Wortwelten

Dienstag, 8. Februar 2005

arztbesuch

ich hätte mir ein buch mitnehmen sollen, eines mit vielen komplizierten zeilen, eines, das meinen geist gefangennehmen würde und von der umgebung ablenkte, eines, das meine eigenen gedanken mit farbenprächtigen buntwelten übermalte. ich hatte keines. ich hatte auch keinen stift, kein leeres blatt papier, das mir die worte aus dem schädel saugte, lustige stichmännchen und kulleraugenwesen entstehen ließt, das geistreiche bemerkungen forderte und danach lechzte, mit meinem kopfkino befüllt zu werden, das mich mit aufreizendem weiß begrüßte und sich mit vollend unterwarf.

ich hatte nur mich, meine augen, meinen kopf. zusammengesackt in meinem mantel, den auszuziehen ich verweigerte, saß ich auf dem stuhl im wartezimmer. würde ich den mantel ablegen, gäbe ich mir selbst wohl zu, daß es noch dauern konnte. das wollte ich nicht. selbstbetrug war schon immer eine meiner herausragenderen fähigkeiten.

ich entdeckte keine zeitschriften, nur unzählige broschüren, die allesamt für rentner oder herzleidende gedruckt zu sein schienen. überall jedoch prangerten mir möglichkeiten zur suchtthearpie, suchtprävention und angehörigenhilfe entgegen, als wollten sie mich verhöhnen. zu spät, dachte ich traurig, viel zu spät.

die plätze neben mir waren frei, blieben frei. es gab nicht viele unbelegte sitzplätze, doch die zu meiner linken und rechten blieben unbenutzt. lag es an mir? sollte mir das zu denken geben? sah ich gar krank aus?

ich wollte nicht krank aussehen, war es nicht. ich war hergekommen, um eine lüge vorzuspielen, die vorzuspielen ich nicht willig war. ich war nie ein guter schauspieler gewesen. und erst recht kein lügner.

in wartezimmern erfreute ich mich gerne der tatsache, ein geduldiger mensch sein zu können. ich konnte warten, konnte mich mit meinen gedanken beschäftigen, mich unterhalten, ohne nur mit einer wimper zu zucken, ohne sinnlos mit den beinen zu wackeln oder mit den händen ständig im gesicht oder den haaren herumzufriemeln. ich beobachtete, was um mich herum passierte, mit wachen augen, mit regen gedanken, mit dem leisen lächeln, das allem galt, was ich für besonderns interessant oder amüsant hielt.

irgendwo in der ferne des hintergrunds dudelte eine entspannungsmelodie, eintönig, ermüdend. immer die gleiche sequenz mit geringfügigen änderungen, unterlegt durch alberne geräscuhe unzähliger wald-, wiesen- und teichtiere. ich lächelte, wenn einer der tierlaute besonders blechern klang oder kurz nacheinander ein specht und ein frosch zu hören waren, deren begegnung ich mit als komisch vorstellte. nach einer weile pausierte die musik, um später wieder einzusetzen - das gleiche lied. pause. lied. pause. lied. immerzu.

neben mich setzten sich zwei vertreter. ein mann, geschniegelt, doch auf ersten blick unsympathisch, und eine frau, die nett aussah und ein paar jahre jünger als ihre begleitung war. die beiden hatten einen termin. der mann versuchte, leise zu reden, doch saß direkt neben mir. sein füstern war eher ein zu worten geformtes dröhnen seiner stimme. fremdwörter flossen aus seinem mund, doch klangen sie eher aufgesetzt als intelligent. die frau hätte lieber ihren mund halten sollen. ihre stimme degradierte sie.

das gespräch drehte sich um dinge, die ich nicht verstand. doch ich verstand, daß der mann meckerte, über andere herzog, altkluge, sinnbefreite bemerkungen machte, sich zuweilen wiederholte und dazu neigte, so zu tun, als gebe er geheimes wissen weiter und wäre allem überlegen. die junge frau dagegen redete weniger, doch wenn sie etwas sagte, gab sie dem mann recht, wiederholte seine worte und schmückte sie ein wenig aus. ständig schaute sie auf die uhr oder zückte ihren terminkalender. immer wieder. das machte mich nervös, ich sah weg.

