Wortwelten

Montag, 21. Februar 2005

Wow.

Beeindruckt von mir selbst ringe ich mir ein ungläubiges "Wow." ab, das - nicht zuletzt aufgrund dessen, daß ich jenes Wortimitat äußerst selten zu benutzen pflege - wohl staunender aber auch selbstverachtender Natur frönt.

Die Schwierigkeit am menschlichen Handeln liegt vermutlich im "Müssen", zumindest, wenn ich derartige Behauptung einmal konkretisieren darf, bei mir. Schließlich weist mein Denken und Handeln durchaus die Existenz des bedrängenden, ja fast schon vordergründigen Wissens um die Notwendigkeit des prüfungsvorbeireitenden Lernens auf, doch wird zur gleichen Zeit mit erstaunlich machtvoller Intensität mit dem Wunsch erfüllt, eben jenes Lernen durch sinnbefreite Ablenkungsstrategien zu verdrängen und mich somit von einer stetig schwerer werdenden Last zu befreien. Daß diese Last durch derlei albernes Herumgekasper, wie ich es seit Wochen immer wieder zu praktizieren pflege, nicht abnimmt, ist nicht nur erwartbar, sondern auch noch unerträglich und drängt folgerichtig zu weiteren Manövern ähnlicher Art. Erstaunlich, wie viele Dinge man bereinigen, abwaschen, aufräumen, lesen, essen, einkaufen, denken oder einfach nur malträtieren kann und wie befreiend diese Tätigkeiten im Augenblick wirken.

Natürlich hat jedes Vergnügen seine Schattenseite, und das obligatorische Kater-Synonym [Ich meine nicht den maskulinen Vertreter einer krallig-wuschlige Haustiergattung, sondern den durch Alkoholexzeß zwangsläufig erwirkten...] weiß alsbald mittels eines schlechten Gewissens auf sich aufmerksam zu machen. Ungläubig beobachte ich mich selbst, wie ich von mir selbst vorgegebene Lernziele regelmäßig minimiere und dem anwachsenden Druck auf immer neue Art auszuweichen verstehe. Derlei Unglaube äußert sich tatsächlich zuweilen in oben erwähntem Unwort, insbesondere da ich nicht weiß, ob ich das jetzt gutzuheißen oder zu verachten habe.
'Gutheißen?', höre ich eine schimpfende Stimme aus dem inexistenten Publikum fragen, 'Was gibt es an Faulheit gutzuheißen?'

Nichts, natürlich. Außer man stellt fest, daß es gerade jene Faulheit ist, die das letzte Vergnügen in dem ansonsten recht einsiedlerisch-trübseligen Leben eines Prüfungsvorbereitenden darstellt und zuweilen ein winziges Lächeln des Genusses auf die - die bereits eingeprägten Wörter und Formeln murmelnden - Lippen des Gestreßten klebt.

Getreßt? Nun ja, nicht wirklich. Immerhin kann ich mir selbst voller Freude eingestehen, daß der Druck im Hinterkopf zwar immens ist, doch richtiger Streß noch keine Chance bekam, sich in meinem Dasein auszubreiten. Schließlich wäre ein solcher wohl wenig produktiv, gäbe er mir doch zusätzliche Gründe, den Zwängen zu entfliehen und mich mit scheinar Besserem, aber zumeist völlig Nutzlosen und Überflüssigem abzulenken.

Und genau darin liegt die Schwierigkeit des "Müssen": In der Zeit, die ich für Pflicht und Zwang opfere, wäre es mir sicherlich möglich, unglaublich viel Wunderschönes zu schaffen, nicht nur mir, sondern auch anderen zahllose Freuden zu bereiten und das Leben als solches mit Genuß zu erleben. Vermutlich gar wäre ich zum Arbeiten [keine körperliche Arbeit im speziellen, sondern "nur" Arbeiten im allgemeinen] fähig, zu Nützlichem, Voranbringendem, das zwar Mühen kostet und Schweiß fordert, doch mir das Gefühl schenken kann, etwas vollbracht zu haben. Doch derlei Dingen zu frönen, ist als verwerflich zu erachten, ja zu ächten. Schließlich gibt es Zwänge, die darauf warten, mit [leider recht mißmutigem] Fleiß und [krampfhaft zusammengeklaubtem] Eifer befüllt zu werden.

Kurz: Ich schaffe und erreiche nichts von dem, was ich für wichtig erachte, weil ich mich mit dem zu beschäftigen habe, was wohl - im Sinne einer zukunftsorientieren Handlungsweise - wichtig IST.

