken

Als ich mich gestern zusammen mit unzähligen weiteren Textbegeisterten durch die Unmengen preisreduzierter Mangelware-Taschenbücher eines Standard-Buchladens kämpfte, stellte ich exakt drei Dinge fest, die nun Erwähnung finden sollen:

1. Die üblicherweise zu den sommerlichen Jahreszeiten gehörige Temperaturerhöhung weckt bei einer erstaunlich zahlreichen Gruppe an Menschen ein enormes Schwitzpotential, das selbst mich, der olfaktorisch nur selten zu beeindrucken ist, unangenehm berührt. In der Buch-suchenden Masse - und ich gehe davon aus, daß Buchläden vorwiegend von Personen beehrt werden, die es einst lernten, sich korrekt zu reinigen - sammelten sich die verschiedensten Körperausdünstungen zu diversen nasenunfreundlichen Duftballungen, die mich nach ihrem Zurückweichen jedesmal aufatmen ließen.
Schlimmer als der reine Schweißgeruch, der - ich gebe es zu - oft nicht verhinderbar ist, wirkte auf mich der Versuch, ebenjenen Schweiß mit nicht minder penetranten Gutfinddüften zu übertünchen. Das entstehende Konglomerat war als unerträglich einzustufen und erinnerte mich an Zivildienstzeiten, in denen auf den Toiletten immer Blumenduftsprays herumstanden, so daß der Abort nach deren ausführlicher Benutzung stets den Geruch von mit Fäkalien bedeckter Blumenwiesen beherbergte.
Es verwundert, daß Bücher zuweilen so starkes Interesse auslösen, daß dadurch selbst derartige Unanehmlichkeiten ertragen oder gar ignoriert werden können.

2. Innerhalb der ausgestellten Preisnachlaßbücherkisten tummelten sich unzählige literarische Werke, jedes einzelne für 2,50 Euro, für einen Preis, den ich durchaus für annehmbar halte, wenn auch das Buch annehmbar ist. Ein solches zu finden, erwies sich allerdings als erstaunlich aufwendig.
Tatsächlich durchwühlte ich sämtliche Kisten, hatte letztendlich jedes einzelne Buch mit meinem Blick bedacht und wurde mir bewußt, wie viele ungute, vielleicht sogar minderwertige, Bücher es bereits gibt, wieviel Ramsch allein in diesem Buchladen verkauft wurde. Mir wurde bewußt, daß schon unzählige Autoren versucht hatten, ihr Bestes zu geben und nur von Dingen berichtet hatten, die ich als uninteressant und unspektakulär erachtete. Ich freute mich über die verschiedenen Geschmäcker der Lesenden, doch konnte nich umhin zu bemerken, daß innerhalb der Wühlkisten, ja innerhalb von Buchläden allgemein, erstaunlich viel Müll zu finden ist.
Wie kann ich als Schreibender, als potentieller Buchautor, als Schriftsteller, also davon ausgehen, daß meine Werke besser sein werden, daß sie nicht zum unverkaufbare Wühlkistenausschuß mutieren, wie kann ich sicher sein, daß meine Werke überhaupt wert sind, in Buchläden verkauft zu werden? Wie kann ich sicher sein, daß die anderen Schriftsteller nicht auch der Meinung waren, ihr Buch sei optimal, gelungen, genial, daß sie nicht auch - ebenso wie ich - von ihrem Schreiben, ihrem Schaffen, vollends überzeugt waren, daß ich letztendlich nicht nur ein weiteres überflüssiges Buch kreieren werde?
Der Gedanke erschreckte mich.