in wartezimmern ist es grundsätzlich falsch, eine uhr mit sich zu führen. was nützt es mir, wenn ich weiß, daß ich bereits eine stunde wartete? nichts. es führt nur zu unmut. ich dagegen wollte mutig sein. im kopf sprach ich noch einmal die sätze durch, die ich vor der ärztin aufführen wollte. die geflüsterte stimme meines nachbarn störte mich immer wieder, unterbrach mich. ich seufzte, wuselte kurz in meinem haaren herum, um mein ungesundes aussehen zu verstärken, überprüfte geistesabwesend die schnallen an meinen stiefeln.

ungeduldig warteten die beiden unsympathischen vertreter, flüsterten einander unfreundliche bemerkungen über die arztpraxis zu, sobald die schwester den raum verließ. ungeduldig war auch ein mit gehilfen bestückter mann, entschied sich plötzlich dazu, das warten satt zu haben und gehen zu wollen. seine frau widersprach ihm kraftlos "das kannst du doch nicht machen...", wandt sich hilfesuchend an die beschäftigte schwester. "natürlich kann ich das.", motzte der genervte aufbruchswillige, zog seine jacke an und ein mißmutiges gesicht. diesen satz wiederholte er, immer wieder ein paar flüche einfügend, mehrmals. die schwester eilte hinzu, verteilte besänftigende worte und vertröstete den warteunwilligen: er sei der nächste. grummelnd nahm dieser wieder platz.

neben mir schaute der vertreter auf seine uhr. eine dreiviertelstunde sei er schon hier. 11 uhr sei der termin gewesen. wozu überhaupt termine vergeben würden, fragte er seine begleiterin, könnte man doch darauf verzichten, wenn man nicht imstande sei, sie einzuhalten. solle doch jeder kommen, wann er lust habe. die junge frau pflichtete ihm bei: das sei tatsächlich effizienter. beide lachten kurz und tonlos. ein blick in den terminkalender: der nächste termin sei bei herrn sommer. der sei wichtiger als die ärztin hier.

die beiden redeten weiter, redeten von ihren geschäften, von tagungen und vorträgen. lauter worte, die eine aufgesetzte wichtigkeit beinhalteten, doch sie nicht glaubhaft vermittelten. firmennamen fielen, abkürzungen wurden benutzt, praxen erwähnt, gemeinsame vergangenheiten herausgekramt, versammlungen, tagungen, blablabla. bestärkt durch den unut des mannes, beschloß die frau, noch zehn minuten warten zu wollen. mehr nicht.

ich hielt meinen mund, sagte nicht, daß ich bereits mindestens eine halbe stunde länger warten würde, sagte nicht, daß menschen, die ärzte besuchten, in den meisten fällen auch gründe dafür hatten, sagte nicht, daß der vorhin eingelieferte notfall vermutlich größere dringlichkeit hatte als irgendein vertretergespräch, sagte nicht, daß mir die permanente ungeduld mißfiel.

nach zwei minuten stand die vertreterin auf und suchte die schwester, berichtete von ihrem vorhaben, wurde vertröstet: sie sei die nächste. verwundert setzte sie sich wieder, wiederholte die worte der schwester. der mann war sprachlos. ich auch, hieß das doch, daß ich nicht nur die patienten, die bereits vor mir eingetrudelt waren, abzuwarten hatte, sondern auch das beratergespräch.

ich seufzte leise, versuchte vergeblich in meinem kopf die zurechtgelegten worte zu finden. ich wollte nicht lügen, beschloß, die wahrheit zu sagen, genau das, was mir in jenen augenblicken auf die zunge springen würde.
das vertretergespräch war kurz. danach folgten noch ein paar patienten. die anderen wartenden im raum verharrten schweigend. nur einer von ihnen hielt eine zeitschrift in der hand, blätterte sie oihne interesse durch. eine ältere dame wischte sich immer wieder mit einem papiertaschentuch im gesicht herum, nase, augen, lippen, pause, wieder von vorn. das telefon klingelte immer wieder. im hintergrund erklang die eintönige meldoie. beschäftigt wirbelten die schwestern umher, doch sie wirkten ruhig. das gefiel mir.
während eines telefonates gab mir eine schwester mit einem kopfnicken zu verstehen, daß ich nun an der reihe sei.

