Wortwelten

Montag, 2. Juni 2008

Feststellungen

Gewisse Problematiken machten es notwendig, dass ein alternatives Betriebssystem zu dem auf einem Notebook laufenden benötigt wurde, und sogleich begann ich, mir Knippix herunterzuladen. Dabei stellte ich zwei Sachen fest:

Mit mehr als 4 Gigabyte erweist sich Knoppix als recht groß, insbesondere wenn man es erst herunterladen muss. Dan der in Opera integrierten Torrent-Funktion wurde zwar die Maximalkapazität meiner Internetverbindung ausgenutzt, jedoch kam dennoch eine ansehnliche Zahl von Herunterladstunden zusammen.

Im allgemeinen wird ja gern davon geredet wird, dass anfassbare Medien allmählich aussterben und dass sowohl DVDs als auch deren Nachfolgern keine große Zukunft bescheinigt wird, weil in Bälde jeder seine Filme nur noch über das Netz beziehen und ansehen kann. Doch wenn ich bedenke, dass heutzutagige SpielfilmDVDs schon mehr als doppelt soviel Speicher brauchen wie das oben erwähnte Knoppix und dass sich dieser Bedarf in Zukunft aufgrund von Qualitätserhöhungen wohl noch steigern wird, zweifle ich stark an der allgegenwärtigen Herunterladbarkeit von Filmen.

Ich kann nicht sagen, wieviele Stunden ich tatsächlich für 4 GB brauchte, weil mein Rechner sich hitzebedingt immer mal wieder verabschiedete, doch weiß, dass ich nicht willens wäre, dieselbe "Computerzeit" für einen Film zu opfern, bloß weil ich ihn heute oder morgen abend sehen möchte. Da renne ich lieber in den Laden oder eine Videothek.

Und selbst wenn das Ganze gestreamt werden wird, wenn das Internet der Zukunft mit enormen Geschwindigkeiten und Verfügbarkeiten aufwartet, wenn sich also alles zum Besten entwickeln wird, hege ich arge Zweifel an der Durchfürhbarkeit des qualitativ hochwertigen Mal-eben-einen-Film-aus-dem-Netz-Schauens. Denn derzeit schaffte es noch nicht einmal die optische Minderwertigkeit der Youtube-Filmschnipsel kontinuierlich flüssig zu laden und erfordert nicht selten erstaunliche Vorladezeiten.

Dass ganze Spielfilme in höchster Ton- und Bildqualität in naher Zukunft problemlos über das weltweite Netz beziehbar sein werden, bezweifle ich dennoch.

Die zweite Feststellung, die ich machte, war, dass sich Knoppix als erstaunlich umfangreich und benutzerfreundlich erwies. Hätte ich nicht gedacht.

Dienstag, 6. Mai 2008

Die Elster

Das war sie wieder, schwarz und weiß, auf dem frisch gemähten Innenstadtrasen: die Elster. Fast war ich geneigt, sie als meine Elster zu bezeichnen, begegnete ich ihr doch fast täglich. Nicht immer hier, doch im Umkreis von etwa Hundert Metern um den Schotterparkplatz herum war die Wahrscheinlichkeit groß, sie anzutreffen. Oft stand sie nur auf dem Rasen, hüpfte ein paar Zentimeter weit, um anschließend innezuhalten, abzuwarten und wieder ein wenig zu hüpfen. Wenn ich ihr zu nahe kam, flog sie fort, meistens auf ihren Lieblingsahorn, und beschaute mich aus sicherer Entfernung.

Dass sie es war, die ich sah, war eindeutig: Keine andere Elster wirkte derart kräftig, nicht aufgeplustert oder fett, sondern fast schon muskulös – insoweit man das von Vögeln sagen darf. Und trotz ihrer für eine Elster beeindruckenden Statur erweckte sie den Eindruck angenehmer Freundlichkeit, fast so, als könnte man hingehen und sie streicheln.

Man konnte nicht. Mehrmals schon hatte ich versucht, ihr seidig glänzendes Gefieder zu berühren, doch jedesmal hatte sie sich mit wenigen, eleganten Bewegungen aus meiner Reichweite hinausbefördert. Und so verblieb mir nur die stille Bewunderung, die Freude darüber, dass ihr ich fast täglich begegnete und ihre monochrome Schönheit bestaunen durfte.