3. Letzendlich wurde ich insgesamt drei Mal fündig. Drei Bücher behielt ich in der Hand, während ich eifrig mit dem Wühlen fortfuhr. Nach und nach legte ich ein Buch nach dem anderen weg, hatte es mir überlegt, war zur Besinnung gekommen, hatte festgestellt, daß 2,50 Euro zwar nicht sonderlich viel für ein gutes Buch darstellten, aber möglicherweise noch immer zu viel waren für die Werke, die ich ausgewählt hatte. Je länger ich also stöberte, zögerte, desto weniger Bücher wollte ich erwerben.
Und ich stellte folgendes fest: Wenn ich zu lange zögere, zu lange nachdenke, dann bereue ich womöglich den ein oder anderen spontan gefaßten Entschluß, besinne mich und halte mich zurück, warte ab und verschiebe alles auf eine unbestimmbaren Punkt in ferner Zukunft.
Entscheide ich mich spontan, denke nicht lange nach, greife zu, fasse die Gelegnehit beim Schopfe, dann kann es sein, daß ich ebenso spontan Freude, Glück erfahre, daß ich Bekanntschaft mit völlig Neuem mache, daß ich all meine Vorurteile und Bedenken für einen Moment über Bord werfe und feststelle, daß das gut so ist.
Doch ebenfalls kann es geschehen, daß eine Spontan-Aktion nur Unglück und Schmerz, nur Enttäuschung und Zweifel, mit sich bringt, daß sie mich verzweifeln läßt ob meiner Tat, so daß ich mir wünsche, ich hätte niemals derart agiert.
Aber wenn dem so ist, ist festzustellen, daß das Spontane, kurzfristig Bereitwillige, entweder Pech oder Glück in sich bergen kann, daß aber das Normale, Überlegte, Besonnene, nichts Neues bereithält und - ich übertreibe mal wieder maßlos - die alte gähnende Langeweile begrüßt, die eiegntlich nicht Teil meines Dasein sein sollte.

Mit drei interessanten Gedanken aber keinerlei neuen Büchern bestückt verließ ich den Buchladen.

Montag, 11. Juli 2005

Das Jacket

Ich hatte es eilig. Na gut, eigentlich bestand kein Grund zur Eile, jederlei Hektik war überflüssig, lief mir doch kein Termin, keine Zeit, davon. Trotzdem hastete ich die Straße entlang. Seit mehreren Stunden war ich unterwegs und gehte einzig und allein den Wunsch, endlich anzukommen, endlich sitzen und ruhen zu können.

Ich rannte fast, meine Füße stolperten übereinander, ich hielt inne, hastete weiter, Irgendwo mußte das Auto doch stehen; irgendwo mußte mein Bruder es doch geparkt haben. Ich sah mich un, suchte, lief weiter, überstürzt, ungeduldigt, entnervt. Menschen kamen mir entgegen, musterten mich teilnahmslos, verschwanden aus meinem Sichtfeld.

Gerade, als ich aufgeben, umdrehen wollte, gerade, als ich in Begriff war, das Telefon zu zücken und meinen Bruder mit meinem Ärger zu überschütten, sah ich es, erkannte ich das Auto in der Ferne. Endlich! Ich jubelte innerlich, meine Hand fand die Autoschlüssel, hielt sie krampfhaft fest.

Doch halt! Irgend etwas stimmte nicht, etwas war falsch. Nur was? Mein Jacket! Wo war mein Jacket?

In Anbetracht der Temperaturen hatte ich es unter den rechten Träger meines Rucksacks geklemmt. Doch dort war es nicht mehr. Panisch drehte ich mich um, blickte zurück, entdeckte es sofort: ein schwarzes Kleiderknäuel auf grauem Asphalt, vielleicht zweihundert, dreihundert Meter von mir entfernt.

Nun rannte ich tatsächlich, spurtete zum Jacket, hib es auf, klopte den Straßenstaub ab. Ich hatte es wieder, sah auf.

Um mich herum gingen Menschen, nicht übermäßig viele, doch genug, um der Straße ein belebtes Äußeres zu verpassen. Doch niemand hatte etwas gesagt, niemand hatte auch nur ein Wort in meine Richtung verloren. Einige von ihnen mußten doch gesehen haben, wie ich mein Jacket verlor, doch nichtsahnend weiterlief. Jemand mußte es gesehen haben, desen war ich mir sicher.