ich hatte die ärztin anders in erinnerung. unsympathischer. ich faßte mir ein herz und schilderte meine sorgen. das schauspiel ließ ich weg. die lügen auch. die ärztin zögerte, unterhielt sich mit mir. freundschaftlich. interessiert. ich gab zu verstehen, daß mir diese situation auch nicht gefiele, doch bemerkte, daß sie sich schon durchgerungen hatte, das rettende attest auszufüllen. ich redete weiter, tat so, als hätte ich nichts bemerkt. doch sie schrieb schon, lächelte nett, wünschte mir alles gute, gab mir die hand.

ich hatte es überstanden. ohne lüge.

kaum hatte ich die praxistür hinter mir geschlossen, drängte es mich hinfort. ich konnte gar nicht schnell genug rennen, wollte weg. noch einmal hatte ich einen ausweg gefunden.

doch konnte ich nicht ewig fliehen.
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Montag, 7. Februar 2005

zäsur

zum zweiten mal an diesem tag überkommt mich der wunsch nach einer zäsur.

ich möchte die augen schließen und für einen augenblick lang mir selbst entfliehen, irgendwohin, wo ich nicht ich bin, wo ich nicht denke, wo ich nicht weiß, wo ich keinen grund zur furcht mit mir herumschleppen muß. ich möchte die augen schließen, um irgendwann wieder zu erwachen, das trübe vergessen, mit frischem elan den neuen momenten begegnend.

vermutlich sind diese gedanken nur eine illusion, der ich mich hingebe, ohne daß sie in der wirklichkeit bedeutung besitzt. vermutlich werde ich in altem trübsal erwachen, neuerlich müde, neuerlich erschöpft und mit meiner existenz belastet. vermutlich.

doch meine anwesenheit im jetzt gleicht einem ziellosen herumdümpeln, auf ein niemals eintreffendes unding wartend, das zu benennen ich noch nicht einmal imstande bin. mit jeder sekunde, die vergeht, steigt mein unmut, meine traurigkeit, zerrt mich mein dasein tiefer in die düsteren gefilde des eigenbedauerns. ich will das nicht, beobachte mich in meinem fall und störe mich daran. doch die weigerung, die ablehnung all dessen, was geschieht, verstärkt es nur. jeder sich in mir regende unmut gesellt sich zu dem bisherigen und mehrt diesen. ein kreis, aus dem es kein entkommen geben kann. kein entkommen, aber vielleicht eine pause, ein neuanfang, eine zäsur.

die erste stille war kurz, zu kurz, um meine erschöpfung zu beseitigen. geschlossener sinne weilte ich unter weichem tuch und ließ die wärme mich davontragen. ein klopfen entzog mich meiner dämmerung, zog mir sanft die augen auf. ich ließ herein, was mich erfreute: eine begegnung mit dem lächeln. wenige worte flossen durch den abgedunkelten raum, zwei hauchzarte berührungen wurden verschenkt. dann war es vorbei, ich blickte dem leuchten hinterher und erhob mich lächelnd.

doch mein weg im jetzt war kurz. bald schon fand mich mein inneres, vertrieb meine leuchtende krone, verscheuchte das unwirkliche. in meinem schädel wächst das trübsal. ich spüre die wolke, die meine sinne vernebelt, die mich verdunkelt, mich von innen mit tränen begießt. was verbleibt, ist der wunsch nach ruhe, vielleicht auch der wunsch nach menschen, nach worten. vielleicht sollte ich meine augen erneut schließen, mein haupt in weiche träume betten und darauf hoffen, daß später alles besser sein wird...
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Sonntag, 6. Februar 2005

Nächtliche Reflexion

Der Tag war angefüllt mit wundersamen Ereignissen. Zu spätester Stunde in einem leeren Zugabteil sitzend, in die Unsichtbarkeit der Außenwelt hinausstarrend, doch trotzdem nur nach innen hineinsehend, versuche ich, meinen Geist zu beruhigen und die widersinnigen Stimmen in meinem Schädel zum Schweigen zu bringen. Ich bin mir der Ignoranz bewußt, die ich mir selber aufzuerlegen gedenke, bemerke den Widerstand in mir gegen die äußere Ruhe und das einlullende, regelmäßige Rattern des Zuges. Doch mehr noch als alles andere wünsche ich mir in diesen Augenblicken, vor mir selbst zu fliehen und der Andeutung eines Lächelns, das sich in meinem Mundwinkel versteckt, nachzujagen.