Ich hatte es eilig, doch nahm mir die Zeit, um nach ihr Ausschau zu halten. Und da war sie, stand auf dem Rasen und schaute mich an. Ich konnte mich nicht erinnern, dass sie mir jemals einen derart intensiven Blick geschenkt hatte, und für einen Moment war ich versucht, an eine Art Verbindung zwischen uns beiden, zwischen Mensch und Tier, zu glauben. Wer wusste schon, wie intelligent Vögel wirklich waren?

Sie hüpfte auf mich zu. Ich liebte es, wenn sie hüpfte, denn diese Bewegung verlieh ihrer anmutigen Gestalt einen kindlichen Charme und ließ in mir erneut den Wunsch wachsen, sie einfach mal streicheln zu dürfen. Sie hüpfte erneut, und ich blieb stehen. Ich wollte sie nicht erschrecken, und zugleich hoffte ich, dass sie noch ein wenig näher kommen würde. Und wieder hüpfte sie. Ich jubilierte innerlich, steckte langsam meine Hand in die Jackentasche. Vielleicht hatte ich ja ein paar Brotkrumen für sie. Oder ein paar Körner. Oder irgendetwas anderes. Vielleicht etwas Glänzendes. Elstern liebten doch angeblich alles, was glänzte. Vielleicht besaß ich ja ein Kaugummipapier, das ich ihr zum Geschenk machen konnte.

Die Elster legte den Kopf schief. Sie beobachtet mich, dachte ich erfreut und kramte weiter. Ich fand nichts. Nicht in dieser Tasche. Vielleicht in der anderen...

Ich ließ meine Blicke schweifen. Wo befand sich eigentlich das Nest der Elster? Etwa in ihrem Lieblingsahorn? Nein, da hatte ich schon gesucht. Aber irgendwo hier in der Nähe musste es doch sein. Irgendwo musste sie doch all ihre glänzenden Schätze horten.

Ich erinnerte mich an ein Kinderbuch, in welchem in einer Baumhöhle zahlreiche glitzernde Elsternschätze entdeckt wurden, und dachte kurz daran, was sich wohl im Versteck meiner Elster befinden würde. Vielleicht güldene Ketten und diamantverzierte Ringe? Vielleicht Münzen in Hülle und Fülle... Ich brauchte ja eigentlich nur ein glänzendes Kaugummipapier zu finden, es der Elster zu schenken und dann zu beobachten, wohin sie flog. Wer weiß, was für Kostbarkeiten mich erwarteten?

Die Elster war inzwischen nähergekommen. Meine Hand durchwühlte noch immer die zweite Jackentasche, doch fand nichts. Ein Schlüssel, klar, doch den brauchte ich noch. Und selbst die Einkaufwagen-Euro-Münze, die ich stets in meiner Jacke aufbewahrte, wäre ein zu großes Opfer gewesen. Ich zuckte mit den Schultern.

"Tut mir leid, liebe Elster, ...", fing ich an, doch weiter kam ich nicht. Die Elster hatte ihre Schwingen ausgebreitet und flog direkt auf mich zu. Ich duckte mich reflexartig, doch ihr Schnabel bohrte sich in meinen Jackenkragen. "Was...?!", setzte ich an, doch da befand ich mich schon in der Luft. Der Boden entfernte sich, und die Elster trug mich mühelos immer weiter in die Höhe. Nur wenige Augenblicke später sank sie wieder herab, hielt direkt auf eine Gruppe alter, dicht belaubter Bäume zu.

'Silberfarbene Jacken sind unpraktisch.", dachte ich noch, bevor mich das Dunkel eines Baumlochs verschluckte.

Montag, 5. Mai 2008

Süßspeise

Ich mag Süßes, schrecke nicht davor zurück, mal eben eine Tafel Schokolade zu verspeisen oder mein Mittagessen aus etwas bestehen zu lassen, das andere nur als Nachtisch bereichnen würden. Und so war es wenig verwunderlich, dass ich den heutigen Mensabesuch mit dem Verzehr sogenannter Germknödel kombinierte.