Doch niemand hatte mich darauf hingewiesen. Ich hätte gerufen, hätte nachgefragt, wäre wahrscheinlich hinter dem Verlierenden hinterhergerannt, um ihm sein Eigentum zurückzubringen.

Ich blickte auf, sah mich um, sah in abwesende Gesichter. 'Sind denn alle blind?', fragte ich mich und ging langsam zum Auto.

Freitag, 8. Juli 2005

Gute Nacht?

Eine der Eigenschaften, derer ich mich stets ein wenig rühmte [obgleich ich sonst nicht zu Selbstbeweihräucherung zu neigen glaube] ist, daß es mir gelingt, jederzeit, bei jeder Beleuchtung, einzuschlafen - vorausgesetzt, die Umgebung unterbietet eine bestimmte Maximallautstärke [oder überbeitet einen Mindestlärmlevel].

Nacht um vier aufzuwachen und mit Entsetzen zu begreifen, daß es ein Einschlafen vorerst nicht möglich zu sein scheint, verwirrt, erschreckt, mich. Mit krampfhaft geschlossenen Augen werfe ich mich auf meinem Laken umher, vergeblich versuchend, eine geeignete Schlafposition zu finden. Doch das Bett, so man gewillt ist, dieses als eines zu bezeichnen, strotzt vor Unbequemlichkeit. Jedes meiner Kissen stellt einen unangenehmen Überfluß dar, die Bettdecke ein schlafzermürbendes Hindernis. Ich entledige mich der Störenfriede, doch vermag auch so - fröstelnd, ohne weiche Kopfunterlage - nicht in das Reich der Träume zurückzukehren.

Unmutig erhebe ich mich. Lesen? Jetzt nicht. Vielleicht sollte ich aufstehen, sollte ich mich mit Fleiß und Willen ans längst überfällige Werk begeben, vorantreiben, was längst zurückliegt. Träge schüttle ich mit dem Kopf. Kaum bin ich fähig, die Augen offenzuhalten. Meine Konzentrationsfähigkeit liegt unter Null, und der Gedanke, im Laufe des eigentlichen Tages vor Müdigkeit zu keinerlei Tätigkeit fähig zu sein, mißfällt mir.

Ich schalte den Rechner an. Bin ich süchtig?, frage ich mich, durchstöbere da Netz nach neueren Informationen. Wenig befriedigt ziehe ich mich wieder zurück. Was mache ich hier?

Ich bin müde, will eigentlich nur schlafen. Nicht mehr. Nicht weniger. Will nachher erwachen und das Gefühl haben, erholt, entspannt, zu sein, den Tag mit ausreichendem Elan beginnen zu können. Vielleicht lese ich noch ein paar Zeilen.

Doch meine Augen sprechen eine andere Sprache, wollen sich nur schließen, nichts sehen, erkennen. Ich gebe nach, schalte den Rechner aus und schleppe mich ins Bett.

Ein weiterer Versuch kann nicht schaden, denke ich und hoffe verzweifelt, daß der Schlaf mich nun in seine Arme schließen wird.

Gute Nacht.

Donnerstag, 7. Juli 2005

Kopfurlaub

Ich bin im Urlaub. Zumindest ein Teil von mir, jener, der wahrlich eines Urlaubes bedarf, jener, für den ein urlaub die größte Bedeutung hat: mein Geist.

Wenn ich die Augen schließe, bin ich dort, spüre die Gelassenheit in mir, die Zeitlosigkeit, spüre, wie die Sonne mich auf meinem Leib ausstreckt, wie ich mich in ihre Wärme kuschle. Ich spüre den seichten Wind über salzigen Wellen, den Sand zwischen meinen Zehen. Und ich spüre Ruhe, spüre, daß dies alles ist, was ich benötige: Ruhe, innere Ruhe.

Und ich erinnere mich, entsinne mich jedes Details, nahezu jeden Augenblicks.