Mich bedrängt das schlechte Gewissen des unausweichlich Kommenden, der erneut gewagte Versuch, einen richtigen Pfad vorerst nicht begehen zu wollen, das Morgige in die unbestimmte Ferne der Zukunft zu verschieben. Ich weiß, daß falsch ist, wie ich handeln werde - und doch scheint es mit der beste, ja vernünftigste, Weg zu sein, davon ausgehend, daß auch dieser zu einem Ziel, zu meinem Ziel führt (obgleich ich mir im Unklaren darüber bin, ob das Ziel wahrlich meines ist). Das schlechte Gewissen und die damit einhergehende Ungemütlichkeit, das unmerkbare Zittern meiner Hände, die vielen Gedanken voller Furcht, vermag selbst die Gewißheit, nicht zu vertreiben, den heutigen Tag mit einer guten Tat gefüllt zu haben.

Das Wissen dämpft das Gewissen, doch nicht genug. Trotzdem bin ich geneigt, mir - ohne selbstpreisend agieren zu wollen - ein lobendes Wort zu schenken, weil ich mir heute selbst bewußt machen konnte, woraus in meinen Augen wahre Freundschaft besteht: Im richtigen Moment alles Eigene stehen- und liegenlassen zu können und sich vollends dem anderen zu widmen. Ich bin gewiß ein wenig stolz, dergleichen getan zu haben und jederzeit wiederholen zu würden, doch mischt sich die Scham über den Stolz und darüber, womöglich eine Art Überposition gegenüber dem Hilfe-Ersuchenden einzunehmen, in meine Gedanken und trübt sie ein wenig.

Eine ältere Photographie brachte zudem Wirbel in mein Denken. Denn mit ihr verspürte ich die immense Wucht der völligen Rückkehr der Sehnsucht, die stets in mir gewohnt hatte, doch verdeckt war durch das Ersehnen des Vergangenen. Nun jedoch, da das Vergangene langsam aus meiner Seele herausgeblutet ist, nun jedoch, da nicht nur der Verstand, sondern auch das Herz die Unmöglichkeit des Unerreichbaren erfaßte, öffnen sich meine Augene wieder, und ich beginne zu sehen. zu suchen und zu träumen. Nie verlor ich den Traum, doch verlor ich ein Gefühl der Leichtigkeit, ein gefühl, das meine tiefsten Regungen von Trauer und Schmerz loszulösen wußte. Ich verlor die Fähigkeit zu fliegen, blickte nur stets vom Grunde hinauf zu den gegflügelten Wesen über mir, beweinte ihre Ferne und leckte meinen gebrochenen Schwingen. Doch nun vermag ich zu lächeln, ohne die Träne der Vergangenehit zu spüren. Was war, ist nicht vergssen, wird nie vergessen werden, war viel zu schön, erfriff mich zu sehr, um es noch loslassen zu wollen, zu können, doch die Möglichkeiten des Gegenwärtigen ergreifen von mir Besitz und öffnen mein Herz für eine traumhafte Leichtigkeit.

Vielleicht ist es einfach nur der nahende Frühling, der mich lockt. Wer weiß. Doch in mir wogt ein Lächeln, eine Liebe, die ich lang vermißte, eine Liebe, die den Dingen gilt, die allem gilt, die sich nicht in einem Punkte konzentriert, nicht in einem Wesen manifestiert, sondenr überall winzige Spuren zu bestaunender Existenz hinerläßt. Ich vermag aufzusehen und der grauen Zukunft ins Anlitz zu schauen, wissend, daß irgendwo mein Leuchten wartet.
Draußen zieht unbemerkt die Nacht an der Scheibe vorbei. Im Geiste küsse ich die Gesichter der Vergangenheit. Ich spüre, daß ich sie liebe, spüre, daß ich das Leben liebe, heiße mich willkommen in einer unwirklichen Zauberwelt, die nur einen Atemzug lang Bedeutung haben wird, solange, bis die Schatten der Realität sie vertreibt, zersplittert.

Ich fürchte mich vor dem Dunkel, das dort draußen lauert, fürchte die Möglichkeiten, fürchte die Zukunft. Doch halte ich fest an der Gewißheit, daß alles gut zu werden vermag, daß meine Pfade die richtigen sein, daß mir stets leuchtende Wesen beiseite stehen werden, daß ich in keinem Augenblick allein und trostlos bin.