Problematisch wird der bereits erwähnte Umstand, daß selbst das zu Tuende nicht getan wird, daß ich mich vom Nötigen abhalte und anhaltender Sinnlosigkeiten fröne. Ich könnte mich dafür verachten, doch fehlt mir dazu der Wille, habe ich doch längst begriffen, daß ich niemals imstande sein werde, mein Augenmerk auf nur ein einziges, alles entscheidendes Detail meines Daseins zu richten und mich mit diesem zu befassen, bis das nächste der endlosen Warteschlange zu mir herantritt und mich fordert. Nein, ich weiß, daß ich wohl gar nicht anders vermag, als immer wieder dem Unangenehmen auszuweichen und das Angenehme zu suchen, das meine Momente mit Freude füllt und für einen mehr oder minder kurzen Zeitraum das Grau des Müssens zu vernachlässigen weiß.

Beinndruckend empfinde ich im übrigen den Umstand, daß es mir soeben mit obigen Worten gelang, mich mit einer gewissen Motivation zu bestücken, die wohl keine allzu große Lebensdauer haben wird, aber immerhin ausreicht, um mich mit ausreichend großer Euphorie in das zu Erledigende zu begeben [Ich woltle eigentlich "stürzen" schreiben, doch halte ich derartige Ausdrucksweise in Anbetracht meines tatsächlich vorhandenen Willens für maßlos übertrieben.].

Alles Machbare ist machbar - und vermutlich noch mehr.
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groß

In Anbetracht dessen, daß es sich immer mehr als üblich erweist, die deutsche Sprache nicht nur mit Anglizismen und Verkrüppelungen unangenehmster Art zu entstellen, sondern auch die gewohnten Regeln der Groß- und Kleinschreibung zU m1sSachT3n, habe ich mich Eigenreflexion unterzogen, die Folgendes ergab:

Ich halte mir für durchaus fähig, Grammatik und Orthographie in ausreichend korrektem Maße zu frönen, bin mir über die Unterschiede zwischen "daß" und "das" im Klaren und neige auch dazu, den erweiterten Infinitiv mit "zu" mittels eines entsprechenden Zeichens vom Rest des Satzes abzugrenzen. Benutze ich jedoch eine Tastatur, beginne ich, die Umschalttaste mit gebührender Ignoranz zu belegen, somit also Fehler aus Prinzip zu begehen.

Einst [und es ist tatsächlich schon eine geraume Weile her] hielt ich das Weglassen von Großbuchstaben für eine wesentliche Vereinfachung der eigenen Schreibe, für den richtigen Weg, sich auf Papier oder dessen digitalem Äquivalent auszudrücken. Ich vernachlässigte meinen Wunsch nach Perfektion und frönte einer Miniaturrebellion -- denn damals empfand ich es tatsächlich als eine solche [nicht zuletzt, weil auch die im Englischen ja noch hervorgehobene Bedeutng von Eigenenamen dadurch endgültig deklassifiziert werden konnte]. Dafür war ich sogar bereit, die Problematik zu verachlässigen, daß man, wenn alle Worte mit kleinen Buchstaben beginnen, zuweilen Satzzeichen ignoriert und dadurch bei der Lektüre emfpindlich gestört wird.

Ich gelangte zu der Ansicht, daß Menschen, die fähig sind, Rechtschreibung und Grammatik hinreichend korrekt zu praktizieren [Ich neige dazu, die Unfähigkeit zu NEUER deutscher Rechtschreibung schulterzuckend gutzuheißen, habe ich doch selbst arge Schwierigkeiten mit der Umsetzung dieser Schreibreform], die Erlaubnis besitzen, die deutsche Sprache zu verunzieren, solange sie sich ihres Treibens bewußt sind und dieses jederzeit einstellen könnten.

In den letzten Tagen jedoch wurde ich auf einige wenige Zeilenanhäufungen aufmerksam, die aus anderen durch ein einziges Signum herausstachen und dadurch angenehm ins Auge fielen: Sie bedienten sich korrekter Groß- und Kleibschreibung. Das mag an sich nicht weiter verwunderlich klingen, sind doch Zeitschriften, Zeitungen und Bücher vollgestopft mit derlei Geschriebenem. Doch in den Tiefen des weltweiten Netzes mutierten Großbuchstaben längst zu einer vom Aussterben bedrohten Gattung. Menschen neigen ja dazu, allem, was rar ist, einen gewissen Wert zuzusprechen, der nur allein aus dieser Seltenheit resultiert. So handelte auch ich, einmal mit der Seltenheit des Großbuchstaben in meinem eigenen Wortsalat konfrontiert.