Nun ist Germknödelteig an sich ja schon minimal gesüßt. [Ich behaupte das jetzt einfach mal, ohne recherchiert zu haben.] Und im Gegensatz zum herkömmlichen Hefeknödel befindet sich im Inneren eines Germknödels eine Füllung, zumeist aus Marmelade bestehend. In meinem Fall handelte es sich um Pflaumenmus. Durchaus süßes Pflaumenmus.

Damit aber der Germknödel nicht trostlos und alleine auf dem Teller verbleiben musste, wurde ihm noch ein wenig lecker-süße Vanillesoße mitgegeben, die in ihrer Zusammensetzung an Pudding erinnerte. Süßer Teig mit fruchtig-süßer Füllung und pudding-süßer Soße. Das sollte auch die letzte Naschkatze befriedigen.

Doch die Mensa setzte noch einen drauf. Obgleich die zermatschten Pflaumen der Germknödel bereits genügend Frucht zum Essen beigetragen hatten und obgleich die Vanillesoße ausreichend gewesen war, um sowohl den Soßenbedarf zu decken als auch des Tellers Weiß zu verhüllen, gab es noch anderthalb Kellen zusätzlicher Soße über den Germknödel: Kirschen mit süßroter Kirschsirupsoße. Hurra!

Das Essen selbst wurde zu eienr Manscherei. Der weiche Germknödelteig gab seine Pflaumenbreifüllung frei, die sich sogleich mit Vanille- und Kirschsoße vermengte und ein wunderbares Gemisch erzeugte, das längst alle Grenzen des Wortes "süß" überschritten hatte. Ich genoß es – zusammen mit 20 Stück Würfelzucker in Form von Cola.

Mittwoch, 23. April 2008

Aus hautfarbener Götterspeise

Meine Nase trieft. Es könnte schlimmer sein, aber muss nicht. Schließlich kratzt auch mein Hals, reizt mich immer wieder dazu, kraftvoll und aus tiefster Kehle zu husten. Und bei jedem Huster versucht mein ohnehin schmerzender Schädel zu explodieren. Es gelingt ihm nicht, doch die kontinuierliche Gegenwehr raubt meinem restlichen Körper die Kraft. Arme und Beine fühlen sich an, als hätte ich sie aus hautfarbener Götterspeise gefertigt, meine Finger scheinen zu zittern, obgleich ich ihnen das nicht anzusehen vermag.

Interessanterweise kann ich den Zeitpunkt, zu dem ich mir diese Erkältung einfing, relativ präzise bestimmen: eine Party, die ich insbesondere trotz der dort Anwesenden, ihrer Gespräche und Bemerkungen - und trotz der herrschenden [emotionalen und echten] Temperaturverhältnisse - als einigermaßen annehmbar in Erinnerung habe, was allerdings vorrangig der Nahrungsmitteleigenversorgung und dem Unterhaltungswert eines dort angelesenen Buches zuzuschreiben ist.

Und so stellt sich die Frage, ob mein unguter Gesundheitszustand einfach nur die logische Konsequenz einer nicht minder unguten Feierlichkeit darstellt, sozusagen eine nachwirkende, erwartbare Begleiterscheinung, oder ob die Erkältung eine Art hämischen Nachtrag, einen strafenden Kontrapunkt zu meinem Prä-Party-Optimismus, zu meinem illusorischen Glauben, diese Zusammenkunft werde sich trotz allem irgendwie als nett herausstellen, sein soll.

Vielleicht ist die Erkältung aber auch einfach nur eine Erkältung, und ich wäre gut beraten, sie im Bett auszukurieren, statt mir unnütz-alberne Erklärungsversuche aus den Zitterfingern zu saugen.

Montag, 21. April 2008

Eine bittere Linie

Ich habe begonnen, ihn zu bemitleiden. Vielleicht verdient er mein Mitleid nicht, vielleicht braucht er es auch gar nicht, vielleicht würde es ihn sogar verärgern, doch das ist mir egal.

Seinen Job möchte ich nicht haben. Nicht nur weil dieser kaum beliebter sein kann als der von Politessen und Straßenbahnkontrolleuren, sondern weil er eindeutig langweilig ist. Den halben Tag sitzt er an einem kleinen Tisch nahe des Bibliothekseingangs und betrachtet die Hereinkommenden. Jeder, der die Bibliothek betritt, ist verdächtig; soviel steht fest.
Nicht nur, weil Studenten nachlässig sind und die eine oder andere Verordnung mal ignorieren, sondern auch, weil Studenten clever sind, clever genug, um Methoden zu entwickeln, erwähnte Verordnungen zu umgehen.