Ich blicke hinaus. In der Ferne funkeln müde Lichter. Der Zug rattert träge vor sich hin, betäubt mich mit Stille. In der spiegelnden Scheibe entdecke ich ein Lächeln auf meinem Gesicht.

Ich heiße es willkommen.
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Samstag, 5. Februar 2005

Kleinigkeiten

Vielleicht sind es nur Kleinigkeiten, winzige Splitter einer gläsernen Sonne, die ich ersehne; vielleicht aber ist es ein Leben.

Ich wünsche mir, mit geschlossenen Augen geküßt zu werden - aus dem Nichts heraus, wünsche mir, eines deiner langen Haare auf meinem Bettlaken zu finden. Ich möchte deinen Duft in meiner Kleidung finden, möchte bei jeder Gelegenheit, bei jedem Musikstück, an jeder Straßenecke, an dich erinnert werden. Ich möchte einschlafen mit den Gedanken bei dir. Ich sehne mich danach, mit meinen Fingern den Linien deines Körpers zu folgen, mit geflüstertem Wort dein Lächeln zu wecken. Ich möchte im Nirgendwo plöztzlich aus dem Auto aussteigen, dich in den Arm nehmen und wissen, daß ich genau hier richtig bin. Ich möchte, daß du dich beschwerst, wenn meine Stoppeln beim Küssen stören, möchte ein lautloses 'Bis bald.' von deinen Lippen klauben, wenn du gehst. Ich möchte für einen Moment meine Gedanken in deine Hände legen, die Welt vergessen und nur dich behalten. Ich möchte mich der heimlichen Tränen erfreuen, die sich bei schmalzigen Filmen in mein Gesicht stehlen, möchte, daß du an mich rückst, Bestätigung suchst, daß mit uns alles gut sei. Ich sehne mich danach, dir deinen Mantel abzunehmen und deine Schönheit still zu bewundern. Ich möchte vo dem Spiegel deinen Nacken küssen, dich umschlingen und halten. Ich wünsche mir, du stündest hier, meiner Begegnung harrend, wünschte, den Klang deiner Schritte vor der Haustür erkennen zu können. Ich möchte Briefe an dich schreiben und mich unzählige Male am Telefon verabschieden, möchte das Kind in dir finden und die Frau in die begehren. Ich möchte dich betrachten, wenn du schläfst oder dich anziehst, möchte deine Hand nicht loslassen müssen. Ich wünsche mir das Feuer in deinen Augen blitzen zu sehen, wenn du für etwas Begeisterung empfindest, wünsche mir, mit dir fühlen zu können. Ich möchte dich durch das Herbstlaub jagen, auf saftigen Wiesen fangen, dich unter Wasser küssen. Ich möchte dich schüchtern fragen, ob du mich schön findest, möchte mir Mühe geben müssen, pünktlich zu sein. Ich möchte dein Lachen vernehmen, wenn dir der Wind das Haar ins Gesicht weht, möchte ohne Worte ahnen, was du denkst. Ich sehne mich danach, im Winter deine Hand in meine Tasche zu stecken und zu wärmen, sehne mich danach, die Namen deiner Plüschtiere zu kennen. Ich sehne mich danach, sprachlos vor Freude zu sein und für dich jede Spinne des Zimmers zu verweisen. Ich möchte mit dir einkaufen gehen, mit den Fingern über deinen Lieblingspullover streichen, dir ein T-Shirt leihen. Ich möchte zu viele unscharfe Fotos von dir besitzen und deinen Namen im Meeressand schreiben. Ich möchte...

Vielleicht möchte ich einfach nur lieben.
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Montag, 31. Januar 2005

flieh!

flieh! flieh erneut! flieh weiter!

schließ deine augen, schließ deine augen tief und tiefer. halt deinen atem an, preß die luft in deine lungen. halt dich zurück, halt alles zurück. verstopfe deine sinne, dein denken, dein leben. stopf dich zu und flieh.

zerr flackerbilder vor die augen, reiß dich hinfort, hinab. keine bedeutung zählt, kein wille, kein bemühen. alles wird nichts, wenn du es nur glaubst. schließ dich aus, schließ alles aus.

verknote deine zitterfinger. versteck sie in unergründlichen taschen. find im nichts die letzte murmel, spiel mit ihr, bis daß du fällst. stürme stetig gegen mauern, reiß sie ab und bau sie neu. flieh dich selbst und finde nicht.