Ich schämte mich ein bißchen und versuchte gleich, Zeilen anzuhäufen und dabei darauf zu achten, den Regeln der geschriebenen Sprache gerecht zu werden. Ich war erstaunt zu bemerken, wie schwer mir dieses Unterfangen fiel, nein: fällt, denn noch immer übersehe ich, daß diesem oder jenem Substantiv die Benutzung der Umschalttaste vorenthalten blieb.

Und so beschloß ich, in Zukunft ein wenig auf mich selbst zu achten und den Versuch zu wagen, trotz kurzzeiliger Forenbeiträge und internetüblicher Kleinschreibung auf die Großbuchstaben nicht länger zu verzichten. Womöglich handelt es sich dabei um einen Schritt zurück, doch bin ich mir sicher, daß jeder Lesende es mir insgeheim danken wird, wenn er bemerkt, daß das eigene Auge mal wieder an einem - früher verborgenen - Satzzeichen hängenblieb. Vielleicht ist es gar ein Schritt nach vorn, wohin auch immer...
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Sonntag, 20. Februar 2005

...

aus der küche ertönt gelächter. ich stehe auf, sehe mich um, doch vermag nicht länger, mich zu finden. im papierkorb liegt mein lächeln, zerknüllt und angesengt. ich beachte es nicht. weinend wickle ich mir meine gedanken um den hals, meide meinen schatten. das häßliche tier im spiegel ängstigt mich. ich krieche heimlich vorbei, rückwärts durch den nebel. meine worte hätten deine sein können. in einem irgendwann aus meinem traum. die lider zu schließen wage ich nicht. ich könnte mich schreien sehen. auf dem flur stirbt ein fahles licht. der kalte wind scheucht mich fort. ich folge ihm. die gänge sind leer, waren es immer. an den wänden kleben alte zeilen. ich erkenne sie nicht. irgendwo ertönt dein lachen. musik aus meinem herzen. der schmerz findet meine augen, reißt sie hinfort. mit meiner furcht ritze ich namen in den boden, zerfetze das jetzt. lebte ich noch, hätte ich wohl geweint.
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Samstag, 19. Februar 2005

das alte lied

zuweilen kriecht die einsamkeit in meinen kopf zurück und lacht mich aus, verlacht all die schönen worte, die ich einst aus meinem inneren herauszauberte, das leben zu beschönigen und gutzuheißen, verlacht meine hoffnung, meine unendliche, nie sterbende hoffnung, verlacht all die gedanken, die mir ein silberlächeln zu schenken wußten. wie ein häßliches dunkeltier lauert die einsamkeit nun in meinem schädel und lähmt mich, raubt den willen zu jeder bewegung, klebt schattenschleier vor meine ermüdeten augen, setzt tränen auf die blassen wagen, entreißt dem herz das letzte leuchten. und irgendwann beginnt sie zu erzählen, erweckt die alte, unerfüllbare sehnsucht aus meiner tiefe, zerrt die gleichen, träumerischen bilder hervor, belügt mich mit meiner liebe. verloren treibe ich in meiner nichtigkeit und verliere meine pfade, während in mir singt die einsamkeit ihre finsteren lieder singt. ich schließe die augen und fliehe in den schlaf.
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Freitag, 18. Februar 2005

erblindet

zuweilen will ich nicht mehr sehen. mit tränenverschleierten blicken schaue ich mich um und kann nicht ertragen, was sich mir zeigt, wünsche zu fliehen, allem zu entkommen, die welt um mich herum einfach auszuschalten, jeden menschen aus meinem dasein zu löschen.

ich nehme meine brille ab, verstaue sie behutsam irgendwo in meinen taschen, entreiße mir das augenlicht. die welt verschwimmt, verliert jede kontur. ihre formen werden aufgelöst. menschen mutierten zu schwammigen silhouetten, gesichtslos und fremd. ich fliehe.

die tränen auf meiner wange stören nicht länger. ich sehe niemanden, nichts, und kann selbst nicht gesehen werden, wandle als unsichtbarer durch das verwischte sein, dessen existenz ich ignoriere.

kein blick, keine mißgunst kann mich erreichen, da augen zu schattigen löchern in hellen flächen verwimmen, da worte an meinen betäubten ohren zerschellen. ich fliehe, lasse die welt zurück, kehre in mich selbst, um irgendwo in der tiefe mich zu finden.