Doch Nahrungsmittel haben in der Bibliothek nichts zu suchen! Ebensowenig Rucksäcke und andere Taschen! Die Bücher waren teuer und sollen nicht von Müsliriegeln und Bionade verunstaltet werden oder gar mutwillig entwendet werden!

Wer einen der schicken blauen Bibo-Plastikkörbchen durch die Tür trägt, ist verdächtig. Sicherlich: Das ist ein Buch und das andere ein Notebook. Doch was befindet sich darunter? Oder dort, in deinen ausgebeulten Hosentaschen? Ein Handy? Du weißt aber, dass Telefonieren in der Universitätsbibltiohek untersagt ist?

Der Mann hat längst den Großteil seiner Haare verloren, und ich hege die Vermutung, dass zusammen mit diesen auch die Fähigkeit zu lächeln verschwand. Sein Mund ist eine gerade Linie, und jedesmal, wenn ich ihn sehe, frage ich mich, was wohl der Grund für seine Verbitterung sein könnte.

Ist es nur der Umstand, dass er hier hockt, tagein, tagaus, die Hereingehenden betrachtet und in den seltensten Fällen aktiv zu werden braucht? Ist es nur der Umstand, dass täglich Hunderte Studenten an ihm vorbeilaufen, ihn oft keines Blick würdigen, während er sie betrachtet, sich ausmalt, welche Zukunft vor ihnen liegen könnte, welche Erfolge sie womöglich noch einheimsen werden - während er an der selbständig öffnenden Glastür darauf nur noch darauf warten kann, dass seine Rente sich nähert?

Ich glaube in seiner Verbitterung zu ertrinken, wenn ich an ihm vorübergehe, und hoffe inständig, mich zu irren. Doch wenn er im Bibo-Café einsam seine Pause verbringt oder die steif und hölzern die Toilette besucht, wenn er wortlos Stunde für Stunde absitzt, dann erwacht mein Mitleid.

Seine Ablöse kommt, und sie wechseln einige Worte. Viel war nicht los, und das Gespräch beschränkt sich auf das Nötigste. Seine Nachfolgerin wirkt lebendiger, dynamischer, so, als würde ihr der öde Job gefallen, als würde sie in der Nähe derart vieler junger Menschen aufblühen. Als ich in ihre Richtung blicke, lächelt sie sogar, und ich bin verdutzt. Wie macht sie das?

Am nächsten Tag sehe ich ihn wieder, an gleicher Stelle wie immer, der Mund wie immer an den Horizont angepasst, ein dünner Strich, der das Kräuseln längst verlernte. Doch ich will es versuche, will es wagen.

Als ich die Bibliothek betrete, schaue ich nicht weg. Bewusst locker trage ich meinen Korb herein, offenbare ein ehrliches Gesicht. Ich habe nichts zu verbergen, denke ich, und versuche, das meiner Mimik anmerken zu lassen. Und dann die Krönung: Ich lächle.
Gerade, als er mich prüfend mustert, mein Utensiliar in Augenschein nimmt, als sein Blick zu meinem Gesicht wandert, genau jetzt lächle ich. Ich schiebe alles Mitleid beiseite und lächle einfach.

Es ist nicht leicht. Zu unnatürlich wirkt, was meine Mundwinkel fabrizieren, doch ich gebe mir Mühe. Schau her, rufe ich in Gedanken, ich respektiere dich, finde gut, was du machst, dass du uns vor Unrat und Schmutz, vor Handyträllerei und verklebten Seiten, vor Taschengerempel und Buchdiebstahl bewahrst, finde gut, dass du imstande bist, Tag für Tag diesen, deinen, Job, zu erledigen. Ich lächle, weil ich zu wissen glaube, dass diese Arbeit für dich nicht alles ist, weil du zu Hause Frau und Kinder besitzt, weil du interessanten Hobbys nachgehst, dem Frohsinn frönst, sobald du diese Bibliothek hinter dir gelassen hast.

Später sah ich ihn in irgendeiner Sparkassenfiliale. Er war allein, und eine bittere Linie bildete seinen Mund.