flieh, o narr, zieh deiner wege! flieh noch immer, was du bist! flieh vor leere, flieh vor zwängen! wirf die ketten ab und flieh!
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Sonntag, 30. Januar 2005

erinnerungen

zurückblickend erhasche ich die vergangenheit, einen fetzen davon, halte ihn fest, um ihn zu betrachten, um ein lächeln zu suchen, das ich einst wagte, um eine träne zu finden, die ich einst vergoß.

menschen über menschen, bedeutungslose leergesichter in der masse des buntgrauen breis. ich versuche, ihre formen zu greifen, ihre silhouetten zu erahnen. schattengleich schweben sie vorbei, schwammig und existenzlos. ich sehe ihnen traurig hinterher, frage mich, welche rolle sie spielten, welche rolle sie noch spielen würden, ob ich imstande sein würde, ihre gesichter zu erkennen, wenn ich nur wollte. ich sehe ihnen hinterher und versuche, ihre namen zurückzubehalten, klangslose wortstücke aus meinem kopf zu klauben und mit inhalt zu befüllen. es gelingt nicht.
und so viel schönheit, so viel licht, so viele möglichkeiten, die ich nicht zu nutzen wußte, dich ich nicht zu nutzen weiß. wie soll man wissen, was richtig sein wird, wie soll man lernen, was der bessere pfad, wenn jegliche möglichkeit verwehrt bleibt, zurückzukehren und anders zu entscheiden, andere pfade zu wählen?
'das jetzt ist voller wege.' eine stimme flüstert lächelnde zeilen in mein ohr. gesichter berühren meine sinne, entgleiten meinem herzen. die stimme kichert, küßt mich. ich wehre mich nicht. bilderwelten überfluten meinen atem, kein dunkel hält mich noch fest, als ich den boden unter mir zurücklasse. mein lächeln birgt freiheit, meine liebe führt mich traumtanzend durch das labyrinth. der ausweg bliebt verborgen unter trümmern, doch gleite ich empor, davon.
kein gedanke vermag mich noch zu trüben, mein antlitz glitzert lichterloh. wohin soll meine reise gehen? wohin treiben mich alle pfade? wohin führt mich meine sehnsucht? wohin mein feuer?
'ins jetzt, ins jetzt, ins leben.' die stimme kichert ein weiteres mal. silbersanft beühren ihre laute meine sinne. ich wünschte, ich könnte sie für einen moment berühren, halten, in mir bergen. ich wünschte...

ich erwache auf einer waldwiese. am blauen himmel ziehen wattewolken ihre kreise. ich kann die stimme kichern hören. in mir. irgendwo in mir.
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Samstag, 29. Januar 2005

"irgendwo tief in mir..."

irgendwie war es mir schon immer bewußt, lauerte tief in meinem denken, doch erst gestern wurde es mir wirklich klar: ich bin noch immer kind.

ich neige nicht dazu, die kindheit glorifizieren zu wollen. aus heutiger sich scheinen die sorgen von damals wesentlich unbedeutenderer natur gewesen zu sein, was den automatischen schluß zuließe, daß die kindheit schön gewesen sein muß und daß man diese zurücksehnen sollte. doch daß in den augen eines kindes die damaligen sorgen womöglich von weltumfassender bedeutung waren, daß also nicht alles an der kindheit schön war, begreift man nur ungern.

was ich aber an der kindheit liebe, ist, bestimmten dingen mit ungetrübtem blick, ohne tiefere gedanken zu begegnen und sie einfach hinzunehmen. ich liebe das auge für details, das ich als kind hatte und bemühte mich längst, dieses nicht zu vernachlässigen, auf alles, noch so winzige zu achten und mich daran zu erfreuen.

ich liebe es, sinnlos herumzualbern, zu hüpfen, zu schreien, herzlich zu lachen, ich liebe es, mich einfach gehen zu lassen und für einen moment alles abzuschalten, was an rationalem in mir wohnt. ich liebe es, kleinigkeiten zu sehen und zu beobachten, mich in winzige spielchen zu vertiefen und die welt zu vergessen.

gestern jedoch wurde mir bewußt, daß ich noch auf eine andere weise kind bin, auf eine weise, die mir weniger behagt, aber längst keinen grund zur sorge darstellt, vielleicht sogar ein zeichen für kindliche offenheit ist.