irgendwann, nach ungezählten zeiten, wenn meine tränen getrocknet sind, schenke ich mir meinen blick zurück, wandle meiner pfade und beginne, mich der unvollkommenen schönheit meiner welt zu erfreuen, jedes detail in mich aufzusaugen wie einen verlorengeglaubten schatz, atme das leben, als hätte ich es erneut entdeckt ...
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widrige umstände

widrige umstände brachten es mit sich, daß ich den letzten bus verfehlte, so daß mir nichts verblieb, als nach hause zu laufen. wie leergefegt lagen die straßen nun vor meinen müden blicken. kein mensch, keine maschine, zerbrach die reglose gegenwart. eisigkalt wehte der winter mir um die ohren. unter meinen füßen knirschten die letzten streusandreste. in einer tiefgarageneinfahrt warfen meine schritte hohle echos an die nackten wände.
in mir frohlockte es, eine dankbarkeit überfiel mich. ich war dankbar, am leben sein zu können, mein dasein mit allen sinnen zu spüren, dankbar gegenüber gott, soweit ich bereit war, an ihn zu glauben.

eine ampel verkündete mit schrillen piepsern ihre grüne färbung. ich verkroch mich tiefer in meinem mollig warmen wintermantel. in der tasche klirrten fröhlich die schlüssel. mein spiegelbild blickte mir aus einer schaufensterscheibe entgegen.

'vielleicht bin ich noch immer nicht erwachsen geworden.', mutmaßte ich und lächelte bei diesem gedanken.
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Donnerstag, 17. Februar 2005

wirrwarr

bewegt von bunten bildern versuche ich worte zu finden, die keinem thema zuzuordnen sind, die keine richtung besitzen. doch ich kann, nein: ich will, nicht schlafen, noch nicht, nicht bevor ich niederschrieb, was ich dachte, auch wenn meine gedanken ein strudelndes wirrwarr, ein inhomogener fetzen flackernder fetzen, sind, auch wenn ich nichts in mir, nichts in meinem geiste zu halten vermag. ich wünsche zu schreien, wünsche zu weinen, wünsche mir trost, ohne zu wissen, wieso, von wem. ich empfinde die befriedigung, in den letzten augenblicken etwas berauschendes erlebt zu haben, und doch war es nur ein teil meiner fantasie, eine verschobene welt irgendwo in meinem kopf, ausgelöst duch einen künstlerisch angehordneten haufen beeindruckender bilder. vielleicht verspüre ich liebe in mir, vielleicht aber auch einsamkeit. ich weiß es nicht, versuche mich zu hinterfragen, ohne auch nur einen funken von mir entdecken zu können. ich wünsche zu lachen, wünsche mir, entfliehen zu können, irgendwohin. entfliehen? wovor? vor mir? vor dem, was sich alltag nennt und doch keiner ist? vor der verantwortung? vor dem leben? vor der angst vor dem leben? keine ahnung. in mir wacht ein lächeln, wird niemals müde, mir trost ins herz zu flüstern. für einen augenblick bin ich froh, ich zu sein, mich in stillen momenten an der schönheit des eigenen daseins laben zu können.

leben ist nur ein traum.
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Dienstag, 15. Februar 2005

abstraktes denken

an irgendeiner stelle in der zivisation war man bemüht, dingen namen zu geben. und so geschah es, daß beispielsweise auch das wort "liebe" entstand: ein gefühl, das man nicht mit unendlichen zeichenketten beschreiben könnte, wird in ein einziges wort gestopft.

befremdlich jedoch wird es, blickt man auf die versuche denkender wesen zu erklären, was "liebe" eigentlich sei, was dazugehöre und was nicht. versucht wird herauszufinden, was hinter dem wort steht, welche tiefen bei genauerem blick es offenbart.

ein name wurde vergeben und nun soll versucht werden, dem namen eine definition verpassen, neue worte zu finden, die das alte aufzufüllen imstande sind.

vielleicht gelingt dieses vorhaben, vielleicht ist mensch tatsächlich dazu befähigt zu erklären, was dieses eine wort für eine aussage in sich birgt. doch öffnet man die augen, erkennt man, daß man einzig und allein versuchte, das wort, den gegebenen namen, zu erklären und mit erläuterungen zu versehen. jedoch das wahre, das eigentliche, das gefühl, bleibt unangetastet, unbeschrieben; der blick auf die quelle wird vernachlässigt.