Freitag, 18. April 2008

Tollpatschigkeiten

Dass ich tollpatschige Züge an mir habe, ist weder mir noch anderen neu. Bereits vor vielen Jahren habe ich mich damit abgefunden, dass Dinge in meiner Nähe leichter zu Bruch gehen und dass ich eben hin und wieder gegen geschlossene Glastüren renne. Wenn ich mit Freunden die Mensa besuche und irgendwo ein klirrendes Geräusch erschallt, besteht ihre erste Reaktion darin, sich umzusehen, um herauszufinden, wo ich mich befinde und was ich schon wieder destruierte.

Dass ich mich seit geraumer Zeit vegetarisch ernähre, stellt auch keine Neuigkeit dar. Ebensowenig, dass ich trotz Fleischverzicht immer noch Fisch konsumiere – ebenso wie Eier und Milch und dergleichen. Und so wundert es nicht, dass ich den heutigen Mensabesuch dazu nutzte, gebratenen Fisch und Quarkspeisennachtisch zu mir zu nehmen. Der Fisch wurde begleitet von durchaus leckerem Kartoffelsalat und einem Stückchen Kräuterbutter, das vergnügt auf dem gebratenen Wasserwesen vor sich hinschmolz. Den Nachtischquark schaufelte ich selbstständig in eine kleine weiße Schüssel – und erfuhr dabei die erste Tollpatschigkeit.

Denn irgendjemand hatte die gesamte Kelle mit deliziöser Quarkmasse verziert, und ich war nicht aufmerksam genug gewesen, dies vor dem In-die-Hand-Nehmen selbiger zu bemerken. Nun hielt ich also eine metallene Kelle und spürte, wie deren Quarkbeschmierung auf mich abzufärben begann. Ich stoppte jede Bewegung und überlegte rasch: Was war zu tun? Sollte ich eine andere, saubere Kelle anstelle der besudelten nehmen? Doch meine Hand war ohnehin bereits bequarkt, und eine neue Kelle hätte diesen Umstand nicht beseitigt. Außerdem hätte ich eine für Joghurt oder anderes bestimmte Kelle einfach so entweihen und ihrer ursprünglichen Funktion berauben müssen.

Der Entschluss war schnell gefasst: Ich behielt meine Kelle, ignorierte die Quarkspeise auf meiner Haut und füllte das Schüsselchen. Kaum war ich damit fertig geworden, leckte ich das süße Milchprodukt von meiner Hand, suchte eine Serviette und reinigte mich, bereit, diese kleine Unanehmlichkeit als abgeschlossen zu betrachten.

Doch Quarkspeise ist nichts ohne dezente Geschmacksvervielfältigung. Also beschloss ich, meinen Nachtisch mit drei leckeren Erdbeeren samt gesüßter Erdbeersoße zu krönen. Aber kaum hatte ich die entsprechende Kelle berührt, rutschte sie mir aus den Fingern und hinein in das klebrig-süße Erdbeerrot. Geschickt fischte ich die Kelle aus der Flüssigkeit und verzierte meinen Quark. Dass meine gerade bereinigten Hände dabei erneut besudelt wurden, bedarf keiner Erwähnung. Eine weitere Serviette fiel mir zum Opfer.

Ich zahlte, setzte mich auf einen freien Platz und versuchte, den Verschluss der gerade erworbenen Flasche kohlensäurehaltigen Erfrischungsgetränks zu öffnen. Doch dieser weigerte sich, denn zwar gelang es mir, die Flasche selbst zu öffnen, doch hing der Kunststoffverschluss fest und unnachgiebig am Flaschenhals. Ich zerrte kurz und kräftig – und verschüttete dabei einen nicht geringen Teil des sprudelnden Inhalts.

Meine bereits benutzten Servietten zu Rate ziehend begann ich, zunächst mich selbst vom verschütteten Nass zu befreien. Als nächstes wäre der Tisch an der Reihe gewesen, doch da bemerkte ich die Verunreinigung am Ärmel meines Kapuzenpullovers. Bei der ruckartigen Verschlussentfernbewegung hatte ich es geschafft, den Arm über meinen Fisch hinwegzufegen – und dabei die Kräuterbutter mitzunehmen, die nun fröhlich und halb geschmolzen an meiner Kleidung klebte.