im zuge meines versuches zur selbstfindung entdeckte ich, daß in mir unzählige interessen wallen, darauf harrend, endlich ausgelebt zu werden. und jede neue tätigkeit ist wie ein spielzeug für mich, das ich unbedingt haben möchte. so war eine der ersten gegenstände, die ich mir in meiner ersten eigenen wohnung zulegte, eine elektrische gitarre. ich war fasziniert, ja gefesselt, spielte zuweilen stundenlang, erfreute mich an jedem klang, der entwich. doch irgendwann ließ das interesse nach, es gab soviel anderes, was getan werden mußte oder konnte. eine eigene heimseite mußte her, freunde und freundinnen wollten beschäftigt werden, ich wollte mich lyrisch und prosaisch ausleben. ich wollte schreiben und tat es. ich wollte zeichnen und tat es. irgendwann entdeckte ich die gitarre wieder und stellte fest, daß eine akustische doch auch wunderschön sei. und bald hatte ich ein neues spielzeug. ich entdeckte die jonglage, entdeckte, wie es ist, plakate und flyer zu designen, entdeckte dies und jenes - entdeckte zuletzt die photographie.

mehrere sachen stellte ich fest. zum einen sind meine "spielzeuge" wesentlich preisintensiver als die kleiner kinder. zum anderen lasse ich niemals ein spielzeug fallen und will es nicht wiedersehen. sicherlich war niemals genügend zeit, alles gleichzeitg zu nutzen, mich jeder freude gleichzeitig hinzugeben. und doch vermag die alte gitarre noch immer angenehme klänge zu fabrizieren, und doch gebe ich mich noch immer sämtlichen interesen gerne hin, lasse sie ruhen, finde sie wieder und vertiefe mich darin.

mein herz sehnt sich nach abwechslung - und findet diese in immer neuen spielzeugen, die jedoch manchmal nur die alten zu sein brauchen. ich liebe es, mich ausleben zu können, liebe es, auf verschiedenste art und weise meine gedanken gehen zu lassen, liebe es, die schönheit der welt zu entdecken und sie zu würdigen, liebe es festzustellen, daß ich das leben liebe.

längst bin ich erwachsen, doch wieder und wieder bereitet es mir freude zu bemerken, daß in mir noch immer ein teil des kindes steckt, das ich mal war.
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Freitag, 28. Januar 2005

tagesausklang

beeindruckend, wenn man rückblickend feststellt, daß der tag als solcher von immenser eigenfreude geprägt wurde, wenn man merkt, daß alles erdenklich mögliche in den letzten stunden sich zum guten wendete oder zumindest eine derartige richtung einzunehmen erwog, wenn man begreift, daß das lächeln auf dem eigenen antlitz nicht nur echt war, sondern auch in der tiefe perlte, nach außen drängte und versuchte, andere anzustecken.

ernüchternd, wenn aber der moment des rückblicks geprägt ist von einer unerklärlichen schwere, ja fast schwermut, wenn trotz allem die welt trüb und grau wirkt und sich keinen millimeter weitergedreht zu haben scheint, wenn das lächeln längst entschwand und nur noch die stille erinnerung daran verblieb.

womöglich ist dann der rechte zeitpunkt gekommen, die augen zu schließen und den tag für sich selbst sterben zu lassen, in die vergangenheit zu rücken, als den tag, an dem viel so gutes geschah, an dem das lächeln nicht schwieg. vielleicht ist dann der rechte zeitpunkt gekommen, dankbar zu sein und sich darüber zu freuen, was war, anstatt sich selbst tiefer und tiefer in unsinnige trübnis zu versenken. vielleicht ist dann der rechte zeitpunkt gekommen, sich selbst ein letztes lächeln zu schenken und mit vorfreude auf den nächsten tag zu warten, selig träumend dem jetzt in das nahende irgendwann zu entfliehen.
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blurks und rote geräusche

ich gebe zu, daß der nun folgende text wenig sinn haben wird und einzig und allein dazu dient, die überschrift im raum stehen zu lassen. diese, der betreffzeile einer von mir verfaßten email entwendet, gefällt mir so gut, daß ich stundenlang davorsitzen, sie lesen und in mich hineinkichern könnte. eine solche tätigkeit wird von mir selbstverständlich niemals praktiziert werden, und wenn, dann nur kurz. ich habe schließlich fleißig zu sein, emsig wie ein frischgeschlüpftes honigkuchenpferd.