ein gefühl, unzureichend erfaßt durch ein winziges wort, erläutert durch ungezählte weitere worte - und keines wird jemals genug sein, begreift man jenes gefühl in seinem herzen.
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Mittwoch, 9. Februar 2005

"und sonst...?"

heute habe ich wieder menschen gesehen. das mag wenig sonderlich sein, doch waren die personen, die ich heimlich mit blicken bedeckte, grund für diese nun folgenden worte, dementsprechend also wesen, die in meinem schädel befremdliche fragen und gedanken entstehen ließen.

ein dicker, wahrlich dicker, junge stöberte eine weile in seinen mit unterschiedlichsten taschen übersäten hosenbeinen und zog schließlich triumphierend eine compact disc hervor, die ich ohne größere mühe als "gebrannt" identifizierte, was mich zu hämischen gedanken bezüglich der legalität des inhalts bewegte. ich freute mich schon, auf eine entsprechende frage die worte zu vernehmen "da sind nur fotos drauf." oder "da habe ich meinen aufsatz für die schule draufgebrannt.", um diese mit einem ungläubigen kopfschütteln abzuwehren und zu beobachten, wie das schlechte gewissen über die illegale untat schames- oder trotzröte in den kugelrunden schädel schießen ließe. doch ich schwieg und beobachtete verwundert, wie der dicke junge die cd ihrer hülle entnahm, umdrehte, die unterseite ausgiebig musterte und anschließend den anscheinend kostbaren datenträger wieder sorgsam im taschenwirrwarr verstaute. was genau hat diese aktion bewirken sollen? welche geheime informationen entlockte der dicke junge der cd-unterseite? glaubte er, durch seinen blick eine kostprobe der eingebrannten daten erhaschen oder die winzigen rillen, in denen sich die bits und bytes versteckten, mit seinen verquollenen augen ausmachen zu können? glaubte er gar, ein paar leise musikbruchstücke auf der spiegelnden fläche erahnen und vernehmen zu können? war er tatsächlich imstande, den kaum merklichen unterschied zwischen bebranntem und brachliegendem teil des rohlings wahrzunehmen und daraus informationen zu beziehen, die seinen wissendurst erlöschen ließen? oder war dies einfach nur eine geste, deren sinnlosigkeit ihm erst in ihrer ergebnislosigkeit bewußt wurde - wenn überhaupt?

ich wußte es nicht und wendete mich ab, dorthin, wo sich soeben eine erstaunlich gut gebaute junge dame niederließ und grazil ihre beine übereinanderschlug. für sekunden wurde ich von diesem beschaulichen bild gefesselt, solange, bis dieses wahrhaft hübsche wesen begann, kommunikation mit ihrer begleitenden freundin zu betreiben. der überaus stark ausgeprägte lokale dialekt in kombination mit dem hochdeutschfremden jugendsprachstil ergab eine mischung, die nicht nur die illusion erweckte, daß der ansehliche schädel vor wenigen wochen restlos leergepumpt und von allem sinn und inhalt restlos befreit worden war, sondern widerte mich nahezu an, schreckte mich so sehr ab, daß ich beschloß, eine haltestelle früher auszusteigen, um nicht länger über diese befremdliche verteilung von schönheit an einem einzigen menschen nachdenken zu müssen.

jenseits der haltestelle versuchte ich, die aufmerksamkeit eines geduldig wartenden hundes auf mich zu lenken, indem ich eine paar kurze pfeiflaute zwischen meinen zähnen hervorpreßte. der hund reagierte nicht, starrte stur nach vorn. ich lachte innerlich laut auf. so sympathisch war mir der fellige vierbeiner, der es nicht nötig hatte, jedem dahergelaufenen herumalberer falsche zutraulichkeiten vorzuspielen, um anderthalb streicheinheiten zu ernten.

