Mittwoch, 14. September 2005

Göttliches Äußeres

"Bist du schön?"

Möglicherweise sollte ich es als gut erachten, daß niemand - wenn man mal von meiner Wenigkeit absieht - auf den Gedanken kommt, andere mit dieser durchaus wenig oberflächlichen Frage zu konfrontieren. Doch käme jemand auf diesen Gedanken, wüßte ich bereits, was ich antworten würde- habe ich mir doch diese fragenden Worte bereits mehrere Male unter die Nase ins Ohr gesetzt.

Mein Antwortspektrum wäre allerdings diffus, reichte von "Heute schon." über "Eigentlich nicht." bis hin zu "Kommt drauf an."
Denn das tut es.

Es gibt Tage, an denen ich mich gut fühle, wohl in meiner Haut, in denen ich weiß, daß ich gerne ich bin. Dann fühle ich mich auch schön.
Doch ebenso kommen Zeiten, in denen ich mit jegliche [nach außen hin sichtbare - über keine andere rede ich] Schönheit absprechen und mich am liebsten unter Kapuzen und Bettdecken verkriechen würde.

Aber ich weiß, daß ich schön bin - für die richtigen Augen, für jene Augen, die mich schön finden.

Ich weiß. Der Satz beißt sich selbst in den inexistenten Schwanz. Allerdings bestätigt er auch binsensweisheitliche Sprichwörter über die im Auge des Betrachters liegende Schönheit.
Sollten also die betrachtenden Augen meine eigenen sein, so bedarf es nur eines persönlichen Wohlfühlempfindens, um mich in meinen Gedanken als "schön" bezeichnen zu können.

Allerdings ist selbiges Wohlfühlempfinden nicht zwingend notwendig, um andere als schön zu empfinden [Hier beobachte ich einen eher gegenteiligen Effekt: Die Nähe einer schönen Frau wirt zuweilen durchaus aufbauend und wandelt dadurch Miesepetrigkeit und Tristesse eventuell sogar in erwähntes Wohlbefinden.].

Nachdem ich unlängst einen Mann als attraktiv empfand, scheue ich mich an dieser Stelle noch nicht einmal zuzugeben, daß Schönheit auch maskuline Wesen betreffen kann [obgleich Frauen unabstreitbar - Gibt es dieses Wort überhaupt? - das schönere Geschlecht darstellen].

Es wundert sicherlich niemanden, wenn ich der Welt verkünde, daß ich es mag Schönheit mit meinen Blicken zu berühren, zu streifen, zu erahnen [Wobei erwähnt sei, daß ich auch hier dem femininen Geschlecht den Vorzug gebe.].

Jedoch fiel und fällt es auf, daß ich, der es mag, Menschen jedweder Art zu betrachten, ihre Geschichte zu erraten, der Menschen gerne offen und neugierig in die Augen blickt, um zu erfahren, was hinter der Hülle des Äußeren zu finden ist, Schwierigkeiten damit habe, schönen Frauen in die Augen schauen, sie länger als einen Moment lang fixieren zu können. Ich scheue mich, die Schönheit mit meinen aufdringlichen Blicken zu belästigen.

'Woran liegt das?', frage ich mich und suche die Antwort überall, vor allem in dem Standard-Übeltäter Nummer 1: die Medien.
Schönheit wird seit jeher als unantastbar, überirdisch, anbetungswürdig, ja fast göttlich, dargestellt. Millionen von Gedichten und Liedern berichten über schöne Menschen, die durch ihr Äußeres zu bezaubern vermocht hatten.

Ist also in mir der Respekt vor schönen Menschen derart gewaltig, daß ich lieber beschämt-schüchtern zu Boden blicke, als sie einer genaueren Betrachtung zu unterziehen? Glaube ich - und jeder andere, der ähnlich agiert - wirklich, daß Schönheit etwas Göttliches in sich trägt, vor dessen Antlitz jeder Unwürdige sein Haupt zu senken hat?

Ich bin mir nicht sicher, weiß ich doch zum einen, daß es mir leicht fällt, eine schöne Frau zu betrachten, solange ihre Blicke mich nicht streifen, solange sie mich nicht bemerkt, nicht wahrnimmt, und zum anderen, daß viele Menschen sich keineswegs mit dem erwähnten Respekt belasten. Aber vielleicht fehlt ihnen auch allgemein der Respekt vor irgendetwas und das Feingespür, Schönheit zu erkennen, wenn sie sich nicht auf die Dimensionen sekundärer Geschlechtsmerkmale beschränkt.

Ich weiß es nicht, doch beschloß ich unlängst, nicht länger niederzublicken, sondern der Schönheit in die Augen zu sehen, nicht respektlos, sondern voll von ehrlicher Offenheit, voll von Neugierde, voll von Interesse an ihr und ihrem Sein.

Äußerliche Schönheit ist nur eine Maskerade.
Zuweilen bedarf es nur eines einzigen Wortes, um unschöne Risse in der vermeintlichen Schönheit erkennen zu lassen.
Zuweilen bedarf es nur eines Lächelns, um das vermeintlich Normale mit unendlicher Schönheit zu segnen.

'Vielleicht auch das meine.', denke ich - und lächle.

[Im Hintergrund: Mortal Love - "All The Beauty"]

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