mir fällt gerade auf, daß es unglaublich viele worte gibt, die mir zusagen, die mich freundlich anlächeln, mich liebevoll grüßen, wenn ich sie entdecke, mir heimlich zuwinken, wenn ich mich abwende.

eines jener worte ist "blurks". ich habe keine ahnung, was ein/eine blurks ist, gebe zu er/sie/es kann nicht wirklich appetitlicher natur sein, doch irgendwie mag ich ihn/sie/es. ein anderes wort, das ich liebe, ist "honigkuchenpferd". ich gebe zu, dieses schon heimlich in den vorangegangenen zeilen untergebracht zu haben, und zwar einzig und allein aus dem egoistischen motiv heraus, mich an seiner existenz zu erfreuen. "morast", "nichtsdestotrotz" und "zuweilen" stellen befremdlicherweise auch worte dar, über die ich gerne meine blicke streifen lasse. ich wage nicht, derartiges zu hinterfragen, fürchte ich mich doch vor den schauerlichen abgründen, die sich in mir auftun könnten.

was ich aber jederzeit gerne wage, ist, wörter zu hinterfragen. ein gutes beispiel stellt das wort "komisch" dar, das mir immer wieder zu denken gibt. schließlich verbirgt sich in ihm ein doppelsinn. meint man aber nicht das lustige "komisch", sondern das andere, benutzt man zuweilen [hihi...] irgendwelche synonyme. bevorzugt wird dabei das wort "merkwürdig" verwendet. doch "merkwürdig" bedeutet in meinem denken etwas, das würdig ist, daß man es sich merkt, also einprägt. ich stelle dabei aber fest, daß die inhaltliche gleichheit zwischen "merkwürdig" und der zweiten bedeutung von "komisch" nicht immer gegeben ist und suche weiter nach alternativen. ich erwähle "eigenartig". jedoch deutet dieses alberne ["albern" liebe ich im übrigen auch sehr.] wörtchen eigentlich nur darauf hin, daß etwas eine eigene art besitzt. und da ich davon ausgehe, daß nahezu jeder existierende gegenstand, jedes lebenwesen auf erden, eine eigene art hat, eigen ist, bereue ich meine wahl und suche erneut nach synonymen. im augenblick hänge ich bei "befremdlich". dieses wort sagt aus, daß irgendeine sache auf mich fremd wirkt. und wenn ich ausrufe: "hui, das ist aber komisch!" und nicht meine, daß es lustig sei, dann fremdet mich jene sache durchaus an, und ich kann ruhigen gewissens "befremdlich" in meinen aktiven sprachwortschatz aufnehmen.

es gibt befremdliche [!] worte im leben, solche, die einen nicht loslassen. bei mir jedenfalls verhält es sich derart. suche ich einen namen, fällt mir als erstes "peter" ein - es gab mal eine zeit, da war es "otto". will ich einen zeitpunkt bestimmen, wird es zumeist "donnerstag", egal ob sinnvoll oder nicht. fällt mir eine bezeichnung nicht ein, benutze ich das von mir erfundene substantiv "knuselwupp", das zugleich ein name sein kann und auf "knusel" verkürzt werden darf. "knuseln" ist das enstprechende verb; ihm kommt im meinem wortschatz ähnliche bedeutung bei wie das wort "schlumpfen" bei den kleinen, blauen gesellen mit den weißen mützen - eine universale also. es spielt keinerlei rolle, inwiefern das mir in den sinn hüpfende wort passend oder unpassend ist; es liegt mir plötzlich auf der zunge und will ausgesprochen oder niederschrieben werden.

...

unangenehmerweise muß ich zugeben, daß ich nicht imstande bin, diesem text einen akzeptablen schluß zu schenken, weswegen ich noch einmal grinsend auf die überschrift deute und mich unterdessen heimlich aus dem staub mache...
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Donnerstag, 27. Januar 2005

dankbar

da ich nicht oft daran denke, derartige worte zu formulieren, soll es nun geschehen, obgleich ich längst in den federn liegen sollte:

ich bin dankbar, am leben zu sein.
ich bin dankbar für jeden augenblick, den ich erleben darf, für jeden moment, den ich verlebe, für die schönheit meines daseins, für die schönheit der existenz an sich.
und ich bin dankbar für menschen, die mich wissen lassen, daß ich lebe, daß ich noch immer lebe...
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