meinen inneren notizzettel abarbeitend kehrte ich für einen weißbrotkauf in die am platze vorhandene netto-filiale ein. diese vermochte mich weder durch ein gut aufgeräumtes sortiment, durch unvergleichliche produktvielfalt noch durch finanziell besonders privilegierte kundschaft zu beeindrucken. doch das kümmerte mich wenig, neigte ich doch nicht dazu, meine stimmung von solchen oberflächlichkeiten beeinflussen zu lassen. ich schnappte mir das geschnittene und zugleich preiswerte weißbrot und stiefelte [das wort war aufgrund meines schuhwerks tatsächlich berechtigt] zur kasse, an der sich die schlangen der ungeduldig wartenden tümmelten. hinter mir befand sich eine ältere dame, die sich höflich bedankte, als ich das warentrennhölzchen [also den "kundenseparator" oder wie er auch heißen mag] hinter meiner weißbrotpackung auf dem fließband plazierte. nahezu im selben atemzug begrüßte sie freudig die hinter ihr anstehende bekannte, eine mollige, wenig gesund wirkende frau mitleren alters mit einer abscheulichen mütze auf dem ungepflegten haar. diese reagierte mit verlegenheit auf so viel aufmerksamkeit, sprudelte ein paar leere worte in den raum und schaffte es, nach jedem satzteil ein verlegenes kichern einzubauen. ihr gesicht war puterrot, in ihrem einkaufswagen türmten sich die bierflaschen und sowohl ihr gehabe als auch ihre redeweise wies sie als "geistige sozialhilfeempfängerin" [ich danke heimatroman für diesen wunderschönen ausdruck] aus. ich ahnte, was jetzt kommen würde, hielt in schrecklicher erwartung die luft an - und behielt recht: die ältere dame, welche bereits ihre waren neben meinem weißbrot auf dem fließband positionierte, formulierte, ohne daß bisher inhaltsgefüllte worte gefallen wären, die schreckliche frage: "und sonst...?"

hätte sie mit mir geredet, wäre sie von einem redefluß überwältigt worden, der sich vermutlich umgehauen hätte. obgleich ich verstehe, daß zu kennenlernzwecken smalltalk zuweilen ganz nützlich sein kann, verachte ich ansonsten derartige redeweise. ich mag es nicht, sinnentleert über das gestrige, heutige und morgige wetter zu reden, mag es nicht, ohne wirkliches interesse nach meinem befinden gefragt zu werden. und das letzte, was ich in die ohren gepreßt bekommen möchte, ist: "und sonst...?". diese verkrüppelte frage stellt für mich die abscheuliche inkarnation des verweifelten versuches dar, krampfhaft ein gespräch betreiben zu wollen, nein, zu müssen, bei gleichzeitigem maximalwert an desinteresse und unkenntnis der lebensumstände des gegenübers. jede konkretere antwort auf diese "frage" ist vollkommen falsch und überflüssig, weil nichts anderes erwartet wird als "naja...", "es muß ja." oder "ganz gut.". wehe dem, der von seinen sorgen - oder noch schlimmer: von seinen freuden - berichtet.

beiden gesprächsteilnehmerinnen war die situation sichtlich unangenehm. wieso hatten sie sich ausgerechnet hier treffen müssen? wieso hatten sie sich überhaupt begegnen müssen? sie maskierten sich mit einem weiteren schwall leerer worte und verlegenen lächelns, während ich mich eilig bezahlend dem geschehen entzog und in die nächstbeste straßenbahn stieg, wo ich lächelnd ein kind beobachtete, das sich während der ganzen fahrt selig mit einer handbürste beschäftigte und zusammen mit seiner großmutter prächtig über diesen nützlichen und zugleich ungemein vielfältig anwendbaren und lustigen gegenstand amüsierte. es gibt noch hoffnung, dachte ich, stieg alsbald wieder aus und grinste in mich hinein, als ich bemerkte, wie albern ich aussehen mußte mit der packung weißbrot unter meinem arm.
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Dienstag, 8. Februar 2005

stillstand

Wer sich nicht bewegt, erreicht keine Ziele.

dieser satz war in ähnlicher form auf einem flyer von ver.di zu lesen, der mir neulich vor die augen kam. in mir gaben sich der alles-hinterfrager und der aphorismen-ablehner grinsend die hände und freuten sich darauf, diese wenigen worte in der luft zu zerreißen. nur wenig mühe ist dazu vonnöten, nur ein einziges gegenbeispiel, das verdeutlichen soll, daß es in den wenigsten fällen sinnvoll ist, allgemein übliche sprüche zu verfremden, zu erneuern oder in anderes wortgewand zu kleiden, wenn schon das original wenig einfallsreich, womöglich unzutreffend ist und tausendfach kopiert wurde.
ich erschaffe im geiste also die situation, daß mein ziel darin bestünde, mich nicht zu bewegen. von mir aus auch im symbolischen sinne. sofort wird klar, daß der obige spruch somit seine bedeutung und seine allgemeingültige wahrheit verliert und zu sinnlosem dummgeschwafel, zu nichtiger pseudoschläue, mutiert. traurig, aber wahr.
[gäbe es ein fazit, würde ich es an dieser stelle schreiben.]
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