Es ist leicht, sich zu erinnern, vollendete ich doch soeben die Abschrift des Urlaubsberichtes: 26.000 Wörter verzaubernder, Vergangenheit, eine detailgetreue Schilderung des Gewesenen.

Der Urlaub war nichts Besonderes, nichts Welbewegendes, gewesen, nichts, was nicht überboten werden könnte. Und doch ist er in diesen Minuten das einzige, was zählt, allgegenwärtig in mir, schillernd und greifbar nah.

Draußen regnet es. Doch ich lächle, erinnere mich vergessener Kleinigkeiten, labe mich an den Bildern in meinem Kopf.

Ich bin im Urlaub. Denn tatsächlich fühlt es sich so an, fühlen sich die vielen Worte, die erquickenden Bilder an, als hätte ich mich entspannt, als hätte ich Zeit gehabt, mich gehen zu lassen, für ein paar Tage alles scheinbar Bedeutsame zu vergessen, zurückzulassen.

Als ich die Augen öffne, scheint noch immer die Sonne. In mir.

Dienstag, 5. Juli 2005

Ich kann es.

Nach anfänglicher Begeisterung spüre ich das Weichen der Euphorie. Die ersten Grenzen nehmen feste Formen an und äußern sich mit alten, stets unbeantworten Fragen, mit Hindernissen, die zu überwinden ich trotz zurückgelassener Vergangenheit nicht fähig scheine.

'Versuch es!', sporne ich mich an, während ich ausweiche, Neues suche, den Geist beschäftige, um das Denken, das Wissen zu verhindern. Das eigene Dasein platzt vor Möglichkeiten, vor Richtungen, überschwemmt die Gegenwart zugunsten eines besseren Irgendwanns verdrängt, was ist zugunsten dessen, was heute angenehm zu klingen vermag.

Nachsehen hat die Pflicht, das Altbekannte. Nachsehen hat, was nicht weichen will und schon unzählige Male verdreht, verschoben, umgeplant wurde. Nachsehen hat die Barriere, die nur wächst und gedeiht, mir weiterhin die Sicht vergällt, anstatt zu schwinden.

Ein halbleerer Nachmittag massiert meinen Nacken: Beethoven, Joscha Sauer, John Irving, Gitarrenspiel und Kuchen. Ein halbleerer Nacken sticht unangenehm ins Gewissen, macht sich bemerkbar als die Enttäuschung über einen verblassenden Wunsch, über ein schwindenes Ichprojekt.

'Nein, so einfach werde ich es mir nicht machen!', denke ich, weiß ich, gebe nicht auf, werde noch heute, jetzt gleich, auf der Stelle weitermachen, wo ich aufhörte, wo ich verzweifelte, werde mich versuchen, werde mir selbst, meiner Trägheit, meiner Lähmun,g ein Schnippchen schlagen.

"Ich kann es.", motiviere ich mich - und ignoriere die Gefahr, mich vor mir selbst lächerlich zu machen.

Ich kann es - wasauchimmer es ist.

Zeit für Taten

Es ist nicht leicht.

Einmal den Beschluß gefaßt, mich nicht länger treiben zu lassen, stelle ich fest, daß Barrieren und Hindernisse die Normalität darstellen, daß ich Gründe hatte, meinen bisherigen Weg zu gehen, der stets eine andere Richtung suchte, wenn sich Unebenheiten ankündigten. Jedoch lauert in meinem Geist die Gewißheit, daß die ewige Suche nur zu einem ziellosen Dümpeln in der Gegenwart führte, daß die ewige Unsicherheit mich nicht meines inneren Morasts berauben konnte.

Ich sollte Schritte wagen, fühle, daß ich sollte, fühle, daß es richtig ist. Doch wieder sehe ich mich winden, in Tausend Richtungen gleichzeitig blicken, den Pfad ersuchend, der keine Hindernisse, keine Tücken birgt, jeden, den auch ich zu begehen wagen kann.