Die verfügbaren Servietten reichten nicht länger aus. Ich beseitigte, was möglich war, und holte Nachschub. Mit vier weiteren Servietten brachte ich sowohl mein Oberteil als auch den Tisch wieder in einen akzeptablen Zustand.

Nun endlich konnte ich essen. Dass mein linker Arm dabei aufdringlich nach Kräuterbutter roch, ignorierte ich. Und die kleinen Brausepfützen auf meinem Kartoffelsalat rührte ich einfach unter.

Mittwoch, 16. April 2008

Verstopfung

Die zur Universitätsbibliothek gehörenden Schließfächer lassen sich nur mit Geldstücken benutzen. Ein-Euro-Stücke werden bevorzugt, aber es existieren auch Schränke, die Zwei-Euro-Stücke annehmen. Ich jedenfalls besitze einen "Bibo-Euro", ein nettes Euro-Stück, das stets in meiner Hosentasche verweilt und keine andere Bestimmung hat, als hin und wieder in einem Schließfach zu verschwinden.

Außerdem besitze ich einen Bibo-Chip. Selbigen fand ich neulich im Ausgabeschacht eines der Schließfächer, und erfreut nahm ich ihn an mich - für den Fall, dass mein Bibo-Euro aufgrund von Bargeldknappheit oder Schusseligkeit fernab meiner Hosentaschen herumvagabundiert.

Ich freute mich, als ich den kleinen weißen Plastikchip fand, der, weil er ein Loch in der Mitte besitzt, wohl eher ein Ring war. Nicht weniger freute ich mich heute darüber, den Chip einer Freundin zu vermachen, die ebenso wie ich die Bibliothek zu benutzten gedachte, im Gegensatz zu mir aber keinen Bibo-Euro besaß.

Ich gab den Chip her - und musste kurz darauf feststellen, dass dieser den Münzeinwurfschlitz eines Schließfachs verstopfte und anscheinend nicht für diesen geeignet war. Stocherei mit einer Schere nützte nichts, und so besorgte sich besagte Freundin durch Geldwechseln einen echten Bibo-Euro.

Ich hingegen ging zu einem Bibliotheksmitarbeiter und erläuterte, dass ein Chip den Münzeinwurfschlitz des Schließfachs 258 verstopft habe.
"War das ihr Chip?", wurde ich gefragt.
"Ja, aber ich habe ihn nur gefunden und brauche ihn nicht unbedingt."
"Darum geht es nicht. Das kostet 10,50 Euro."
"Was?!?"
"Chips sind für die Schränke nicht geeignet. Sie müssen mühsam wieder entfernt werden. Und das kostet Geld."
Ich war entsetzt.
"Aber ... Steht das da explizit am Schrank?"
Ich erhielt keine Antwort. Der Biblitoheksmitarbeiter ging zu einer älteren Kollegin.
"Ich wollte doch nur Bescheid sagen.", rief ich ihm hinterher, sah es nicht ein, dass ich für eine eigentlich freundliche Geste bestraft werden sollte. "Und wenn ich einfach wegrenne...?", fragte ich noch, doch erntete nur einen humorlosen Blick.

Die ältere Kollegin fragte noch einmal nach der Nummer des Schranks.
"258.", sagte ich resignierend.
"Chips sind für die Schränke nicht geeignet.", sagte sie, nachdem sie die Nummer notiert hatte.
"Aber steht das denn da?"
"Da steht, dass man einen Euro einwerfen soll.", erhielt ich als Antwort, und obgleich mich diese nicht befriedigte, schwieg ich.
"Die Chips verstopfen die Schließfächer; das nächste Mal nehmen Sie bitte Geld." Sie nickte mir zu, signalisierte, dass ich straflos gehen könne.
"Okay.", sagte ich und entfernte mich, bevor sie es sich anders überlegte.

Sonntag, 13. April 2008

Nächtliche Gutmenscherei

Auf dem nächtlich Heimweg wurden wir Radfahrenden von einem Auto überholt, aus dessen Fenstern grölende Oberkörper ragten, die uns im ersten Moment einen Schreck einjagten, im zweiten allerdings ein abwertendes Augenrollen verursachten. Prolls, eben. Oder Fußballfans. Oder wasauchimmer.

Das Auto raste vorbei, wir hörten es klackern, ich sah es zuerst: Ein Handy war aus dem Grölwagen auf die Straße gefallen, und nachdem ich vorsichtig nach eventuell vorbeidüsenden Autos Ausschau gehalten hatte, hielt ich es auch schon in meiner Hand.

Der Grölwagen stand unterdessen an der nächsten Ampel, und ich schwang mich aufs Rad, die Handyverlierer noch zu erwischen. Doch kein Gestikuliren oder Schreien half: Bei Grün düsten die Oberkörper samt ihres Gefährts davon.

Wir untersuchten das Mobiltelefon. Der letzte Anruf war vor wenigen Minuten eingegangen, doch das Handy-Guthaben reichte nicht aus, um irgendwen, der den Besitzer kennen könnte, vom Fund zu informieren.

Plötzlich kehrte der Grölwagen zurück. Unweit von uns hielt er auf einem Parkplatz, doch schien es nicht so, als ob das verlorene Handy der Grund dafür gewesen war. Vielmehr vermtuete ich ein allgemeines Sammeln an ebenjener Lokation. Das muss ich mir zunutze machen, dachte ich. Schließlich wollte ich nicht mitten in der Nacht von einem Telefonklingeln geweckt werden, bloß weil der Besitzer das Fehlen seines technischen Geräts bemerkt hatte.

Ich raste also über eine Wiese den Abhang hinab. Auf dem Parkplatz stiegen gerade die Insassen aus dem Grölwagen.
"Ihr habt ein Handy verloren.", meinte ich plump.
"Wie haben dich schon gesucht."; kam es zurück.

Gesucht?, dachte ich. Davon war wenig zu spüren gewesen. Doch ich schwieg und überreichte das gefundene Mobiltelefon. Ein Laut kam zurück, den ich wohlwollend als genuscheltes Danke interpretierte.

Wortlos kehrte ich zu den meinigen zurück und schließlich heim.

Samstag, 12. April 2008

Und was darf's bei Ihnen sein?

Ein sachtes Hungergefühl und die Verlockung auf etwas Leckeres, möglicherweise Süßes, ließ mich hinüber zum Backwarenfachverkauf schlendern und dort das hinter der Scheibe und in den Regalen dargebotene Backwerk mustern. Noch während ich dabei war, mein inneres Bedürfnis nach Deliziösem mit dem Angebotenen abzugleichen und eine Entscheidung zu fällen, vernahm ich die Stimme der Backwarenfachverkäuferin "Und was darf's bei Ihnen sein?"

Ich sah mich um, doch außer mir gab es niemanden, der in der Nähe des Verkaufsbereichs stand - und selbst ich hatte mich extra anderthalb Schritte zurückgezogen, um unbehelligt die ausliegenden Backwaren begutachten zu können. "Ich guck' noch.", antwortete ich also der Fragenden, hob kurz den Kopf und senkte ihn wieder herab, um eine Antwort auf ihre und meine Frage zu finden. Doch das Finden war mir nicht vergönnt, denn wenige Augenblicke später tönte diesselbe Stimme ein weiteres Mal: "Soll es zum Mitnehmen oder Hier-Essen sein?".

Ich war verwirrt. Noch immer gab es niemanden außer mir, dem diese Fage gelten konnte, doch ich hatte noch kein Wort gesagt, wusste selber noch nicht, was ich wollte. Was also sollte diese Frage?

Vielleicht will ich ja ein Brot, dachte ich. Vielleicht sollte ich antworten: "Ein Berliner Landbrot, bitte." und dann ergänzen "Zum Hieressen." Doch höflich wie ich war, antwortete ich nur "Weder noch. Vielen Dank." und ging.

Donnerstag, 21. Februar 2008

Das ist mal was anderes.

Keineswegs neu ist, dass Menschen Fremdem, Unbekanntem oft kritisch und abwehrend gegenüberstehen, dass sie aus den Zeiten urmenschlicher Entwicklung ein oft gesundes Misstrauen allem noch nicht Erfahrenen gegenüber mitbrachten. In der Gegenwart wirkt dieses Misstrauen oft konservativ, ignorant und abwertend, und doch hat es, zumindest in Ansätzen, seine Berechtigung.

Denn ebenso wie es die Furcht anderem gegenüber gibt, gibt es dessen Gegenteil: die kritiklose Akzeptanz. Weil Dinge neu sind, haftet ihnen automatisch ein Positivcharakter an. Weil sie aus der Fremde kommen, wohnt ihnen ein Hauch von Exotik bei. Und auch dieses Verhalten hat, zumindestens in Ansätzen, seine Berechtigung.

Zwischen diesen Gegensätzen leben wir, müssen uns vorsehen, nicht in das Fettnäpfchen verstaubender Gestrigkeit zu treten, und zugleich alles, was uns unbekannterweise begegnet, mit einem Interesse beäugen, das nicht von überschwänglicher Begeisterung diktiert wird.

Und dennoch: Ich kann ihn nicht leiden, jenen Satz, den ich so oft höre, der in meinen Augen so gut wie keine Daseinsberechtigung hat:
"Das ist mal was anderes."

Grundlos positiviert wird hier, was anders ist. Natürlich ist es schön, Abwechslung zu finden, das Neue willkommen zu heißen, die graue Masse der Konformität zu verlassen und das Schillern des scheinbar Unverbrauchten zu genießen. Doch diesem Satz schwingt eine Stimmung mit, die zu akzeptieren ich nicht bereit bin, ein grundloses Euphemisieren des anderen, ein Gutfinden, das seine Berechtigung einzig und allein daraus bezieht, dass es von dem Bisherigen abweicht.

Abweichung allein ist kein Merkmal für Güte. Bloß weil etwas anders ist, muss es noch lange nicht den Standards entsprechen, die das Gewohnte mit sich bringt. Denn dies ist der Vorteil des Üblichen: Dass es bereits einen bestimmten Level an Güte erreicht hat und genau deswegen akzeptiert wurde. Dass ein Mindestmaß an Qualität bereits garantiert ist - und vom Neuen, Unbekannten erst gezeigt werden muss.

Sicherlich: Die Masse ist blind und abgestumpft, bereit, auch Ungutes auf Dauer zu akzeptieren allein der Gewöhnung wegen. Und sicherlich: Das meiste, was ohnehin gut ist, kann dennoch verbessert werden.
Dennoch heißt der bloße Umstand, dass man geneigt ist, einen anderen Weg zu beschreiten, noch lange nicht, dass dieser Weg zum altbekannten Ziel oder gar darüber hinaus führen wird.

Ich mag diesen Satz nicht, zucke gepeinigt zusammen, wenn er argumentativ gebraucht wird, wenn sich jener Unterton einschleicht, der irgendwo zwischen Entschuldigung und Wagemut zu liegen scheint, mag nicht, wenn die Worte ausgehen und nur noch diese leere Floskel übrig bleibt.

Kleingeistige Verweigerung ist jedoch nicht minder unnütz als blindwütige Akzeptanz. Der altbekannte Weg der güldenen Mitte führt in die richtige Richtung - und ist wie stets nicht leicht zu finden.

Flatterfred...

Status...

Du bist nicht angemeldet.

Aktuell...

Altslawische fantastische...
Ich möchte dir mein fantasy Welt vorstellen. Vielleicht...
Cerny Vlk - 6. Jan, 21:45
Radtour Salbker See II
Danke für die tollen Tipps, wir waren im August auch...
Physiotherapie Leipzig (Gast) - 21. Nov, 17:06
Higtech
Naja, man glaubt es kaum, aber was der Angler an Energie...
Martin Angel (Gast) - 12. Sep, 11:27
gar nisch süß
dat is gar nisch süß soll isch de ma was rischtisch...
free erdem (Gast) - 6. Jun, 16:40
Hier wird es fortan weitergehen: http://morast .eu Und...
Hier wird es fortan weitergehen: http://morast .eu Und...
morast - 1. Feb, 21:10

Archiv...

April 2025
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
 
 
 
 
 
 
 

Suche...

 

Rückblick...

Online seit 7303 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:03

Und so...


23
Bahnbegegnungen
Begegnungen
Farbenfroh
Fetzen
Frederick
G
Geistgedanken
Krimskrams
Menschen
MiSt
Morgenwurm
Morning Pages
Seelensplitter
Tageswort
Weise Worte
... weitere
Profil
Abmelden
Weblog abonnieren