Was ich vergesse, ist, daß jede Richtung von mir begangen werden muß, daß ich mich zu spalten habe, daß es nicht ausreicht, mein Gewissen, mein Wissen, mein Streben mit einer Tätigkeit, einem Gedanken, einer Aktion zu füllen. Was ich vergesse, ist, daß die Komplexität meines eigenen Daseins eine Geradlinigkeit der Existenz unmöglich macht - und daß ich mich darüber freuen sollte.

Betrachte ich mein Handeln, so könnte ich lachen, hämisch oder mitleidsvoll, wäre es nicht ich selbst, der agiert, als wäre er zur Starre verdammt, als schnitte einst ein unwilliger Gott ihm beide Hände ab und erfreute sich seines lächerlichen Versuchs, mit zwei nutzlosen Stummeln nach den Sternen zu greifen.

Was will ich? Das ist die Frage, die zu beantworten ich versuchen sollte. Doch ich traue, wage mich nicht, fürchte ich mich doch davor, Details in die Antwort einfließen zu lassen, konkrete Pläne, Ziele und Gedanken, die mir aufzeigen, daß nicht alles plätschernd durch das Jetzt fließt, sondern daß feste, starre, vielleicht unästhetische Dinge darauf warten, von mir angegangen zu werden.

Ich fürchte mich vor dem Kommenden. Doch diese Angst ist nicht neu; länsgt habe ich sie begriffen, ausgemacht, ja eingefangen und umrahmt. Warum bekämpfe ich sie nicht? Warum meide ich noch immer ihr Antlitz, das mich zittern läßt? Warum stelle ich mich nicht mir selbst und gehe, denke, handle?

Eine Antwort ist das Schreiben.

Wenn ich über mich nachdenke, über mich schreibe, erscheint alles klar und einfach. Ich sehe mich aufstehen und dem längst Überfälligen stellen, sehe mich schaffen, finden, als hätte ich das Ziel längst bestimmt. Die Wörter fließen mir aus den Fingern, schenken Mut und ein wenig Vertrauen in mein eigenes Sein.

Doch der Schein trügt, vermag schon der Anblick der Wirklichkeit mich in eine Lähmung, in die altbekannte Stagnation stürzen. Gedankenenden hängen lose in der Luft, und ich wage nicht, sie zu ergreifen. Zwischen Wort und Tat liegen Welten, Abgründe, die mich verharren lassen.

'So geht das nicht weiter!', stelle ich fest, als heute morgen das heiße Wasser auf meinen Körper plätschert.
'Zeit für Taten!', grinse ich in den beschlagenen Spiegel, einen abgedroschenen Wahlkampfslogan imitierend. Tapfer schreite ich in mein Zimmer, dem Kommenden entgegen.

"Dort draußen wartet die Welt.", flüstere ich mir zu. Die Worte klingen gut in meinen Ohren.

Flatterfred...

Status...

Du bist nicht angemeldet.

Aktuell...

Altslawische fantastische...
Ich möchte dir mein fantasy Welt vorstellen. Vielleicht...
Cerny Vlk - 6. Jan, 21:45
Radtour Salbker See II
Danke für die tollen Tipps, wir waren im August auch...
Physiotherapie Leipzig (Gast) - 21. Nov, 17:06
Higtech
Naja, man glaubt es kaum, aber was der Angler an Energie...
Martin Angel (Gast) - 12. Sep, 11:27
gar nisch süß
dat is gar nisch süß soll isch de ma was rischtisch...
free erdem (Gast) - 6. Jun, 16:40
Hier wird es fortan weitergehen: http://morast .eu Und...
Hier wird es fortan weitergehen: http://morast .eu Und...
morast - 1. Feb, 21:10

Archiv...

Mai 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
 
 
 
 

Suche...

 

Rückblick...

Online seit 7318 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:03

Und so...


23
Bahnbegegnungen
Begegnungen
Farbenfroh
Fetzen
Frederick
G
Geistgedanken
Krimskrams
Menschen
MiSt
Morgenwurm
Morning Pages
Seelensplitter
Tageswort
Weise Worte
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren